Yahoos schlaues Postfach

Die Webmail-Software des Portalbetreibers soll künftig Daten mit sozialen Netzwerken austauschen, um einlaufende Nachrichten effizienter zu sortieren.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Kate Greene

Vielen Nutzern kommt E-Mail inzwischen wie ein Relikt aus frühen Internet-Tagen vor. Neue Nachrichten landen chronologisch sortiert im Postfach und nicht etwa nach ihrer Relevanz – kategorisieren muss man sie schon selbst. Darüber hinaus ist es oft schwierig, E-Mail-Inhalte wie Kontaktinformationen oder andere mitgeschickte Daten außerhalb des Postfaches zu verwenden.

Der Portalbetreiber Yahoo will einige dieser Probleme jetzt lösen, in dem er mehrere neue Funktionen in seine Webmail-Software integriert. Die Erweiterungen sollen dabei helfen, das Medium elektronische Post wieder relevanter zu machen – in einer Zeit, in der zunehmend über Chats, Handys und soziale Netzwerke wie Facebook oder MySpace kommuniziert wird. Auf der CES-Messe in Las Vegas Anfang Januar führte Yahoo-Boss Jerry Yang einige der neuen Ideen vor, die zum Teil noch im Forschungsstadium sind. Eines der eher einfachen Beispiele, die der Firmenchef demonstrierte, war das Organisieren eines Gruppentreffens mit Hilfe der Integration von E-Mail und externen Diensten wie Karten-Websites.

Yahoo ist nicht der einzige Anbieter, der sich auf dem Gebiet der Postfach-Optimierung betätigt. Die Start-ups Xobni und Twine bieten Dienste an, die ebenfalls der verbesserten E-Mail-Organisation dienen. Xobni bietet ein Suchwerkzeug, durch das man in den vielen Nachrichten versteckt liegende soziale Netzwerke darstellen kann. Außerdem werden Kontaktdaten, etwa Telefonnummern, aus eingegangenen Botschaften ausgefiltert. Twine dient wiederum als Informations-Ökosystem, das E-Mail, Browser-Historie, Dokumente und Kontakte erfasst, um nützliche Informationen schneller darstellen und soziale Verbindungen auflisten zu können.

Yahoo hofft, dass die neuen Funktionen seine Webmail-Lösung, die derzeit mit mehr als 200 Millionen Nutzern die populärste der Welt ist, weiterhin relevant hält – und so bald über das simple Lesen von Mails (und das Löschen von Spam) hinausgeht. Yahoo Mail soll beispielsweise die Möglichkeit erhalten, Freundeslisten aus sozialen Netzwerken einzulesen. Ein entsprechender (vom Nutzer angestoßener) Import von MySpace und LinkedIn wurde auf der CES von Yang gezeigt. Die neue Software wird diese Netzwerke dann durchsuchen und ermitteln, wie oft ein Nutzer eine bestimmte Person kontaktiert hat. Über diese und weitere Daten sollen dann neu einlaufende Mails einsortiert werden – automatisch nach der Stärke der Verbindung zwischen Nutzer und seinem Kontakt. So sieht man dann die Mails derjenigen MySpace-Nutzer, mit denen man am häufigsten Botschaften austauscht, in Yahoo Mail ganz oben. "Die anderen Nachrichten sind auch noch da", sagte Yang, doch sie erschienen eben nicht mehr ganz oben.

Bei der Gruppentreffen-Planungs-Demonstration zeigte Yahoo, wie die neue Webmail-Version eine Reihe von E-Mails aus seienr Kontaktliste automatisch gruppierte, die Vorschläge für ein Essen am Abend der Messe enthielten. Die Gruppe wurde automatisch mit dem Label "CES Dinner" versehen. Yahoo habe hier einen Weg gefunden, so Yang, "all diese Informationen aus E-Mails zu verdauen". Die Software sei clever genug, herauszufinden, dass alle Botschaften zu einem Thema gehörten.

Noch beeindruckender: Das Label ließ sich dann aus der Webmail-Software gleich auf das Yahoo Maps-Icon ziehen. All die Vorschläge in den Mails wurden dann auf der Karte dargestellt – inklusive einer Nummerierung. Je größer diese Nummer dargestellt wurde, desto eher konnten sich die Diskutanten auf dieses Restaurant einigen. Geordnet wurde dies anhand weiterer Daten, die Yahoo bereits erfasst hatte, etwa einzelnen Restaurantkritiken der Teilnehmer.

Als nächstes wurde dann die große "1" von der Karte auf ein Icon des Einladungsdienstes Evite gezogen, das links neben dem Postfach zu sehen war. Evite diente laut Yang nur als Beispiel für den Dienst eines Drittherstellers. Die könnten bald Anwendungen erstellen, die innerhalb von Yahoo Mail funktionierten – ähnliche wie man dies von den "Apps" aus Facebook kennt, die über Programmierschnittstellen integriert werden. Mit dem Schritt generierte Yang dann ganz praktisch automatisch Einladungen für das CES-Dinner, die an alle Diskussionsteilnehmer gingen.

Adam Smith, Mitbegründer und CEO von Xobni, hält viel davon, Dienste wie Evite mit dem E-Mail-Postfach zu kombinieren. Auch die Sortierung von Nachrichten nach den Beziehungen des Nutzers zum Absender bringe die elektronische Kommunikation voran. "Es ist so schwierig für den Nutzer, sich manuell durch die letzten 500 Nachrichten zu kämpfen, um zu sehen, mit wem er am fleißigsten kommuniziert."

Smith bewertet Yahoos Forschungsansatz als ordentlichen Start und glaubt, dass die Firma ihrer Konkurrenz damit potenziell deutlich überlegen sein kann. Er warnte allerdings auch, dass noch viel Arbeit vor dem Portal liege, bevor man die demonstrierten Dienste auf den Massenmarkt bringen kann: "Das sollte niemand gleich morgen erwarten."

Yahoo wiederum betont, dass einige noch nicht näher bezeichnete neue Funktionen bereits in den nächsten Monaten eingebaut werden könnten. Eine drastische Neugestaltung von Yahoo Mail sei jedoch in nächster Zeit noch nicht zu erwarten. (bsc)