Zahlen, bitte! Nahe Route 12 – Ursprung des weltberühmten XP-Hintergrundbilds

Das XP-Hintergrundbild mit dem grünen Hügel gehört zu den meistgesehenen Motiven weltweit. Es entstand als Analogfoto, abseits einer kalifornischen Straße.

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(Bild: Microsoft)

Lesezeit: 6 Min.
Inhaltsverzeichnis

Eigentlich ist es nur das Bild eines beschaulich grünen Hügels, nach oben hin von einem tiefblauen Himmel ergänzt. Das Motiv, aufgenommen nahe der kalifornischen Stadt Napa, erlangte weltweite Bekanntheit, da Microsoft es als Werbemotiv und Standard-Hintergrundbild für Windows XP verwendete. Das "Bliss" (Glück, Wonne) genannte Bild entwickelte sich zu einem Identifikationsmerkmal für das Betriebssystem und eines der am meisten gesehenen Motive – Jeder dürfte es kennen, der seit wenigstens 20 Jahren mit Windows arbeitet. Dabei bedurfte es mehrerer Zufälle, damit es entstehen konnte.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Wer es sich anschaut, denkt zunächst an eine Fotobearbeitung: Die Farben wirken fast unnatürlich satt, und die Lichtverhältnisse mit dem Lichtkegel wie per Photoshop erstellt. Tatsächlich ist das Foto, welches so künstlich wirkt, per Analogkamera entstanden, und der Fotograf legt Wert darauf, dass auch die Farben nicht bearbeitet wurden.

Charles O'Rear, (geboren 26 November 1941) in einem Foto von 2007. Er war über 25 Jahre Fotograf für National Geographic und Autor mehrerer Bücher.

(Bild: CC BY-SA 3.0, Andrew (bunnie) Huang)

Das Bild schoss der US-amerikanische Fotograf und Buchautor Charles O'Rear. Er war wie so oft auch am 12. Januar 1996 am Freitagnachmittag auf dem Weg zu seiner Freundin unterwegs und fuhr auf der California State Route 12 durch die kalifornischen Bezirke Napa und Sonoma, als er auf einmal ein perfektes Motiv sah: Eben jenen sattgrünen Hügel, der kurz nach einem Unwetter noch schöner zu glänzen schien. Er fuhr rechts ran und baute seine Fotokamera mitsamt Stativ auf. Für das Foto verwendete er mit der Mamiya RZ67 eine analoge Mittelformatkamera – Die hatte er als erfahrener Fotograf für spontane Schüsse immer griffbereit.

Bis er die Kamera eingerichtet und das Stativ aufgestellt hatte, zogen die im Bild zu sehenden Wolken auf. Er sei er zufällig im richtigen Moment am richtigen Ort gewesen, wie er in einem Microsoft-Video erklärte. Wäre er eine Stunde oder früher oder später vorbeigefahren, hätten wohl ganz andere, ungünstigere Lichtverhältnisse geherrscht. Die satten Farben im Bild entstanden nicht etwa durch eine nachträgliche Bearbeitung, sondern durch den Fuji-Velvia-Fotofilm der für hohe Kontraste und eine große Farbtiefe bekannt war. O'Rear schoss zwei vertikale sowie zwei horizontale Fotos und fuhr weiter, ohne zu ahnen, dass eins von den Bildern später weltbekannt werden würde.

Bliss im klassischen IT-Habitat: Windows XP mit dem ikonischen Hintergrundbild.

(Bild: heise online)

Aber wieso war der Hügel so leer? Das Gebiet ist eigentlich von Weinbergen durchzogen. Allerdings rodeten die Weinbauern aufgrund von Reblaus-Befall einige Weinberge in dem Gebiet. Der Bliss-Hügel war wohl einer davon, was auch die geraden Linien im Rasen erklären dürfte. Somit lag er in dem Moment brach und war durch das grüne Gras nach wochenlangen ergiebigen Regen das ideale Motiv.

O'Rear reichte das Bild unter dem Namen "Bucolic Green Hills" im Stockfotodienst Westlight ein. 1998 wurde die Firma vom Fotodienst Corbys übernommen – der Dienst wurde von Microsoft für Bildmaterial genutzt. Im Jahr 2000 fiel das Bild den Entwicklern von Microsoft auf. Sie suchten ein Hintergrundbild für ihr neues Betriebssystem XP, was im Jahr 2001 auf den Markt gebracht werden sollte.

Vermutlich dürfte es bei den Machern des Betriebssystems gut angekommen sein, dass die Farben Blau und Grün das Bild dominieren – waren es doch auch zwei Hauptfarben der XP-Benutzeroberfläche Luna. Und der Himmel schuf eine Verbindung zu den Vorgängern Windows 98 und 95, in denen Wolken ein beliebtes Hintergrund-Element waren.

Somit kontaktierte Microsoft den Fotografen um die kompletten Nutzungsrechte an dem Foto zu erwerben. Über die Summe, die Microsoft an O'Rear dafür zahlte, wurde stillschweigen vereinbart. Dass sie recht hoch gewesen sein muss, (es wird auf 100.000 Dollar geschätzt) ließ sich dadurch erkennen, dass verschiedene Transportunternehmen sich aufgrund der hohen Versicherungskosten weigerten, die Negative zu transportieren. Das zwang Microsoft dazu O'Rear ein Flugticket zu kaufen, damit er selbst nach Redmond ins Hauptquartier fliegen konnte, um die Negative zu übergeben. Neben "Bliss" schaffte es auch noch ein O'Rear-Motiv namens "Red Moon Desert" in die Hintergrundbilder von Windows XP, jedoch ohne auch nur annähernd solch eine Berühmtheit zu erlangen.

Microsoft nutzte das Motiv konsequent für sein Marketing zu XP. Schließlich war es das erste Windows-Betriebssystem, welches in seiner Benutzeroberfläche sehr viel Wert auf Optik und Farben legte und das Motiv ließ sich dafür gut verwenden. In der Zeit gab es kaum einen XP-Spot oder -Werbefläche, in der nicht der markante Hügel mit dem tiefblauen Himmel zu sehen waren.

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Der große Erfolg von Windows XP brachte auch das Bliss-Bild in die Regierungen, Firmen und an die Heim-PCs der Welt. O'Rear selbst erkannte es schon im Situation-Room im Weißen Haus, auf Putins PC im Kreml oder gar in nordkoreanischen Atomkraftwerken.

Wie viele Nutzer haben schon über Stunden darauf geschaut, ohne wirklich Notiz davon zu nehmen. Das scheint eben das Geheimnis zu sein, was Bliss als Hintergrundbild so beliebt machte: Es störte nicht und fiel nicht auf. Da XP als Betriebssystem ein Dauerbrenner blieb und erst knapp 13 Jahre später der Support endete, erhielt Bliss auch viel Zeit, gesehen zu werden. Daher gilt es als eines der am meisten erblickten Motive überhaupt – eben weil man als XP-Verwender kaum daran vorbeikam.

Knapp zehn Jahre später war der Hügel wieder ein kompletter Weinberg.

(Bild: CC BY-SA 3.0, Simon Goldin)

Es ist wohl kaum noch möglich, dass ein Hintergrundbild in Zeiten dynamisch wechselnder Motive eine vergleichbare Geschichte schreiben wird. Der Hügel, der in den Koordinaten 38.2494400°N 122.4099124°W liegt, ist längst wieder mit Weinreben bestückt und nur noch schemenhaft als das zu erkennen, was er mal war: Der Ursprung des meistgesehenen Hintergrundbild der Welt, per Zufall entdeckt.

(mawi)