Zahlen, bitte! 3,75 Megabyte Speicher - Die erste Festplatte der Welt

1956 wurde mit der IBM 350 die erste Festplatte der Welt veröffentlicht. Als Speicher des RAMAC-Computers hatte sie Platz für 3,75 Megabyte Daten.

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Inhaltsverzeichnis

Unser Zahlen, bitte! zur ersten Festplatte mit dem Speicherplatz von nicht mal drei HD-Disketten sorgte bei vielen Leserinnen und Lesern für Erinnerungen an vergangene Tage, als etwa der erste Rechner sein Festplattenupgrade erhielt. Wir haben uns daher entschieden, den Artikel zu aktualisieren und als "Zahlen, bitte! classic" neu zu veröffentlichen. Viel Spaß!

Die Wiege der Magnet-Festplatte liegt in den Laboren von International Business Machines (IBM). Die IBM 350 war groĂź wie ein Kleiderschrank und wog inklusive KĂĽhlsystem fast eine Tonne. Und die 50 Magnetscheiben darin waren gerade einmal in der Lage umgerechnet 3,75 Megabyte zu speichern.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblĂĽffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natĂĽrlich der Mathematik vor.

Die Entwicklung des IBM 305 RAMAC (Random Access Method Of Accounting And Control) begann 1952 im vom Computer-Konzern neu gegründeten Storage Development Laboratory. Ziel war es, über einen Computer eine schnelle Echtzeit-Datenverarbeitung zu ermöglichen, die effektiver war als die bisherige umständliche und fehleranfällige Bearbeitung über Lochkarten. Es mussten zudem immer mehr Daten verarbeitet werden und die Hollerith-Lochkarten stießen dabei an ihre Grenzen und nahmen dabei immer mehr Lagerplatz ein.

Eine IBM 350 Disk Storage Einheit wird 1957 am Airport Schiphol, Amsterdam aus einer DC-7-Maschine abgeladen. Bei einem Gewicht von bis fast einer Tonne war das Verladen eine aufwendige Angelegenheit.

(Bild: IBM Archives)

Getestet wurden verschiedene Arten von Speichermedien: von Magnetbändern über magnetische Trommeln bis hin zu Magnetscheiben. Magnetbänder kamen am Ende nicht zum Zuge, weil es viel zu langwierig war, von einer Position zu einer anderen zu spulen. Magnetische, rotierende Trommeln wiederum nahmen zu viel Platz ein, boten zu wenig Speicher und waren damit ineffektiv und zu teuer. Die Ingenieure erkannten, dass rotierende Scheiben, die von einem Schreib/Lesekopf bearbeitet werden, das beste und effektivste System darstellten.

Das daraus entwickelte IBM 350 Disc Storage hatte die Abmessungen von zwei Kühlschränken. 172 Zentimeter × 152 Zentimeter × 74 Zentimeter ergab ein ordentliches Gerät, welches aufgrund seines Gewichts von fast einer Tonne per Lkw oder Flugzeug transportiert werden musste.

Die Festplatte bestand aus 50 ĂĽbereinandergestapelten, mit Eisenoxid beschichteten Scheiben, die einen Durchmesser von 24 Zoll, beziehungsweise 61 Zentimeter aufwiesen und im Abstand von 0,72 Zentimetern aufeinandergestapelt waren.

Ähnlich wie in einer Musikbox wurde die Scheibe die gerade bearbeitet wurde, von beiden Armen angesteuert und über die Zwischenräume bearbeitet. Dabei erreichten die Scheiben eine Rotation von bis zu 1200 Umdrehungen pro Minute. Die Speicherkapazität wurde in 50.000 Blöcken zu je 100 alphanumerischen Zeichen eingeteilt, die Zugriffszeit betrug 600 Millisekunden.

Eine Speicherscheibe des Systems. Durchmesser: 61 Zentimeter. Zum Vergleich: Eine Langspielplatte hatte einen Durchmesser von 30,48 Zentimeter, eine CD 12 Zentimeter.

(Bild: IBM )

Die Festplatte konnte dabei theoretisch die Daten von insgesamt 62.500 IBM-Lochkarten aufnehmen. Bei 80 Byte Kapazität pro Karte wären das genau 5 Megabyte gewesen. Da man allerdings das Paritätsbit, sowie das Spacebit abziehen musste, blieben beim 6-Bit-System effektiv 3,75 Megabyte.

