Zahlen, bitte! 136199 Eris: Der Grund, warum Pluto kein Planet mehr ist
Als Eris im Jahr 2005 entdeckt wurde, gerieten die Astronomen unter Zugzwang: Entdeckten sie den 10. Planeten oder ist Pluto zu klein für seinen Status?
Als (136199) Eris im Jahr 2005 entdeckt wurde, kamen die Astronomen in die Bedrouille: Der Himmelskörper schien größer zu sein als Pluto. Entweder man vermeldete, dass nun ein zehnter Planet entdeckt wurde, oder der ohnehin schon umstrittene Planetenstatus von Pluto musste überdacht werden. Die NASA tat zunächst erstes, die Internationale Astronomische Union (IAU) – nach monatelangem Expertenstreit – zweites.
Am 21. Oktober 2003 nahm das Samuel Oschin Teleskop am Palomar-Observatorium in der Nähe von San Diego in Kalifornien drei Bilder im Abstand von rund 90 Minuten auf. Vom automatischen Suchsystem herausgefiltert, wurde Anfang 2005 bei persönlichen Nachprüfungen in diesen Bildern ein sich bewegendes Objekt bemerkt.
Kleinplanet mit ungewöhnlicher Umlaufbahn
Der Kleinplanet, der später den Namen Eris erhielt, wurde am 8. Januar 2005 entdeckt und eigentlich wollten die Entdecker Mike Brown, Chad Trujillo und David Rabinowitz die Umlaufbahn weiter beobachten, bevor sie die Entdeckung bekanntgaben. Da sie jedoch merkten, dass auch andere die Daten auf der Institutswebsite herunterladen konnten, gingen sie am 29. Juli 2005 an die Öffentlichkeit, damit ihnen andere Astronomen nicht zuvor kommen konnten.
Eris hat einen Durchmesser von 2326 Kilometern und bewegt sich in einer sehr exzentrischen Umlaufbahn entgegen der Ekliptik (die Bahn der Sonne) mit einer Bahnneigung von etwa 44 Grad. Er ist im Aphel (dem fernsten Punkt gegenüber der Sonne) etwa 97 astronomische Einheiten entfernt und am sonnennächsten Punkt, dem Perihel 38,5 Astronomische Einheiten. Zum Vergleich: Plutos Aphel liegt bei 49 AE, sein Perihel bei 29,7 AE. (Eine Astronomische Einheit ist die Entfernung der Erde zur Sonne: 1 AE = 149 597 870 700 Meter, oder etwa 150 Millionen Kilometer.). Mit einer Albedo von 0,96 gilt er zudem als eines der hellsten Objekte des Sonnensystems.
Die Forschung geht davon aus, dass Eris aus 65 bis 75 Prozent Gestein, sowie 25 bis 35 Prozent Eis besteht. Der Eris-Tag ist fast lang wie der auf der Erde: In knapp 26 Stunden dreht sich der Zwergplanet einmal um sich selbst. Das Eris-Jahr ist wiederum biblisch: Aufgrund der großen Distanz benötigt er nicht 12 Monate, sondern 557 Jahre für einen Umlauf um die Sonne.
Vorläufig getauft nach einer TV-Serien-Kriegerin
Der vorläufige Name outete das Astronomenteam um Michael Brown des California Institute of Technology als Nerds. Sie tauften den Planetoiden vorläufig "Xena", benannt nach der Hauptfigur aus der Serie "Xena - Die Kriegerprinzessin", die von der neuseeländischen Schauspielerin Lucy Lawless verkörpert wurde. Der Name wurde deswegen gewählt, so Brown, "weil wir schon immer etwas nach Xena benennen wollten."
Die Internationale Astronomische Union (IAU) mit Sitz in Paris ist allerdings für die offizielle Namensgebung zuständig. Die damals 9000 Astronomen aus aller Welt hatten aber bei dem Objekt erst einmal ganz andere Sorgen als den nerdigen Namen: "Xena" war zu groß. Der Himmelskörper übertraf nach ersten Berechnungen den bis dahin neunten Planeten Pluto.
Schon seit Jahrzehnten war der Planetenstatus des 1930 entdeckten Pluto umstritten, und mit der Entdeckung des neuen Himmelskörpers verschärfte sich die Diskussion, die bereits mit der Entdeckung der Objekte Quaoar und Sednar in den Jahren zuvor Fahrt aufgenommen hatte.
