Pro & Contra: Ist Apple die Gesundheit wirklich wichtig?

Tim Cook glaubt, Apples "größter Beitrag zur Menschheit" werde im Health-Sektor liegen. Ist das mehr als ein Versuch, neue Geldquellen zu erschließen?

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Apple Watch EKG

Ein 1-Kanal-EKG lässt sich jederzeit auf der Apple Watch 4 anfertigen.

(Bild: Apple)

Lesezeit: 4 Min.

Artikel aus Mac & i Heft 3/2019, S. 9

Zweifellos will Apple im Gesundheitsbereich mehr Geräte verkaufen. Was gibt es für ein besseres Verkaufsargument als "könnte vor einem verfrühten Tod retten"? Ich sehe darin nichts Anrüchiges, im Gegenteil: Die Motivation, neben dem iPhone ein neues Standbein zu schaffen, dürfte Apple zu Höchstleistung anspornen. Davon profitieren letztlich die Kunden, wenn Geräte mit interessanten Neuerungen herausspringen – wie eine EKG-fähige Apple Watch.

Leo Becker meint, dass Apple das Zeug hat, unser Leben zu verbessern.

Viele Jahre und Millionen Dollar teure Forschungs- und Entwicklungsarbeit waren dafür erforderlich, ganz abgesehen vom Aufwand, die nötigen Zulassungen einzuholen. All das für eine Funktion, die das Gros der Nutzer vielleicht einmal zum Spaß ausprobiert.

Für den Einzelnen, der dadurch auf das gefürchtete und oft unbemerkte Vorhofflimmern aufmerksam wird, kann es aber das Leben verändern.

Die Uhr wacht inzwischen auch im Hintergrund über den Herzrhythmus und warnt, wenn er auffällig wird. Dafür ist übrigens keine EKG-App und somit keine neue Hardware vonnöten: Die Funktion wurde per Software-Update nachgereicht. Das beweist doch, dass "Health" mehr bringen soll als nur Profit. Am Handgelenk (und mit den AirPods im Ohr) ist Apple optimal aufgestellt, um Körperdaten direkt zu erfassen und sinnvoll auszuwerten, Herzrhythmusstörungen sind da erst der Anfang. Gerüchten zufolge testet Apple intern die Blutzuckermessung. Nichtinvasiv kann das bisher keine andere Uhr.

Jede frühzeitige Warnung der Watch, aber auch jeder ersparte Arztbesuch verbessert schon jetzt das Leben des Trägers. Mit künftigen Sensoren und KI-getriebener Diagnostik könnte Apple der Menschheit tatsächlich einen großen Verdienst erweisen. Die dabei anfallenden Daten sehe ich bei Apple jedenfalls besser aufgehoben als bei Konzernen, die sich durch Werbung finanzieren. (lbe)

Die Apple Watch, das zentrale Element von Apples neuerdings gern bemühter Gesundheitsrhetorik, war eigentlich für ganz andere Zwecke gedacht. Die erste Generation wurde noch als Mode-Accessoire und Sportassistent beworben. Erst als Apple merkte, dass sich anscheinend mehr Leute für die damals noch schwach entwickelten Gesundheits-Features interessieren und man damit die Verkaufszahlen steigern kann, wurden diese ausgebaut.

Apple will nur von einem Versäumnis ablenken, glaubt Johannes Schuster.

Das allein ist für mich Grund genug anzunehmen, dass es nicht so weit her sein kann mit der Überzeugung Tim Cooks, die Menschheit gesünder machen zu wollen. Wären damals die Sport-Features besser angekommen, gäbe es heute vielleicht kein EKG in der Uhr. Und ließe sich mit ihnen kein Geld verdienen, wären Apple die Patienten mit Herzrhythmusstörungen und Vorhofflimmern auch nicht so wichtig.

Außerdem braucht Apple dringend ein "next big thing", seit das iPhone eine schwindende Rolle in den Bilanzen spielt, zumal der Durchbruch im Fernsehmarkt und das selbstfahrende iCar auf sich warten lassen. Es würde der Menschheit ebenfalls dienen, wenn Apple mit ausgeklügelter Soft- und Hardware den Personen- und Güterverkehr ohne fossile Brennstoffe voranbringen würde. Auch damit ließe sich ein Riesengeschäft machen. Weil Apple da aber noch nichts zu präsentieren hat, rückt es seine Verdienste um die Gesundheit der Menschen in den Vordergrund.

So oder so muss Apple aufpassen, dass die permanente Erfassung von persönlichen Daten nicht zur Selbstverständlichkeit wird. Bei Krankenkassen, Rententrägern oder dem Staat würde das Begehrlichkeiten wecken. Sie könnten auf die Idee kommen, nur gesundes Verhalten zu belohnen. In China wird schon jetzt ein Bewertungssystem für die Bürger ausprobiert. Es wäre kein großartiger Beitrag für die Menschheit, so etwas zu unterstützen.

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