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Reflektierte Erinnerungen

Projekte Tim Kurth

Es kommt daher wie ein Gemälde, besteht aber hauptsächlich aus einem Datenträger (der auch Gemälde beinhalten könnte). Es sind die eigenen (digitalen) Erinnerungen, für die dieses Bild den Rahmen bieten könnte.

Zutaten

Beschreibung
Gemälde und Bilder sind Dokumente ihrer jeweiligen Zeit und ihres jeweiligen Entstehungskontextes. Sie sind ein Medium, heute oft in Museen oder privaten Sammlungen "gespeichert", aber teilweise auch öffentlich, auf der Straße in Form von Street Art, anzutreffen.

Das klassische umrahmte Bild, an der Wand befestigt, lässt sich für Betrachter und Konsumenten leicht als solches entschlüsseln. Es erzählt meist von etwas oder jemandem, leitet den Blick der Betrachter, verweist durch seine Sprache auf Gegebenheiten und Geschichte(n). Dieses Bild hier, "Erinnerungen 1978 – 2009", verzichtet auf jegliche Zeichnung oder Malerei, es bedient sich lediglich der Symbolik eines Gemäldes durch den Rahmen und das Aufhängen. Die Form im Bild wird durch den Gegenstand, eine kreisrunde, spiegelnde, magnetische Fesplattenscheibe, bestimmt – die nebenstehend übrigens das gespiegelte Abbild des Fotografen zeigt.

Auf diesen Festplattenscheiben speichert die Menschheit unserer Zeit all ihre Daten. Mir fällt ad hoc nichts ein, dass die Menschen nicht digitalisieren wollten und was sich nicht irgendwann digitalisieren ließe. Sei es ein Modell unserer Milchstraße, unseres Genoms (und das all der anderen Lebensformen), archäologische Fundstücke, Modelle von Autos, Loks, Häusern, Kleidungsstücken und so fort. Aber auch persönliche Daten speichern wir auf Fesplatten. Urlaubsfotos, Magisterarbeiten, Liebesbriefe, 3D-Modelle unserer Gebäude in Minecraft, selbst geschriebene Software und unsere Korrespondenz mit anderen Menschen.

Darauf möchte ich mit dieser Arbeit verweisen. Auf die unsichtbaren, doch so wertvollen Daten. Auf unsere subjektive Beziehung zu ihnen. Und auf die von der Technologie diktieren Form des Trägers von Daten, eben einer Festplattenscheibe. Mit einem Augenzwinkern auch verpackt in der von der Kunstgeschichte diktierten Form des Trägers von Bildern, einem Gemälde.

"Erinnerungen 1978 – 2009" ist eine Serie von derzeit fünf Bildern. Dies muss jedoch nicht der endgültige Zustand sein. Vier ließen sich leicht zerstören, weitere können hinzugefügt werden. Die einzelnen Elemente der Arbeit können variieren: 2,5"-Scheiben, Disketten, Flash-Speicher, barocker Rahmen, puristischer Rahmen, metallener Rahmen und so fort.

Noch eine Anmerkung zum Titel und dem Titelkärtchen: Er soll den Einstieg erleichtern, zu verstehen, was man sieht, da es auf die Materialien verweist. "Erinnerungen 1978 – 2009" ist ein von mir frei erfundener Arbeitstitel, um zu zeigen, wie viele, zum Beispiel Urlaubsfotos, auf die Platte passen würden, ohne dass tatsächlich unbedingt Fotos auf der Scheibe gespeichert sein müssen oder sie tatsächlich passen würden. Das Baujahr der Festplatte, die ich hierfür zerstört habe, liegt nebenbei gesagt weit nach 1978. (cm [1])


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https://www.heise.de/-1745840

Links in diesem Artikel:
[1] mailto:cm@ct.de