X Prize: 101 Millionen Dollar für Anti-Aging-Therapie

Die Muskel-, Gehirn- und Immunfunktion älterer Menschen soll mindestens um ein Jahrzehnt verjüngt werden. Gelingt das den Forschern?

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Ältere Personen

Ältere Personen.

(Bild: Diego Cervo/Shutterstock)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Cassandra Willyard
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Mit Geld kann man bekanntermaßen kein Glück kaufen. Doch der Gründer des X Prize, Peter Diamandis, hofft, dass man damit zumindest eine bessere Gesundheit im Alter erwerben kann. Deshalb hat seine Stiftung, die X Prize Foundation, nun einen weiteren globalen Wettbewerb zur Entwicklung bahnbrechender Technologien ausgeschrieben, der mit 101 Millionen US-Dollar dotiert ist. Diesmal soll es darum gehen, den geistigen wie körperlichen Verfall zu stoppen, der mit dem Älterwerden einhergeht. Die Gewinner müssen bis zum Jahr 2030 beweisen, dass ihr Verfahren die Alterungsuhr in drei Kernbereichen um mindestens ein Jahrzehnt zurückdrehen kann. Es sind: Kognition, Immunsystem und Muskelfunktion.

"Gesundes Altern ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit", glaubt Jaimie Justice, Altersforscherin und selbst stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsbereichs beim X Prize. "Was wir brauchen, ist ein Ruf zu den Waffen." Diamandis zufolge geht es allerdings nicht darum, das Altern per se rückgängig zu machen, sondern vielmehr darum, einen Teil der Körperfunktionen wiederherzustellen, die wir im Alter verlieren. Denn die Lebenserwartung hat sich im letzten Jahrhundert mehr als verdoppelt. Doch viele Menschen haben in ihren letzten Lebensjahren mit einer Vielzahl chronischer Krankheiten und anderer altersbedingter Beschwerden zu kämpfen. "Was wollen [ältere] Menschen wirklich? Sie wollen sich gut und lebendig fühlen", sagt er.

Der neue X Prize ist erfreulich für Forscher, die Therapien zur Bekämpfung des Alterns entwickeln. Obwohl bereits einige prominente Milliardäre in Langlebigkeitsunternehmen investiert haben, "fließen die meisten Investorengelder in diesem Bereich in die Behandlung spezifischer Krankheiten", sagt James Peyer, CEO der Fachunternehmens Cambrian Bio. Dabei gehe es unter anderem um chronische Erkrankungen. Denn nur wenn der Schwerpunkt auf einer einzigen Krankheit liegt, gibt es einen klaren Weg zur Zulassung einer Therapie.

Viele Forscher glauben jedoch, dass altersbedingte Krankheiten wie Herzinfarkt, Krebs oder Alzheimer durch den Alterungsprozess selbst verursacht werden. Eine Therapie, die auf diesen Prozess abzielt, könnte theoretisch das Auftreten dieser Krankheiten verhindern oder verzögern. Entsprechend müsste man diesen bekämpfen. Das Preisgeld des X Prize könnte nun dazu beitragen, Studien zu finanzieren, mit denen dies nachgewiesen werden kann, sagt Peyer: "Das ist es, was die US-Gesundheitsaufsicht FDA und andere Regulierungsbehörden letztlich für eine Zulassung verlangen werden."

Um den Wettbewerb zu gewinnen, müssen die Teams ein "proaktives, [für die Menschen] zugängliches Therapeutikum" entwickeln. Es soll Muskelapparat, kognitive Fähigkeiten und Immunfunktion von gesunden Menschen im Alter von 65 bis 80 Jahren um einen Betrag verbessert, der einer Reduzierung des Alters um 10 bis 20 Jahre entspricht. Neu muss der Wirkstoff nicht sein. Es darf auch ein Immunsuppressivum wie Rapamycin sein, das sich bei Mäusen als vielversprechend erwiesen hat. Auch Therapien, die auf "Zombie"-Zellen abzielen, die sich nicht mehr teilen, aber auch nicht absterben, wären denkbar. Oder eine radikalere Strategie wie die Reprogrammierung von Zellen, um sie zur Verjüngung zu veranlassen. Auch ganz neue Ideen sind gefragt. "Wir versuchen, hier eine bahnbrechende Veränderung zu fördern", sagt Diamandis. Er hoffe, dass der signifikante Geldpreis Hunderte oder gar Tausende von Teams dazu bewegen wird, sich zu bewerben.

Matt Kaeberlein, Altersforscher am University of Washington Medical Center in Seattle, meint dazu, die X-Prize-Stiftung habe die Messlatte hoch gelegt, aber nicht zu hoch. "Wir wissen, dass man die Gesundheit insgesamt verbessern kann, und darum geht es bei diesem Preis wirklich", sagt er. Er vermute, dass schon rigorose Veränderungen in den Bereichen Ernährung und Schlaf ausreichen könnten, um die Muskelfunktion um 10 Jahre zu verjüngen.

Die Erfolgsmessung könnte sich jedoch als schwierig erweisen. "Ich persönlich würde gerne etwas genauer wissen, wie eine Verbesserung der biologischen Altersparameter überprüft werden soll", sagt Kaeberlein. Die Überprüfung der Verbesserung der Muskelfunktion könnte einfache Bewertungsmuster wie die Prüfung der Kraft beim Greifen beinhalten, sagt er. In Sachen Immunsystem wäre die Messung der Impfstoffreaktion eine Standardmethode. "Kognition hingegen ist viel variabler", sagt er. Das bleibt also undurchsichtig.

