Zahlen, bitte! Elite: Erstes Open-World-Spiel in 2048 Planetensystemen

Aus einer verrückten Idee zweier Studenten entstand mit Elite das erste Open-World-Spiel. Es packte ein Universum mit 2048 Planeten auf 32 Kilobyte.

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Inhaltsverzeichnis

Am 20. September 1984 kam mit Elite ein wegweisendes Spiel auf den Markt: Als Commander Jameson war man mit 100 Credits in der Tasche und seinem Raumschiff, einer Cobra MK III, in der Lave-Raumstation. Draußen wartete ein Universum darauf, erkundet zu werden. Das "Universum" bestand aus acht Galaxien mit jeweils 256 Planeten. Die 8-Bit-Grafik war auf dem Acorn BBC Micro einfach gestrickt: Die Polygonen waren nicht einmal ausgefüllt, sondern nur Drahtmuster – Das Spiel musste schließlich mit 32 Kilobyte Speicher auskommen. Für die Zeit waren Grafik und Gameplay allerdings fantastisch und wegweisend. Das Spiel sollte bis heute viele Nachahmer finden.

Zahlen, bitte!

In dieser Rubrik stellen wir immer dienstags verblüffende, beeindruckende, informative und witzige Zahlen aus den Bereichen IT, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft, Politik und natürlich der Mathematik vor.

Elite vereinte 3D-Action mit einer Weltraumsimulation und Handelselementen. Es ließ dabei dem Spieler vollkommen freie Hand, wie er es meistern will. Möchte man mit Handel oder Bergbau zu Credits kommen oder als Schmuggler? Versucht man sich als Kopfgeldjäger oder gar als Pirat? Für viele gilt das von David Braben und Ian Bell entwickelte Elite als das erste Open-World-Spiel überhaupt.

Elite auf dem BBC Micro. Oben ist die Raumstation zu sehen, unten der Planet. Für heutige Verhältnisse ist die Grafik primitiv, Anfang der 1980er war das phänomenal.

(Bild: Markus Will)

In der 3D-Weltraumsimulation sprang man zwischen Sternensystemen umher und landete auf Raumstationen. Innerhalb dieser handelte man verschiedene Güter oder nahm Aufträge an. Insgesamt konnte man also 2048 Planeten anfliegen. Die Planeteneigenschaften wurden per Zufallsgenerator geschaffen: Sie waren zwar in jedem Spiel gleich, da sie auf identischen Werten berechnet wurden, die Generierung sparte allerdings den wertvollen Speicherplatz.

Die Ränge eines Weltraumpiloten wurden durch Abschüsse vorgegeben. Mit 0 bis 8 Abschüssen galt man als "Harmless". Der höchste Rang, der Namensgeber für das Spiel war – "Elite" – Ihn erreichte man ab 6400 Abschüssen.

Davor hatten die Entwickler aber eine Herausforderung gesetzt: Man musste lernen, wie man auf der Raumstation landet, die wie im Film "2001: Odyssee im Weltraum" rotiert, um eine künstliche Schwerkraft zu generieren. Man musste sich einerseits langsam dem viereckigen Einflugbereich nähern und durch Rollen des Raumschiffkörpers sich der Rotation der Raumstation angleichen – Einparken in der Fahrschule war nicht schwieriger. Wenn man das Geld zusammengekratzt hatte, war in der Regel die Landeautomatik das erste Extra, was man seinem Schiff gönnte.

David Braben und Ian Bell verband zu der Zeit einiges: Beide besaßen jeweils einen Acorn Atom, sie studierten beide und programmierten nebenbei jeder für sich Computerspiele. Sie trafen sich erstmals im Jesus College in Cambridge und wurden Freunde.

Ian Bell programmierte Spiele, weil er nach dem Kauf des Computers kein Geld für Software hatte. Als er sich später doch mal ein Originalspiel leistete, fiel ihm auf, dass das wesentlich schlechter als seine eigenen Spiele war, aber für Geld verkauft wurde. Auch David Braben hatte bereits Spiele programmiert und entwickelte zu der Zeit für ein nie zu Ende entwickeltes Spiel namens Fighter eine 3D-Weltraumumgebung.

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Sie erkannten schnell, dass sie zusammen mehr erreichen könnten und entwickelten die Idee zu Elite, programmierten eine erste Demoversion und sprachen dann beim Publisher vor. Wie weit sie mit ihrem Spiel der Zeit voraus waren, merkten sie, als sie Thorn EMI ihre Spielidee zeigten. Die Firma war nicht begeistert – sie hätten statt einer komplexen Weltraumsimulation lieber ein schnelles Spiel mit Highscore und 3 Leben gesehen, so wie die Arcade-Umsetzungen zu der Zeit typischerweise aufgebaut waren. Bei Acornsoft wiederum erkannte man bei der Vorführung sofort das Potenzial und war begeistert.

