Zahlen, bitte! – Wow! 72 Sekunden unbekannte Signale aus dem All
Natürlicher Ursprung oder außerirdischer Zivilisationskontakt? Das 1977 empfangene Wow-Signal unbekannter Herkunft beschäftigt bis heute die Wissenschaft.
Als am 15. August 1977 der US-Astronom Jerry Ehman die frisch ausgedruckten Messergebnisse des Big-Ear-Teleskops ĂĽberprĂĽfte, traute er seinen Augen kaum: Das, was das Radioteleskop der Ohio State University da empfangen hat, schien genau das Signal einer auĂźerirdischen Intelligenz zu sein, wonach das federfĂĽhrende SETI-Projekt (Search for Extraterrestrial Intelligence) suchte.
Verblüfft kringelte er das Signal mit dem Zeichencode 6EQUJ5 rot ein und schrieb "Wow!" daneben, was dem Wow!-Signal seinem Namen gab. Bis heute ist die Herkunft des Signals allerdings ungeklärt, auch wenn es mittlerweile Vermutungen dazu gibt.
Das auf der Frequenz 1420,456 Megahertz empfangene Wow-Signal wurde aus der Region um das Sternbild Schütze empfangen, südlich der Sternensysteme um Chi Sagittarii. Es verhielt sich genau so, wie es von einem interstellaren Signal zu erwarten war, welches auf ein Radio-Teleskop mit erdgebundener Rotation trifft. Es war mit 10 Kilohertz sehr schmalbandig, etwa 30x stärker als das Hintergrundrauschen und wurde 72 Sekunden lang empfangen. Die Signalstärke stieg erst an, erreichte einen Höhepunkt in einer Signalstärke, die die Forscher so noch nie gemessen haben, um dann wieder abzusteigen. Dadurch ließen sich irdische Quellen weitgehend ausschließen.
Weltraumsignal traf auf Space-Zeitgeist
Das Signal schien zur richtigen Zeit anzukommen: George Lucas Weltraumsaga "Star Wars" trat mit Krieg der Sterne im Sommer 1977 seinen globalen Siegeszug in irdischen Kinosälen an, und mit Steven Spielbergs Unheimliche Begegnung der dritten Art kam im November sogar ein Film in die Kinos, in der Außerirdische mit der Menschheit Kontakt aufnehmen. Und die Entdeckung des Marsgesichts, welches zu Spekulationen zu einstigem Leben auf unserem Nachbarplaneten einlud, war gerade erst ein Jahr her.
Dennoch war es nicht der große Durchbruch: Ähnliche Signale wie das Wow-Signal konnten bis heute nicht empfangen werden, und das, obwohl Radioteleskope aus aller Welt die Region absuchen. Außerdem waren aus dem Signal selbst keine Informationen zu erkennen. Der Entdecker kommentierte später, dass durchaus Modulationen in dem Signal stecken konnten – aber die damalige Technik nicht in der Lage war, das korrekt zu erfassen.
Bis heute ist das Wow-Signal einzigartig und die Herkunft unbekannt. Im Jahr 2017 wollen Forscher des Center of Planetary Science zwei Kometen als natürliche Quelle ausgemacht haben: Beide seien angeblich zu dem Zeitpunkt in dem Himmelsabschnitt gewesen und hätten eine ähnliche Signalsignatur. Mehrere Wissenschaftler kritisierten die Theorie als wenig stichhaltig und die Messungen als wissenschaftlich ungenau dokumentiert.
FĂĽr Kontakt mit Aliens muss alles stimmen
Wie wahrscheinlich ist überhaupt, dass wir von Außerirdischen kontaktiert werden können? Das ist nicht so einfach. Mal angenommen, die jüngste Drake-Gleichung stimmt, nach der in unserer Galaxie 36 außerirdische Zivilisationen existieren. Wenn wir unsere Zivilisation abziehen, wären somit noch 35 Alienvölker in der im Druchmesser etwa 120.000 Lichtjahre großen Milchstraße beheimatet. Das sagt aber nichts darüber aus, wie deren technologischer Stand wäre. Es muss mindestens eine davon technologisch so fortgeschritten sein, um ein Signal auszusenden – und wir müssen im richtigen Moment hinhören.