Die von der X-Prize-Stiftung herausgegebenen Richtlinien geben einen gewissen Einblick in die Arten von Endpunkten, die in der Studie gemessen werden könnten. Für die Muskelfunktion sind Geh- oder Bewegungstest, Messungen des Muskelvolumens und eine ganze Batterie von Leistungstests geplant. Kognitionsbezogene Endpunkte könnten Gedächtnistests und kognitive Bewertungen umfassen. Und zur Beurteilung der Immunfunktion sollen die Anzahl der weißen Blutkörperchen, das Verhältnis zu den Immunzellen und die Antikörperreaktion auf einen Impfstofftest gehören. "Dies ist kein feststehendes Dokument. Das Gespräch beginnt damit erst", so X-Prize-Mitarbeiterin Justice. "Wir erwarten in den nächsten sechs Monaten ein Feedback aus der Community. Messen wir die richtigen Dinge? Messen wir sie auf die richtige Art und Weise?"

Die Erstellung der endgültigen Liste der Endpunkte wird nicht einfach sein. "Es ist wirklich schwierig, klinische Ergebnisse dafür zu finden", sagt Nir Barzilai, Direktor des Instituts für Altersforschung am Albert Einstein College of Medicine in New York und Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des X Prize für den Alterungswettbewerb. "Vielleicht werden Biomarker ein Teil davon sein. Aber wir wissen noch nicht, welche das sind."

Kaeberlein hält das ausgewählte Team, das diese Entscheidungen treffen soll, jedoch für clever und glaubwürdig. "Ich bin sehr froh, dass Leute, die ich respektiere, daran beteiligt sind. Und ich denke, das gibt mir viel Vertrauen, dass sie es richtig machen werden."

Die Idee hinter dem X Prize-Modell ist einfach. Ein hoher Geldpreis soll einen Wettbewerb anregen, der zu "radikalen Innovationen" führt. Manchmal funktioniert das gut. Der allererste X Prize aus dem Jahr 1996 führte zum ersten privaten Raumflug. Manchmal scheitert das Modell aber auch. Im Jahr 2013 stellte die Stiftung ihren Genomik-Wettbewerb ein, weil er "von der Innovation überholt" wurde. Der Lunar X Prize wiederum endete 2018 ohne Gewinner, obwohl die Stiftung im folgenden Jahr eine Million Dollar an ein Unternehmen vergab, das auf dem Mond eine Bruchlandung vollführte.

Ein X Prize-Wettbewerb, der sich mit dem Altern befasst, ist seit Jahren in Arbeit. Er wurde durch Gespräche zwischen Diamandis, dem Langlebigkeitsinvestor Sergey Young, dem Futuristen und exzentrischen Forscher Aubrey de Grey und Michael Antonov, einem Langlebigkeitsenthusiasten und Mitbegründer des zu Facebook gehörenden Virtual-Reality-Unternehmens Oculus, angestoßen. Young und Antonov stellten schließlich die Anschubfinanzierung zur Verfügung, um die Machbarkeit des Preises zu untersuchen.

Diamandis verkündete den mit 101 Millionen Dollar dotierten Preis auf dem "Global Healthspan Summit" in Riad, einer Veranstaltung von Hevolution, einer gemeinnützigen Organisation, die 2021 von der saudischen Königsfamilie ins Leben gerufen wurde. Sie plant selbst, jährlich eine Milliarde Dollar für die Altersforschung auszugeben. Und Hevolution stellt mit 40 Millionen Dollar den größten Teil der X Prize-Gelder zur Verfügung. Der andere große Geldgeber ist der Chip Wilson, Gründer des Sportbekleidungsherstellers Lululemon, der 26 Millionen Dollar für den Preis beisteuert. Er hat außerdem zusätzliche 10 Millionen Dollar für jedes Team bereitgestellt, das eine Therapie entwickelt, die die Muskelfunktion von Menschen mit fazio-skapulo-humeraler Muskeldystrophie über einen Zeitraum von zehn Jahren verbessern kann. Wilson ist selbst betroffen.

Die Gelder werden in drei Tranchen ausgezahlt. In den ersten zwei Jahren erhalten bis zu 40 Forschergruppen jeweils 250.000 Dollar, "um sie zu einigen der besten Teams zu machen", so Diamandis. Wie diese Gruppen ausgewählt werden, ist noch unklar. Aber das sei "eher subjektiv als objektiv", fügt er hinzu. In drei oder vier Jahren erhalten dann die zehn besten Teams unter diesen 40 jeweils eine Million. Damit verbleiben 81 Millionen Dollar für die "echten" Gewinner, die dann im Jahr 2030 bekannt gegeben werden.

Jedes beteiligte Team, das eine Verringerung der Alterung um sogar 20 Jahre vorweisen kann, erhält den vollen Preis. Eine 15-jährige Verringerung wird mit 71 Millionen Dollar belohnt. Der Preis für eine 10-jährige Verringerung beträgt 61 Millionen Dollar.

Gordon Lithgow, ein Forscher, der sich am Buck Institute mit der Biologie des Alterns beschäftigt, freut sich sehr über die Ankündigung. Sie sei "fantastisch". Er hoffe, dass der Preis einige der schlimmsten Engpässe auf dem Forschungsgebiet beheben kann. Dazu gehören fehlende Gelder für die Entwicklung und Erprobung neuer Interventionsmaßnahmen gegen die Symptome der Alterung. Hinzu kämen fehlende Messmethoden und Probleme bei der Umsetzung von Forschung zu Medizin. "Dieser Bereich braucht einen enormen Zustrom von Ressourcen." Lithgow erwägt nun, seinen Hut in den Ring werfen.

(bsc)