Wurmzirkus im Rampenlicht

Mit Hilfe der Optogenetik können Forscher die Bewegung von Fadenwürmern erstaunlich präzise fernsteuern.

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Von
  • Emily Singer

Mit Hilfe der Optogenetik können Forscher die Bewegung von Fadenwürmern erstaunlich präzise fernsteuern.

Flohzirkusse sind in der heutigen Zeit aus der Mode gekommen. Doch vielleicht ist nun ein würdiger, biotechnisch anspruchsvoller Nachfolger für die einstige Jahrmarktattraktion gefunden: Zwei Forschungsgruppen haben unabhängig voneinander die Grundlagen für einen „Wurmzirkus“ entwickelt. Mittels einer genetischen Veränderung können sie den Fadenwurm C. elegans nur über Lichtstrahlen steuern – und sogar dazu bringen, Eier zu legen.

Grundlage des Wurmzirkus ist die so genannte Optogenetik: eine Variante der Gentechnik, bei der Nervenzellen mittels Licht angeregt werden können. Dazu fügen Forscher in die Nervenzellen eines Organismus Gene für lichtempfindliche Proteine ein. Werden die Zellen mit Licht verschiedener Farbe – je nach Protein – bestrahlt, verstummen oder feuern sie. Auf diese Weise lässt sich Schritt für Schritt herausfinden, welche Neuronen an bestimmten Schaltkreisen im Nervensystem beteiligt sind.

„Wir verwenden einen normalen LCD-Projektor, um das Nervensystem und damit die Bewegung des Wurms zu steuern“, erklärt Hang Lu, Molekularbiologe am Georgia Institut of Technology. „Wir können ihn zum Tanzen bringen, mit dem ‚Kopf nicken’ oder mit dem ‚Schwanz wedeln’ lassen.“

Die Lichtpulse stimulieren dabei Nervenzellen, die veranlassen, dass sich verschiedene Muskeln zusammenziehen. „In gewisser Weise vermitteln wir dem Wurm den Eindruck, dass ihn gerade etwas am Kopf oder am Schwanz berührt hat.“ Lu und seine Kollegen können auf diese Weise den Wurm regelrecht in den Vorwärts- oder Rückwärtsgang schalten (zwei Video der Bewegungen gibt es hier und hier).

Optogenetik sei eine Art Fernsteuerungstechnik für Neuronen, sagt Christopher Fang-Yen von der University of Pennsylvania. Er war bis vor kurzem Teil der Gruppe an der Harvard University, die parallel zu den Georgia-Forschern an C. elegans gearbeitet hat.

Dennoch hat die Optogenetik gewisse Grenzen. Bislang war es schwierig, einzelne Neuronen mittels Lichtpulsen anzusteuern. Zuverlässig gelang dies nur mit ganzen Neuronengruppen. Die beiden Forschungsgruppen konnten dieses Problem nun lösen.

„Anstatt mit einem Scheinwerfer auf den Wurm zu leuchten, setzen wir Punktleuchten ein“, sagt Fang-Yen. Der Wurm wird nun bei seinen Bewegungen in der Petrischale gefilmt. „Ein Computer wertet das Bild aus und sorgt dafür, dass der Lichtstrahl nur auf das Gewebe gerichtet wird, das wir stimulieren wollen.“ Dabei kam ihnen zugute, dass C. elegans nur ganze 302 Nervenzellen hat. Deren Positionen im Körper sind inzwischen genau bekannt. Während das Tier sich in der Petrischale vermeintlich frei bewegt, steuern es die Biologen in Wirklichkeit ganz gezielt.

Ed Boyden, Leiter der Gruppe für Synthetische Neurobiologie am MIT und einer der Pioniere der Optogenetik, lobt die Arbeit: „Sie liefert uns einen wertvollen Beleg, wie die digitale Beleuchtungstechnik unseren molekularen Werkzeugkasten erweitert.“ Selbst wenn sich eine Feinsteuerung auf der Ebene einzelner Moleküle als unmöglich erweisen sollte, sei dies ein Ansatz, um zumindest bestimmte Zellen präzise zu stimulieren. (nbo)