Xena, dessen technische Bezeichnung 2003 UB313 war, sprengte nämlich das Schema: Entweder haben die Astronomen den 10. Planeten im Sonnensystem entdeckt, oder man müsse den Planetenstatus von Pluto endlich überdenken. Mit seinen 2377 Kilometern Durchmesser ist Pluto fünfmal kleiner als die Erde, selbst der Erdmond ist noch ein Drittel größer. Außerdem gab es mit Ceres und Plutos Mond Charon zwei Kandidaten, die ebenfalls Planeteneigenschaften wie Pluto selbst besaßen.
Neuklassifikation der Planetendefinition
Da der neue Himmelskörper möglicherweise größer als Pluto war, und die immer genauere Himmelsbeobachtung weitere Entdeckungen dieser Art wahrscheinlicher macht, blieb der IAU nichts anderes übrig, als die Planetendefinition zu präzisieren und Pluto zum Zwergplaneten zu machen. Am 24. August 2006 wurde auf der Generalversammlung der IAU in Prag unter Resolution 5A eine Neudefinition der Planeten beschlossen und eine Unterscheidung in Planet und Zwergplanet eingeführt.
Nach der Neudefinition ist ein Planet:
- ein Himmelskörper, der (a) sich in der Umlaufbahn um die Sonne befindet
- der genügend Masse hat, um das hydrostatische Gleichgewicht (eine fast runde Form) anzunehmen, und
- der "die Nachbarschaft" um seine Umlaufbahn räumte, also umgebende Materie wie Asteroiden in sich einverleibte.
Für Pluto traf der neue Punkt 3 nicht zu, sodass er in die neue Klasse der Zwergplaneten rutschte. In Resolution 6A wurde das Schicksal von Pluto besiegelt: Seitdem trägt Pluto offiziell den Namen (134340) Pluto – Von Planet Nummer 9 zu Asteroid Nummer 134340 (und damit nur knapp vor Eris): Das verärgerte viele Astronomie-Nerds.
Astronomischer Streit um Neudefinition
Auch die Planeten-Neudefinition war umstritten. Alan Stern, Leiter der Plutomission New Horizons, warf der IAU vor, eine unwissenschaftliche Definition beschlossen zu haben, da auch große Planeten ihre Umlaufbahn nicht "freiräumten" Er behauptete: "Wenn Neptun seine Zone geräumt hätte, wäre Pluto nicht da".
Das verärgerte wiederum andere Wissenschaftler. Astronom Robin Cathpole vom Institute of Astronomy in Cambridge, Großbritannien, brachte das Problem auf den Punkt: "Am Ende des Jahrhunderts hätten wir 100 Planeten gehabt, und ich denke, die Leute hätten gesagt: 'Meine Güte, was für ein Durcheinander, das sie 2006 beschlossen haben'."
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Kurios: Bei der Abstimmung am Ende der zehntägigen Versammlung waren nur noch 424 Delegierte von insgesamt 2500 zugegen – Der eine oder andere blieb womöglich fern, weil er nicht an der Planeten-Demission von Pluto beteiligt sein wollte.
Nachdem das aber geklärt war, konnte sich die IAU um den Namen des neuen Himmelskörpers kümmern, denn Nerdfiction ist keine erlaubte Kategorie für einen Planetennamen. Und die Astronomen bewiesen mit der Namensgebung durchaus Humor, schließlich ist "Eris" in der griechischen Mythologie für die Göttin der Zwietracht und des Streits. Angesichts der heftigen Diskussionen war der Name sehr passend. Selbst die Entdecker waren zufrieden: Michael Brown erklärte, dass der Name "zu perfekt" sei, "um sich zu widersetzen".
Eris hat auch einen Mond, dessen Durchmesser auf zwischen 100 und 700 Kilometern geschätzt wird und der ihn in einem mittleren Abstand von etwa 37.500 Kilometern umkreist. Er wurde auf den Namen Dysmonia getauft, in der Mythologie die Tochter der Eris.
Zum Trost beschloss die IAU 2008, dass die transneptunischen Zwergplaneten (also Kleinplaneten jenseits des Neptun) den Namen Plutoid tragen. Und generell hat die Degradierung der Faszination um Pluto nicht geschadet: Die New-Horizons-Plutomission wurde ein voller Erfolg. Dennoch, oder gerade deswegen hören die Stimmen nicht auf, die einen Rücksturz zum Planetenstatus von Pluto fordern.
Und Eris? Nach jüngsten Forschungen scheint der streitbare Zwergplanet ähnlich wie Pluto ein interessanter Himmelskörper mit vulkanischer Aktivität zu sein. Selbst flüssiges Wasser und damit ein wichtiger Bestandteil für erdähnliches Leben könnte es in Eris geben.
(mawi)