Zahlen, bitte! OEIS – Enzyklopädie für Zahlen-Nerds
Die OEIS ist ein Schatz für Zahlen-Fans: Die Netz-Datenbank verschiedener Folgen ganzer Zahlen ist nicht nur für Mathematiker ein wichtiges Hilfsmittel.
Wer sich mit Zahlenfolgen beschäftigt, für den ist die Online Encyclopedia of Integer Sequences die wichtigste Suchmaschine der Welt. Sie ist das Werk des britisch-australischen Mathematikers Neil Sloane, der diese Enzyklopädie mit einer kleinen Karteikartensammlung vor 60 Jahren anlegte.
Im Oktober 2024 wird Sloane 85 Jahre alt und kann in dem Monat auf 376.574 Einträge in seiner Online-Enzyklopädie zurückblicken, die vor 30 Jahren mit 16.000 Einträgen als E-Mail-Service zum digitalen Leben erwachte, nachdem sie vorher – ganz analog – als Buch zu haben war.
Erstes Buch 1973 erschienen
Denn die anderen Zahlen im Titel verweisen auf das analoge Vorleben der Sequenzen: 1973 erschien die erste Buchausgabe "A Handbook of Integer Sequences" mit 2373 von Sloane gesammelten Einträgen, 1995 veröffentlichte Sloane zusammen mit dem kanadischen Mathematiker Simon Plouffe die "The Encyclopedia of Integer Sequences" mit 5488 Einträgen.
Einige Autoren dieser Kolumne haben sich mit Zahlenfolgen beschäftigt, die in der Online Encyclopedia of Integer Sequences zu finden sind, etwa Andreas Stiller auf der Suche nach den perfekten Zahlen.
Volker Zota schaute mithilfe der OEIS, ob die 73 der "Chuck Norris des Zahlenuniversums" ist. Es gibt Zahlenfolgen, die zu philosophischen Fragen führen, etwa beim Grübeln über den Eintrag A0138563 auf der Suche nach der Fax-Nummer des Teufels. Ja, es stimmt: Faxe sind manchmal die Hölle – jedoch wie kann ein Fax in der Hölle überleben?
Unwesentlich nützlicher sind Schachprobleme wie die maximale Zahl von Königinnen, die auf einem dreidimensionalen Schachbrett aufgestellt werden können, ohne sich zu bedrohen (A068940). Es gibt Einträge mit ein, zwei Hinweisen, aber auch solche wie A000045 zu den berühmten Fibonacci-Zahlen, die ein ganzes mathematisches Universum aufgehen lassen.
Gut sortiertes Zahlenkaufhaus
Weil Sloane sein gesamtes Berufsleben bei den Bell Labs bzw. den AT&T Labs in New Jersey verbrachte, gehören auch Zahlenfolgen von New Yorker U-Bahnen wie A00053 zu den frühesten Einträgen der Enzyklopädie. Die Sichtweisen unterscheiden sich: ein deutscher Rezensent nannte die OEIS ein riesiges, gut sortiertes "Zahlenkaufhaus",
in Frankreich schwärmte man von Sloans Projekt als einer Datenbank in der Tradition des OuLiPo-Projekts des Mathematikers François Le Lionnais und Schriftstellers Raymond Queneau. In den USA wird Sloane wiederum als Zahlen-Feinschmecker vorgestellt, gewissermaßen das Gegenteil von Chuck Norris.
Die Entstehung und Entwicklung der OEIS von Neil Sloane ist eng mit der Informationstechnik verbunden. Als Student beschäftigte sich Sloane 1963 im Rahmen seiner Dissertation "Lenghts of Cycle Time in Random Neural Networks" mit Zahlenfolgen wie 0, 1, 8, 78, 944, 13,800, 237,432 und wollte in der Fachliteratur nach ähnlichen Zahlenfolgen suchen.
Am Anfang waren Karteikarten
Er entdeckte, dass sich niemand mit dieser Frage beschäftigt hatte und legte ab 1964 eine kleine Sammlung von Karteikarten an, deren erster Eintrag sein eigenes Zahlenproblem war. Mit Beginn seiner Tätigkeit bei den Bell-Labs wanderte die Sammlung zunächst auf Lochkarten, dann auf Magnetbänder und schließlich ging es ins Internet, erst per E-Mail, dann als Webseite. Rund 170.000 Einträge hat Sloane selbst eingestellt.
Heute ist die OEIS ein Wiki und wird von rund 100 Freiwilligen gepflegt, mit Sloane als letzte Instanz bei strittigen Entscheidungen. Bis zu 30 Vorschläge am Tag von zahlenbegeisterten Menschen wollen bearbeitet werden. Die neuen Zahlen kommen aus der Mathematik, der Physik, der Chemie und vielen anderen Bereichen und werden von Forschenden wie Amateuren auf dem jeweiligen Gebiet eingereicht.
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Manches wird abgelehnt, etwa die Seitenzahlen aller Harry-Potter-Bücher (PDF) – Auch Nerds kennen manchmal Grenzen. Manches wird aber auch von Sloane im Podcast Numberphile vorgestellt, Begleitmusik inklusive - denn die Zahlenfolgen der OEIS können abgespielt werden.
Natürlich ist der Eintrag A001337 – ähnlich der Startzeit fast aller Zahlen, bitte! – von besonderem Interesse. Er behandelt das kubisch-flächenzentrierte Bravaisgitter von Kristallen und verweist damit auf die Forschung von Neil Sloane, der sich bei den AT&T Labs mit fehlerkorrigierenden Codes und dem Kusszahlenproblem beschäftigte. Ganz nach Mister Spock, einem anderen Zahlenfanatiker, wünschen wir Sloane Friede und ein langes Leben und dass sein reger Geist noch viele weitere interessante Zahlen verfolgen kann.
(mawi)