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Aller guten Dinge sind drei: Dritte Staffel von "Star Trek: Picard" lässt hoffen

Fabian A. Scherschel

Gates McFadden als Dr. Beverly Crusher. Die Jacke erinnert stark an "Wrath of Khan".

(Bild: CBS Studios, Amazon Prime Video)

Nach zwei schrecklichen Staffeln scheint sich "Star Trek: Picard" zum Ende hin tatsächlich darauf zu besinnen, was eine gute Trek-Serie ausmacht.

Die ersten zwei Folgen der neuen Staffel von "Star Trek: Picard" machen Lust auf mehr. Das ist äußerst überraschend nach zwei Staffeln, die nur sehr am Rande irgendetwas mit Star Trek zu tun hatten und in denen Patrick Stewart eher sich selbst zu spielen schien als den namensgebenden Sternenflotten-Kapitän. Nun scheint die Serie in ihrer finalen Staffel [1] aber vielleicht doch noch den Dreh zu etwas hinzubekommen, was auch wirkliche Fans der guten alten Zeit ansehen können, ohne Migräneschübe zu bekommen.

Achtung: Die folgende Rezension enthält umfassende Spoiler zu den ersten zwei Folgen der dritten Staffel von "Star Trek: Picard" sowie zu den gesamten beiden vorangegangenen Staffeln.

Die erste Staffel von "Star Trek: Picard" war nicht gut, aber sie war auch nicht richtig schlecht [2] – jedenfalls nicht so schlecht wie "Star Trek: Discovery" [3]. Die zweite Staffel war eine Katastrophe. Sie fing schon dumm an [4] und kulminierte in einer Szene, in der sowohl Jean-Luc Picard als auch Patrick Stewart – beides passionierte Shakespeare-Schauspieler – den essentiellen Unterschied [5] zwischen den englischen Verbformen hung und hanged verlernt haben. Mal ganz abgesehen davon, dass die Drehbuchschreiber zwar mit Star-Trek-Begriffen um sich schmissen, aber anscheinend keine Ahnung hatten, was diese Begriffe eigentlich bedeuten. Patrick Stewart spielte an sich nicht schlecht, John de Lancie war sowieso grandios, aber Jean-Luc Picard war da auf der Leinwand nicht wirklich anwesend. Und generell hatte die Serie mehr mit dem Teenager-Vampir-Action-Schund gemeinsam, den meine Frau zur Ablenkung schon mal auf Netflix schaut, als mit Star Trek.

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Dass "Picard" sich bisher nicht wirklich wie Star Trek angefĂĽhlt hat, lag wohl vor allem auch daran, dass Patrick Stewart bei den ersten beiden Staffeln federfĂĽhrend mitgewirkt hat. Wie er vor kurzem in einem Interview sagte, wollte er eben keine Reunion der alten Next-Generation-Crew und keine klassische Star-Trek-Serie produzieren. Das war seine Voraussetzung, bei der Serie mitzuwirken. Eine ganz dumme Idee, welche die Serien-Macher nun wohl endlich ĂĽber Bord geworfen haben. Egal, wie groĂźartig ein Schauspieler in seinem Job ist, dass es meist keine gute Idee ist, alternde BĂĽhnen-Stars DrehbĂĽcher schreiben und Serien produzieren zu lassen, weiĂź Hollywood schon lange. Trotzdem tappt es seit Jahrzehnten immer wieder in diese Falle. So auch bei "Picard".

Damit ist nun wohl aber Schluss. Aus Trailern wissen wir bereits, dass in der letzten Staffel sehr wohl die ganze TNG-Crew wieder auf der Bühne steht. Und die ersten zwei Folgen zeigen deutlich, dass man hier versucht, den Bogen zu einer klassischen Raumschiff-Serie zu schlagen. Oder, besser gesagt, zu den alten Star-Trek-Filmen; aber dazu später mehr. Auf jeden Fall scheinen hier Menschen an den Drehbüchern gearbeitet zu haben, die wissen, wie Jean-Luc Picard redet und wie er sich verhält. Es scheint fast so, als hätten die ersten beiden Staffeln der Serie nicht existiert – eine Illusion, mit der viele Trekkies wohl sehr gut leben können.

