Zahlen, bitte! Lichtwert 16 - Wenn die Sonne für den Fotografen scheint

Lichtwert 16 ist das Höchste – mehr geht nicht. Zumindest für einen Fotografen. Was es mit der Zahlenskala auf sich hat, erklärt unser Autor praxisnah.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Tilo Gockel

Wenn im Messenger-Smalltalk die Frage aufkommt, wie denn das Wetter im Urlaub gewesen sei, und als Antwort nur kryptisch "16" folgt, dann hält die Zahl zwei Informationen parat: Zum einen, dass der Versender klassischer Fotoprofi ist, und zum anderen, dass das Wetter sehr, sehr sonnig war.

Die Zahl steht für den Lichtwert, den man an der Kamera für eine korrekte Belichtung unter hellem Sonnenlicht einstellt. Heller wird es bei uns auf der Erde unter natürlichem Licht nicht – Supernovas und Blitzeinschläge sind hier ausgenommen.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Besonders interessant dabei ist nun, dass der Lichtwert offensichtlich ein absoluter Wert ist. Heller Sand oder Schnee im direkten Sonnenlicht bedeutet Lichtwert 16, Landschaft unter bewölktem Himmel 12, Leuchtreklamen in der Stadt 10, Stadionbeleuchtung 9 und so weiter. Bildfüllender Vollmond bedeutet immerhin noch Lichtwert 15, da er von der Sonne beschienen ist – Fotos vom Mond gelingen mit erstaunlich kurzen Belichtungszeiten. Wenn man ein paar dieser Lichtwerte auswendig parat hat, kann man tatsächlich eine Kamera auch ohne Belichtungsmesser und Automatiken händisch und flott einstellen.

Hier sehen Sie eine Szene unter hellem Sonnenlicht. Helle Sonne bedeutet einen Lichtwert von 16. Mit diesem Wissen bewaffnet, können Sie eine Kamera auch ohne Belichtungsmesser manuell einstellen.

(Bild: Tilo Gockel)

Ein Beispiel: Sie sitzen abends im Fußballstadion und möchten Fotos mir Ihrer ererbten schönen Leica-Analogkamera machen. Bestückt ist die Kamera mit einem Film mit 100 ASA, und Ihr Objektiv hat die Lichtstärke 2,0. Was stellen Sie ein und warum? Die Rechnung ist einfach, aber man muss einige, wenige Dinge vorwegschicken: Wir brauchen die Blendenreihe (Blende 1; 1,4; 2; 2,8; 4; 5,6 usw.) und die Zeitreihe (1 Sekunde, ½ Sekunde, ¼ Sekunde usw.). Jeder volle Schritt in den Reihen bedeutet eine Verdopplung oder Halbierung der Lichtmenge auf dem Film. Das wiederum ist dann auch ein Schritt in der Lichtwertreihe (16, 15, 14 …), und genauso sind diese teils etwas kruden Reihen auch zustande gekommen.

Die komplett manuelle Bedienung solcher analoger Schätzchen flößt Ihnen Respekt ein? Wenn Sie mit den Lichtwerten rechnen können, ist das nur noch ein Spaziergang im Park.

Fast können wir loslegen, an den Fingern abzuzählen, aber der Anbeginn der Lichtwertreihe fehlt uns noch: Kein Problem: der Lichtwert beträgt 0 bei einer Blende von 1 und bei einer Belichtungszeit von 1 Sekunde (wenn man einen Film mit 100 ASA verwendet). Sind Sie noch bei uns?

Lichtsituation EV100
Heller Sand oder Schnee im direkten Sonnenlicht 16
Regenbogen vor klarem Himmel 15
Vollmond, bildfüllend 15
Landschaft unter stark bewölktem Himmel 12
Neonleuchten und andere helle Leuchtreklamen 9 bis 10
Stadionbeleuchtung 9
Feuer und brennende Gebäude 9
Weihnachtsbaumbeleuchtung 4 bis 5
Nächtliche Szene unter Mondlicht -3 bis -6
Milchstraße, nachts -9 bis -11


Tabelle 1: Beispiele für Lichtwerte (EV steht für Exposure Values).

Dann kann es losgehen: Stadionbeleuchtung bedeutet Lichtwert 9. Wir klettern die Blendenreihe herauf (das Benutzen der Finger ist gewünscht): 1 nach 1,4 nach 2. Das liefert uns zwei Lichtwerte, und wir landen bei 2. Wir klettern die Zeiten herunter: 1 Sekunde nach 1/2 nach 1/4, 1/8, 1/16, 1/32, 1/64, 1/128 Sekunde. Das waren nochmal sieben Lichtwertschritte, und so landen wir bei Lichtwert 9, und schon ist die Kamera korrekt eingestellt.

Sie kennen die alte Regel, die da lautet: „Sonne lacht, nimm Blende Acht!“? Auch das ist rasch im Kopf durchgerechnet: Wenn die Sonne lacht, dann reden wir vom hellsten Lichtwert 16. Allermeist ist die Atmosphäre doch minimal diffus und wir landen bei 15. Die Blende 8, statt Blende 1 liefert uns 6 Schritte in der Lichtwertskala – wir gelangen von Lichtwert 0 auf Lichtwert 6. Die fehlenden 9 Schritte gehen wir in der Zeit-Reihe: Von 1 Sekunde auf ½ Sekunde auf ¼ Sekunde etc. und gelangen auf gerundet 1/1.000 Sekunde – bei der kürzesten Zeit, die man früher einstellen konnte.

Die komplett manuelle Bedienung solcher analoger Schätzchen flößt Ihnen Respekt ein? Wenn Sie mit den Lichtwerten rechnen können, ist das nur noch ein Spaziergang im Park.

(Bild: Tilo Gockel)

So weit ist die Mathematik hoffentlich noch eingängig und soweit haben die zehn Finger auch ausgereicht, aber im Sprachgebrauch – Fotografen sind keine Mathematiker – wird es dann wirklich etwas ungewöhnlich. Da wird der Lichtwert dann umgangssprachlich zur „Blende“, im Englischen zum „f-Stop“ oder gar nur noch zum „Stop“. So kommen Anweisungen im Studio zustande wie „Dreh doch mal das Streiflicht 2 Stops runter!“ oder „Mach mal das Hauptlicht eine Blende heller.“ Der Laie ist dann regelmäßig völlig ratlos. Der heise online-Fotofachmann ahnt aber rasch: „Aha, da ist der Lichtwert gemeint und wenn ich den Blitz eine volle Stufe aufdrehe, bedeutet das eine Verdoppelung der Lichtstärke und damit einen Lichtwert mehr am Motiv.“

Somit verstehen Sie Ihr Erbstück mit unserem kleinen Zahlen, bitte! - Crashkurs gleich ein wenig besser. Vielleicht eine gute Gelegenheit, es zu reaktivieren.

(mawi)