Mit etwas Pech kam vielleicht vor tausenden Jahren eine Botschaft an und heute ist der Sender längst verstummt. Angesichts der enormen Entfernungen wären solche Signale zudem eher eine interstellare Flaschenpost, was die Sensation aber nicht schmälern dürfte, wenn irgendwann doch eine intelligente Botschaft aus dem All zweifelsfrei identifiziert werden könnte.
Die Codierung 6EQUJ5 des Ausdrucks beschreibt die Intensität des Signalverlaufs. Die Signalstärke wird in Skalierungen bis 35 angegeben. Sie wird von 1 bis 9 in den jeweiligen Zahlen dargestellt, ab 10 bis 35 in Buchstaben.
Der Code und ihre Bereiche:
6 steht fĂĽr 6.0 - 6.999
E steht fĂĽr 14,0 - 14,999
Q steht fĂĽr 26.0 - 26.999
U steht für 30.0 - 30.999 Höhepunkt, danach wieder abnehmend
J steht fĂĽr 19.0 - 19.999
5 teht fĂĽr 5.0 - 5.999
Die Signalstärke 30 gilt als bisher stärkstes je empfangene Signal der Anlage dieser Art.
Wie ist es denn mit anderen Signalen? 2020 empfing das Parkes-Radioteleskop in Parkes, Australien im Rahmen des Breaktrough Listen Project von SETI auf der Frequenz von 982 MHz ein mysteriöses, schmalbandiges Signal, welches von Proxima Centauri auszugehen schien. Mit 4,2 Lichtjahren Entfernung wurde ausgerechnet der der Sonne am nächsten liegende Stern ein möglicher Hort einer intelligenten Zivilisation. Das hätte enorme Folgen haben können: Im Vergleich zu den Milchstraßen-Dimensionen ist die Entfernung ein Klacks und selbst ein gemächlicher Austausch mit einer Reaktionszeit von achteinhalb Jahren wäre möglich gewesen. Ein Jahr später war die Faszination schon wieder vorbei: Höchstwahrscheinlich hatte das Signal einen irdischen Ursprung, wie etwa ein Störsignal. Vermutlich sei ein defektes Elektrogerät zufällig zu dem Zeitpunkt eingeschaltet worden, als das Teleskop auf das Nachbarsternsystem zeigte.
KI hilft beim AufspĂĽren auĂźerirdischer Signale
KI soll beim Auffinden möglicher Signale helfen und hat in jüngster Zeit bereits 8 spannende Kandidaten aus alten Daten ermittelt, die nun genau überprüft werden.
Und das Wow-Signal? War es nun Alien-Kommunikation oder nicht? In einer lesenswerten Analyse zum 20-jährigen-Jubiläum des Wow-Signals kam Entdecker Jerry Ehmann zum Schluss, der heute noch gilt:
"Da also alle Möglichkeiten eines irdischen Ursprungs entweder ausgeschlossen wurden oder unwahrscheinlich erscheinen, und da die Möglichkeit eines außerirdischen Ursprungs nicht ausgeschlossen werden konnte, muss ich zu dem Schluss kommen, dass eine ETI (ExtraTerrestrische Intelligenz) das Signal gesendet haben könnte, das wir als Wow!-Quelle empfingen. Selbstverständlich warte ich als Wissenschaftler auf den Empfang weiterer Signale wie der Wow!-Quelle, die von vielen Observatorien empfangen und analysiert werden können. Daher muss ich sagen, dass der Ursprung des Wow!-Signals für mich weiterhin eine offene Frage ist. Es gibt einfach zu wenig Daten, um viele Schlussfolgerungen zu ziehen."
Auch 46 Jahre nach der Entdeckung des Wow!-Signals bleibt dessen Herkunft offen.
(mawi)