Zahlen, bitte! 2773 Raketen für den Iran und eine Löschungsaktion
In einem Dreiecksgeschäft verkaufte die US-Regierung Waffen an den Iran, um Regierungsgegner in Nicaragua zu finanzieren. Die Beweisvernichtung lief schief.
US-Präsident Donald Trump hat mit dem Befehl zur Ermordung des iranischen Generalmajors Qasem Soleimani ein politisches Erdbeben ausgelöst. Es könnte zum dauerhaften Rückzug der USA aus diesem Gebiet führen, das für eine Öl-basierte Wirtschaftsform wie die der USA so wichtig ist. Seit 1953 hatten darum die USA massiv die iranische Wirtschaft und Politik beeinflusst. Mit dem Sturz des Regimes von Schah Reza Pahlavi und der Islamischen Revolution unter Ayatollah Chomeini endete dieser Einfluss im Jahre 1979. Das nutzte eine Gruppe von Mitarbeitern im "National Security Council" von US-Präsident Ronald Reagan aus, um einen kriminellen "Deal" abzuwickeln: sie verkauften insgeheim 2773 Raketen- und Raketen-Ersatzteile an den Iran, um mit den ebenso geheimen Erlösen Gegner der sandinistischen Regierung in Nicaragua zu unterstützen.
Ausdrückliches Verbot umgangen
Mit diesem "National Security Crime" unterliefen sie ein ausdrückliches Verbot des US-Kongresses. Zwei Dutzend Personen wurden dafür verurteilt, jedoch von Reagans Nachfolger George H.W. Bush begnadigt. Die Vorlage zu diesen Begnadigungen kam von William Barr, damals wie heute Justizminister der USA.
Als die Iran-Contra-Affäre aufflog, erklärte US-Präsident Reagan, man habe mit Unterstützung von Israel dem Iran nur deswegen Waffen verkauft, weil man eine Geiselnahme von US-Bürgern im Libanon beenden wollte. Ein Drama wie die 444 Tage dauernde Geiselnahme von 52 US-Bürgern in der Teheraner US-Botschaft habe man um jeden Preis verhindern wollen. Doch die erhaltenen Dokumente zeigen, dass die Verkäufe der Raketenwaffen, die der Iran im Krieg gegen den Irak dringend benötigte, vor der Geiselnahme begonnen hatten.
Das "National Security Council" fädelte den "Deal" ein, um die Gegner der linken Regierung in Nicaragua zu unterstützen. Diese "Contras" nutzten das Geld aus den Waffenverkäufen – rund 30 Millionen US-Dollar – um mit Duldung der CIA mehrere Tonnen Kokain in die USA zu schmuggeln, um dann von den Drogengewinnen die eigenen Truppen zu finanzieren. All diese Aktionen waren geheim, denn sie unterliefen den Boland Act, ein Gesetz, das der US-Regierung die Einmischung in innere Angelegenheiten lateinamerikanischer Länder untersagte.
Schiefgelaufene Datenvernichtung
Als das zwielichtige Dreiecksgeschäft nach einem ersten Bericht in der libanesischen Presse unter dem Begriff McFarlane-Skandal im November 1986 aufflog, versuchten die Beteiligten, alle belastenden Dokumente zu zerstören. Dabei spielten Admiral Poindexter und vor allem sein Mitarbeiter Oliver North eine herausragende Rolle. North, der mit dem nationalen Sicherheitsberater Robert McFarlane zum National Security Council kam, schredderte so viele Dokumente, dass die Profi-Maschinen überhitzten.
North und Poindexter übersahen bei ihrer Löschungsaktion jedoch 1855 Backup-Bänder, die mit den E-Mails der Kommunikation aller Beteiligten gefüllt waren, die zunächst über IBMs PROFS (später als OfficeVision bekannt), dann über DECs ALL-IN-1 erfolgte. Diese Datensicherung bildete den Grundstock der Ermittlungen der Tower-Kommission, die die Iran-Contra-Affäre aufarbeitete.
Über diese Dokumente, weitere Backup-Bänder der Regierung Bush und 135 Festplatten des National Security Councils entbrannte eine erbitterte Auseinandersetzung, in der John Bolton als Anwalt das Recht jeder US-Regierung verteidigte, den Nachfolgern eine "tabula rasa" zu hinterlassen, damit sie möglichst "unbelastet" ihre Arbeit aufnehmen können. Diesen fortdauernden "Krieg um die Geheimhaltung" bezeichnete Scott Armstrong, der Gründer des National Security Archive als "Democracy's most important Low-Intensity Conflict".
Nur eine Haftstrafe
Viele der damals beteiligten Personen gelangten später auf einflussreiche Posten. Oliver North war bis zum Jahre 2019 Präsident der National Rifle Association. Elliot Abrams ist heute "Sonderbeauftragter für die Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela". Wirklich ins Gefängnis gehen musste nur Bill Breeden, ein Geistlicher, der in Poindexters Heimatort Odon das Straßenschild "John Poindexter Street" abmontierte, um auf die Dimension des Skandals aufmerksam zu machen. (mho)