Techno-Optimismus: "Wir sind nicht einfach nur Herdentiere"

Der Mediziner und Soziologe Nicholas Christakis glaubt an das Gute im Menschen. Seine Untersuchungen zeigen, dass er recht haben könnte.

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(Bild: Shutterstock)

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In seinem Labor an der Yale University erforscht Nicholas Christakis, welchen Einfluss die Struktur von Gesellschaften auf das Verhalten Einzelner hat. Dafür haben Christakis und sein Team eine Software-Umgebung namens Breadboard erschaffen, die Online-Spiele und das kollektive Bearbeiten vorgegebener Probleme ermöglicht. In einem Experiment verteilten die Forscher virtuelles Geld an 758 Freiwillige. In jedem Spielzug konnten die Spieler dann eine frei gewählte Summe Spielgeld an einen von sechs fest zugeschriebenen Partnern geben. Die gespendete Summe wurde dann jeweils verdoppelt. Ziel des Spiels war, am Schluss am meisten Geld zu haben.

Unter den vorgegebenen Bedingungen bevorzugt das Spiel Individuen, die nur abkassieren und nichts geben. Die Bereitschaft, zu spenden, ging daher rasch gegen null. In einem modifizierten Setup erlaubten die Forscher den Spielern nach einigen Zügen, neue Kooperationspartner zu wählen. Dadurch stieg die Bereitschaft, Geld zu geben, signifikant an, denn nun fanden sich "Handelspartner", die sich gegenseitig halfen. "Die Menschen denken oft, dass Eigenschaften wie Freundlichkeit unveränderlich sind", schreibt Christakis. "Unsere Forschung deutet auf das Gegenteil hin. Die Tendenz, eigennützig oder großzügig zu sein, scheint stark davon abhängig zu sein, wie das soziale Miteinander organisiert ist."

In einem anderen Experiment mussten zwei menschliche Teams gemeinsam mit einem kleinen virtuellen Roboter Aufgaben lösen. Von Zeit zu Zeit machte ein Teil dieser Maschinen absichtlich Fehler. Sie kommentierten dann ihre Fehlleistung mit Sätzen wie: "Oh, da habe ich wohl etwas falsch gemacht." Das Ergebnis: Die Gruppen, die mit "fehlerhaften“"Robotern arbeiteten, brachten bessere Ergebnisse als die Gruppen, die mit fehlerlosen Maschinen arbeiteten. Wahrscheinlich, so Chris­takis, hatten die Menschen Mitgefühl mit den unvollkommenen Maschinen, was auch ihren Zusammenhalt untereinander im Team verstärkte. Aus diesen und anderen Befunden folgert der Forscher, dass der Mensch als kooperatives Wesen geboren ist.

TR: Es gibt ein zunehmendes Unbehagen gegenüber der Globalisierung und der Digitalisierung. Der technische Fortschritt sollte die Welt besser und demokratischer machen – herausgekommen ist aber eine Gesellschaft mit wachsender Ungleichheit, mehr Überwachung, Cyber-Mobbing und Hass. Es gibt Wissenschaftler, die sagen, das musste ja so kommen. Kann Technologie den Menschen zu einem besseren Wesen machen?

NICHOLAS CHRISTAKIS: Zunächst einmal scheint es eine generelle Eigenschaft von technischem Fortschritt zu sein, dass er den allgemeinen Wohlstand hebt, aber gleichzeitig soziale Unterschiede verstärkt. Das sehen wir immer und immer wieder, nicht erst seit der Einführung der Mikroelektronik oder der Digitalisierung. Aber die neuen Technologien selbst haben die menschliche Interaktion nicht wirklich verändert, jedenfalls nicht in diesem relativ kurzen Zeitraum, und werden es auch nicht in den nächsten paar Hundert Jahren tun.

Das vollständige Interview lesen Sie in der gedruckten Ausgabe von Technology Review (ab 7. November im Handel).

(wst)