Was dem versierten Trekkie in den ersten beiden Folgen der dritten Staffel sofort auffällt: Hier wird hart daran gearbeitet, TNG-Nostalgie zu wecken. Bereits die erste Einstellung – uns wird das Innere von Beverly Crushers Raumschiff gezeigt – ist vollgepfropft mit Requisiten aus ihrer Zeit auf der Enterprise-D. Später steht Picard nostalgietrunken vor dem berühmten Gemälde seines alten Schiffes, das damals in seinem Ready Room hing. Sogar die Flöte aus der legendären TNG-Folge "The Inner Light" und der alte Sessel samt Überwurf aus seinem Quartier sind wieder zu sehen. Und dann bekommt der alte Herr auch noch einen Anruf auf seinen Enterprise-D-Kommunikator, den er in einer Transportbox mit seiner Original-TNG-Uniform aufbewahrt. Deutlicher kann man das mittlerweile schon fast verzweifelte Verlangen der Trek-Community nach der guten alten Zeit nicht bedienen.

Riker und Picard diskutieren ĂĽber einem Glass Bourbon, wie sie am besten an ein Schiff kommen

(Bild: CBS Studios, Amazon Prime Video)

Was auch ziemlich offensichtlich ist, ist die Tatsache, dass die Macher der dritten Staffel sich sehr freizügig am Material der alten TOS-Filme bedienen. Die ersten zwei Folgen wecken deutliche Erinnerungen an "Star Trek II: The Wrath of Khan" und "Star Trek III: The Search for Spock". Das geht von der verwendeten Schriftart der Titelsequenz über die Musik (die nun auf einmal wieder sehr Star-Trek-typisch daherkommt) bis hin zur Garderobe von Beverly und dem Titan-Shuttle mit dem Namen "Saavik". Auch das Versteckspiel im interstellaren Nebel weckt Erinnerungen. Ein bisschen "Star Trek VI: The Undiscovered Country" ist auch mit dabei: Amanda Plummer, Tochter des Star-Trek-VI-Bösewichts Christopher Plummer (Klingonen-General Chang), spielt hier ebenfalls eine Widersacherin.

Dass "Picard" sich eher an Filmen als Vorlage orientiert, passt ins neue Konzept der Star-Trek-Macher, deren Universum nun viel dunkler und dreckiger ist. Und die neue Art, Fernsehserien zu produzieren, mit zehn statt über zwanzig Folgen, die nun einen einzigen Handlungsstrang auf eine ganze Staffel ausbreiten, passt auch besser zum dramatischen Aufbau der Trek-Action-Filme als zum klassischen Star Trek. Weil bei diesen klassischen Serien einzelne Folgen in der Regel in sich abgeschlossene Handlungsstränge darstellten, um bei der nächsten Folge wieder bei null anzufangen.

Es scheint also so, als ob die TNG-Crew über zwanzig Jahre nach "Nemesis" endlich den Trek-Film bekommt, der ihre Reise auf der Leinwand in Würde beenden soll. Eigentlich keine schlechte Idee. Der aufmerksame Beobachter fühlt sich an das erste Konzept für "Star Trek: Discovery" erinnert. Hier hatte Bryan Fuller, früher Produzent bei "Voyager" und "Deep Space Nine", zusammen mit Nicholas Meyer eine Anthologie-Serie geplant. Fuller und Meyer, der bei "The Wrath of Khan" Regie geführt hatte, planten zu diesem Zeitpunkt so etwas wie ein TV-Remake dieses Filmes, der bis heute bei Fans als einer der besten, wenn nicht sogar der beste Trek-Kinofilm gilt. Dann wurde Fuller als Showrunner von Alex Kurtzman verdrängt und "Discovery" schlug einen anderen Weg ein. Es scheint fast so, als ob Kurtzman und sein Producer-Kollege Akiva Goldsman nach Jahren von Trek-fremdem Blödsinn bei "Discovery" und "Picard" endlich kapiert hätten, dass ihre Produzenten-Vorgänger damals eine ziemlich gute Idee hatten.

Auf der einen Seite bedeutet das zwar, dass die dritte Staffel von "Star Trek: Picard" mit ihren ganzen Anspielungen und Kopien älterer Handlungsstränge nicht gerade originell ist. Picard hat überraschenderweise einen Sohn, der sehr impulsiv handelt und nun in Lebensgefahr ist? Wo haben wir das wohl schon einmal gesehen? Ah ja, "Search for Spock". Vielleicht ist dieser Sohn aber in Wirklichkeit ein Klon von Beverlys verstorbenen Mann? Das erinnert etwas an Picards Klon aus "Nemesis", oder? Nicht mal die musikalischen Akzente sind besonders originell, wenn man die alten TOS-Kinofilme kennt.