Am 14. September 1956 wurde das System vorgestellt. Neben den bis zu zwei Festplattenschränken bot RAMAC noch einen Lochkartenleser, einen Drucker sowie einen Trommelspeicher von 32 Einheiten zu je 100 alphanumerischen Zeichen in einer Rotation von 6000 Umdrehungen pro Minute. Somit war das System sehr, sehr laut und wurde in der Regel nur mit Gehörschutz bedient.

Und das System brauchte eine gute Energieversorgung: Die Festplatte benötigte gut 2,5 Kilowatt. Die Systeme konnten nicht gekauft, sondern nur gemietet werden. Und das war nicht ganz billig: Zur Mietgebühr des RAMAC 305 von 3200 US-Dollar im Monat kamen noch 650 US-Dollar für die Festplatte hinzu.

Größter Konkurrent des RAMAC war UNIVAC – der erste kommerzielle Computer der Welt des Konkurrenten Remington-Rand. Er verfügte über Magnettrommeln, die über ein effektives Lese-Schreib-Verfahren verfügten und den Rechner schneller machten als den RAMAC. Der Nachteil war der Speicherplatz: Selbst mit voller Ausstattung von 10 Trommeln bot der UNIVAC nur etwa ein Drittel des Speicherplatzes gegenüber der ersten Festplatte. Das war auch der Grund, warum Magnettrommeln als Speichermedien nach einem Jahrzehnt wieder vom Markt verschwanden.

IBM 350 Disk Storage als Teil des IBM 305 RAMAC.

(Bild: IBM)

Es erschienen bis 1959 einige Weiterentwicklungen (Model 2 - 14), bis der RAMAC und damit auch die Produktion der ersten Festplatte 1961 nach ĂĽber 1000 Einheiten beendet und durch den IBM 1401 ersetzt, und 1969 komplett vom Markt genommen wurde.

Einsatzgebiete des RAMAC waren neben Behörden, dem Militär auch die Olympischen Spiele 1960, in denen ein Gerät für die Datenverarbeitung zum Einsatz kam. Außerdem gibt es Berichte darüber, dass der Computer 1960 im Rahmen einer Vorführung auf der Mailänder Messe einen professionellen Schachspieler schlug.

Die Speicherkapazität des Systems hätte man damals schon höher setzen können. Aber das Marketing war sich unsicher, ob man das den Leuten vermitteln konnte, und so orientierte man sich auf 5.000.000 Zeichen. Somit war das Unterschätzen des Speicherbedarfs, was bis heute schon viele Festplattenkäufer plagte, bereits ein Attribut der Entwicklung der ersten Festplatte.

Mit den Heimcomputern wie PCs, Macs, Amiga und Atari hielten die anfangs sündhaft teuren Festplatten allmählich auch Einzug in die Privatwohnung. Aus den Pioniertagen der Heimrechner erinnerte sich Wolfgang Back, Moderator-Urgestein des WDR-Computerclubs in der langen Computernacht, dass ein Kollege einst von Köln nach Augsburg fuhr, um dort für einen Apple-Computer eine 5-Megabyte-Festplatte zum Preis von 15.000 D-Mark zu kaufen. Er und die anderen Kollegen fragten sich damals, "wie er die jemals voll bekommen will"

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Und das Gleiche wird sich auch der Amiga-User anfangs gedacht haben, als für den Amiga 500 im Jahr 1989 die A590 Festplatte mit unglaublichen 20 Megabyte erschien (Monkey Island 2 mit seinen elf Disketten erschien erst drei Jahre später). Immerhin war an dem Stecksystem noch ein SCSI-Controller dabei, wenn sie doch schneller als gedacht voll war.

Insbesondere die speicherhungrigen PC-Games der 1990er sorgten dann für ein stets Wettrüsten an Festplattenspeicherkapazität. Später kamen noch MP3s, Filme und Fotos dazu. Heutzutage wurden die guten alten Magnetscheiben zumindest im privaten Bereich durch schnelle und robuste Solid State Disks (SSD) und Cloud-Speicher teilweise in Rente geschickt – in NAS-Systemen, Servern und bei mehreren Terabyte großen Datenmengen sind Festplatten mit Magnetscheiben noch die erste Wahl.

(mawi)