Bitcoin ist zu groß für China

Seite 2: Neulinge haben es schwer

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Mit ihren Maßnahmen hat die Regierung es Neulingen nun schwerer gemacht, auf dem Bitcoin-Markt mitzumischen – schwieriger, aber eben nicht unmöglich. Bereits jetzt lässt sich der Bann umgehen. Manche Nutzer tauschen Bitcoins direkt untereinander aus, online oder offline. Außerdem lassen sich Digitalwährungen weiterhin über die verschlüsselte Nachrichten-App Telegram handeln. Sie ist in China zwar gesperrt, lässt sich aber über ein Virtual Private Network (VPN) nutzen, das die Große Firewall umgeht. Wer bereits digitale Münzen besitzt, kann an einer ausländischen Börse damit handeln. Selbst auf WeChat, der in China enorm beliebten, aber strikt überwachten Nachrichten-App, gab es einige Bitcoin-Geschäfte. Gerüchteweise will die Regierung solche Schlupflöcher nun aber auch ins Visier nehmen.

Das Wort "Bitcoin" mag in China fast zum Tabu geworden sein, bei "Blockchain" aber sieht es anders aus. Han Feng aus Peking ist Mitgründer der Elastos Foundation, die den ambitionierten Plan verfolgt, ein ganz neues Internet auf der Basis von Blockchain-Technologie aufzubauen. Im vergangenen Herbst wollte er an der Tsinghua University eine Vorlesung halten, die per Webcast in die ganze Welt übertragen werden sollte. Monatelang bereitete er sich darauf vor, selbst die Kamerastative waren schon installiert. Dann warb die Universität auf WeChat für die Veranstaltung und bezeichnete sie als "erste Bitcoin-Vorlesung an der Tsinghua University".

Han ärgerte sich über diesen Mangel an politischer Sensibilität. Warum in einer so heiklen Zeit das Wort "Bitcoin" benutzen? Natürlich wurde die Online-Vorlesung abgesagt. Han aber konnte das nicht stoppen: Statt vor aller Welt hielt er die Vorlesung vor Ort auf dem Campus der Universität. Sie stand unter dem politisch korrekteren Titel "Die intelligente Volkswirtschaft und Blockchain".

Auch chinesische Behörden sehen eine große Zukunft für die Blockchain – sie wird sogar im neuesten Fünfjahresplan der Kommunistischen Partei erwähnt. Immerhin ermöglicht die Technologie ein fälschungssicheres Register für Zahlungen und viele andere Transaktionen, ganz ohne Intermediäre. Nur möchte das Land Blockchains eben lieber ohne Bitcoin haben. "Die Zentralregierung will Blockchains nutzen, um die Vertrauenswürdigkeit von öffentlichen und administrativen Daten sicherzustellen, aber sie will nicht, dass die Bürger ihr eigenes Geld drucken können", sagt Ben Koo, Technik-Professor an der Tsinghua University.

Möglicherweise hofft China, Bitcoin mit seiner eigenen Digitalwährung ersetzen zu können. Sie ist zumindest in der Entwicklung, offenbar um Finanztransaktionen billiger, sicherer und leichter verfolgbar zu machen. Bitcoin-Anhänger wie Bobby Lee aber sagen, eine staatliche Version wäre ein "völlig anderes Tier". "Das wird eine kontrollierte, zentralisierte Währung, die zufälligerweise digital ist und mit Verschlüsselungstechnologie arbeitet", erklärt er. Wenn für die neue Währung dieselbe Geldpolitik, dieselben Zinsen, dieselben Beschränkungen, dieselben Grenzen und dieselben Regeln gelten wie für die traditionelle, so Lee, "dann kann man sie mit etwas vollkommen Freiem wie Bitcoin gar nicht vergleichen".

Doch anders als beim Internet sei es jetzt schon viel zu spät, China vom Rest der Welt zu isolieren. "Man kann Bitcoin in China nicht verbieten", sagt der Vizepräsident der geschlossenen Börse BTCC. "Solange es nur ein einziges Kabel gibt, das von China nach außen führt, wird Bitcoin überleben." Tatsächlich ist ein großer Teil des Bitcoin-Handels nach den chinesischen Verboten nach Japan und Südkorea abgewandert. "Blockchain ist eine globale Technologie", sagt Elastos-Mitgründer Han. "Unterschiedliche Funktionen können in unterschiedlichen Ländern angesiedelt sein. Zum Handeln geht man in Länder mit freundlichen Gesetzen wie Japan. Sucht man viele Kunden, geht man nach China. Und wenn man eine Technologie-Community braucht, geht man in die USA."

Der Kurs spiegelt diese Einschätzung wider: Er erholte sich nach dem Verbot in China nicht nur, sondern erreichte immer neue Rekordstände. Möglicherweise haben die chinesischen Behörden sogar selbst dazu beigetragen: "Als China begonnen hat, Bitcoin zu regulieren, war das ein Zeichen dafür, dass es diese Währung sehr ernst nimmt", sagt Yan Chen, CEO von NBL, einem Dienstleister für die Speicherung von Wallets. "Der Markt sieht, dass Regierungen Angst vor Bitcoin haben, also muss es wirklich mächtig sein."

Zumindest vorläufig also hat Bitcoin das Versprechen gehalten, von einer einzelnen Regierung nicht gestoppt werden zu können, nicht einmal von einer so mächtigen wie der Chinas. Oder wie es Lee formuliert: "Jedes Mal, wenn man versucht, Bitcoin zu schlagen, und es stirbt trotzdem nicht, wird es noch stärker."

(bsc)