Mit einer Werbekampagne unterfüttert kam das Spiel 18 Monate später für den BBC Micro auf den Markt und wurde ein voller Erfolg: Obwohl die Spielkassette mit 17 Pfund nicht günstig war, und zum Speichern sogar eine Leerkassette erforderte, gingen 150.000 Einheiten über den Ladentisch – Das entsprach der Anzahl der zu dem Zeitpunkt verkauften BBC-Rechner! Die Presse war ebenfalls begeistert. Dabei war das Spiel so untypisch: Ein Handbuch mit 64 Seiten war erforderlich, damit die Spieler verstanden, worum es ging und wie man das Raumschiff flog. Fast die komplette Tastatur war zudem mit Befehlen belegt.

Womit die Macher überhaupt nicht rechneten: Um in eine Bestenliste eingetragen zu werden, sollte man eine Postkarte schicken, sobald man den Rang "Elite" mit über 6400 Abschüssen erreichte. Sie rechneten mit ein paar Dutzend Zusendungen – stattdessen kamen in ein paar Monate später tausende Karten.

Elite Dangerous in der PS4-Version. Wer hier manuell auf einer Raumstation landen will, muss das Raumschiff auch noch in der Station "einparken".

(Bild: Markus Will )

Durch geschicktes Verhandeln blieben die Rechte an einer Konvertierung des Spiels bei Bell und Braben, sodass sie sie später versteigerten. Telecomsoft gewann und über Firebird wurde Elite für 8-Bit-Homecomputer wie Commodore 64, ZX Spectrum, Schneider CPC oder Apple II auf den Markt. Mit 16/32-Bit-Konvertierungen wie Commodore Amiga oder Atari ST wurden Grafik und Sound sehr verbessert. Auch die Konvertierungen wurden zum vollen Erfolg.

Die guten Verkaufszahlen zogen den Bedarf an einem Nachfolger nach sich. Frontier: Elite II sollte ein weit größeres Universum bereithalten; es sollte möglich sein, auf grafisch detaillierten Planeten zu landen und insgesamt sollte mehr Tiefe erhalten. Allerdings war Ian Bell nicht mehr dabei und Publisher GameTek wollte das Spiel so schnell wie möglich herausbringen – der Feinschliff, der das erste Spiel noch auszeichnete, fehlte dieses Mal.

Das führte dazu, dass 1993 für Amiga, Amiga CD32, Atari ST und MS-DOS ein Spiel erschien, was sicherlich noch immer faszinierte, aber mit Bugs und Unfertigkeiten nervte. Außerdem wurde die Weltraum-Steuerung den Newtonschen Gesetzen angepasst, was sicher realistischer wirkte, aber auch den Reiz bei Raumkämpfen nahm. Das Spiel stand allgemein unter keinem guten Stern.

Selbst im Kopierwerk schien seinerzeit etwas schiefgelaufen zu sein: Der Autor dieser Zeilen investierte freudestrahlend im Kaufhaus sein Teenager-Geburtstagsgeld für eine Originalversion. Zu Hause angekommen gab es Frust, da Verpackung und Handbuch auf Deutsch lokalisiert waren, das Spiel aber in englischer Version auf die Disketten kopiert wurde, die eine englische Handbuchabfrage erforderte. Mit einer weiteren Fahrt in die Stadt wurde das Spiel getauscht, mit dem gleichen Ergebnis. Bei Rückgabe des Spiels gab der Verkäufer einen finsteren Blick zurück, als hätte er die neueste Raubkopiermasche durchschaut. Immerhin verkaufte es sich noch rund 500.000-mal.

No Man's Sky auf der Playstation 5. Das Spiel ist, wie viele andere Weltraumspiele auch, deutlich von der Elite-Reihe inspiriert, wie etwa das innovative 3D-Radar oder die Raumstation-Orientierung.

(Bild: Markus Will)

1995 erschien für MS-DOS Elite 3: First Encounter, in dem die Entwickler die gleichen Fehler wie im zweiten Teil machten: Es kam voller Fehler auf den Markt. Die Presse war dieses Mal kritisch mit der Bananensoftware, die zumal grafisch außer ein paar mehr Texturen nur wenig besser war als beim Vorgänger. Das schlug sich auch in den Verkaufszahlen durch: Nur noch 100.000 Einheiten wurden verkauft.

Lange Zeit war dann erst einmal Ruhe mit Elite, bis David Braben für einen neuen Teil per Kickstarter im Jahr 2013 1,9 Millionen Euro einsammelte, plus 0,9 einer weiteren Kampagne. Am 16. Dezember 2014 erschien Elite Dangerous mit einem riesigen Online-Universum und detaillierter Grafik für den PC, die in vielen Teilen vom Original inspiriert wurde. Die macOS- und XBox-One-Versionen erschienen 2015, für die PS4 erschien 2017 eine Konvertierung. Das Spiel wird allerdings nur noch für den PC weiterentwickelt. Die Weiterentwicklung der macOS-Version wurde 2018, die Konsolenversionen 2022 eingestellt. Zwar lassen sich die Konsolenversionen noch spielen, erhalten aber seitdem keine Upgrades mehr.

(mawi)