Peinlicherweise haben die Spezialeffekt-Leute hier die Größenverhältnisse des Sternenflotten-Schiffsdesigns nicht verstanden. Basierend auf der Größe dieses Shuttles ist die Brücken-Kuppel von Beverlys Schiff winzig. Vor allem die zentimetergroßen Fenster an der Seite sind etwas peinlich. Aber solche Kleinigkeiten sind das Letzte, über das sich Hardcore-Trekkies dieser Tage aufregen sollten. Immerhin ist der Rest der Serie einigermaßen stimmig.

(Bild: CBS Studios, Amazon Prime Video)

Auf der anderen Seite zeigen diese beiden Folgen aber auch, dass es besser ist, gekonnt vom alten Star Trek abzukupfern, als wie in den ersten beiden Staffeln stümperhaft etwas Eigenes erschaffen zu wollen, wenn man die Fähigkeiten dazu einfach nicht besitzt. Dazu kommt auch, dass jetzt offensichtlich bessere Drehbuchschreiber am Werk sind. Picard redet wieder wie der Captain der Enterprise, Riker darf endlich seinen lächerlichen Pizza-Ofen hinter sich lassen und selbst für Raffi, wohl die schlechteste Sternenflotten-Offizierin, die wir je gesehen haben, finden die Macher eine ganz passable Rolle als edgy Undercover-Cop im Sternenflotten-Geheimdienst. Eigentlich ganz cool.

Überhaupt macht vieles in den ersten zwei Folgen Lust auf mehr. Endlich haben wir wieder Computer-Interfaces, die an das alte LCARS erinnern und dazu auch noch gut aussehen! Der kurze Auftritt von Worf ist großartig. Sogar das Ferengi-Makeup wurde mit Bedacht modernisiert, ohne den alten Look komplett über den Haufen zu werfen. Die Tatsache, dass Mica Burton, die Tochter von LeVar Burton, als Geordis Tochter die U.S.S. Titan fliegt, lässt einem geradezu das Herz aufgehen. Gates McFadden macht in ihrer alten Rolle als Beverly Crusher eine großartige Figur und hat in der zweiten Folge eine Szene mit Patrick Stewart, in der keiner der beiden ein Wort sagt, die aber trotzdem schauspielerisch in der Geschichte von Star Trek ihresgleichen sucht.

Der Abspann der Serie enthält eine Menge Details und Easter Eggs. Unter anderem die Erwähnung dieses Sternenflotten-Schiffs aus einem Star-Trek-Videospiel von 1999.

(Bild: CBS Studios, Amazon Prime Video)

Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass Kurtzman & Co. nicht in ihre alten Muster zurückfallen und auch diese Staffel zum Ende hin in einen Misthaufen aus Plot-Löchern und plumpem, politisch motiviertem Bullshit verwandeln, der mit Star Trek nichts mehr zu tun hat. Ein guter Grundstein ist gelegt. Wird dies die Serie sein, mit der das neue Star Trek endlich die Kurve hin zum Guten kriegt? Wagen wir, zu hoffen. Denn Hoffnung ist letzten Endes das, weswegen wir Star Trek überhaupt schauen, nicht wahr?

Die zehn Folgen der 3. Staffel von "Star Trek: Picard" werden in Deutschland bei Amazon Prime Video und Paramount+ ausgestrahlt. Jeden Freitag erscheint eine neue Folge der Serie.

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(fab [8])


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Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Star-Trek-Picard-Finale-Staffel-erscheint-im-Februar-7330135.html
[2] https://www.heise.de/news/Star-Trek-Picard-Ein-Winzer-im-Weltall-4692893.html
[3] https://www.heise.de/meinung/Star-Trek-Discovery-Die-vierte-Staffel-muss-man-sich-nicht-antun-6284754.html
[4] https://www.heise.de/meinung/Star-Trek-Picard-die-Zweite-C-est-de-la-merde-6540341.html
[5] https://www.merriam-webster.com/words-at-play/hung-or-hanged
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