Berge aus Plastik: Warum Zertifikate nur eine Notlösung sein können

Unternehmen verkaufen "Plastik-Neutralität" und setzen auf Zertifikate für Müllsammel-Initiativen. Das ist aber keine wirkliche Lösung für die Plastikkrise.

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 Der Müll am Strand von Bangsaen ist mit Müll wie Wasserflaschen und Plastik gefüllt

(Bild: Shutterstock.com/FonForward, Bearbeitung: heise online)

Lesezeit: 2 Min.

Die UN-Verhandlungen zum Plastikmüll in Südkorea sind vorerst gescheitert – vor allem, weil Ölförderländer Vorgaben zur Plastikproduktion ablehnten. Die Produktion sei nicht das Problem, sondern die Verschmutzung, argumentierten sie. Allein dagegen gelte es anzugehen.

Und natürlich: Wer Bilder von Städten und Flüssen sieht, die in Plastiktüten, -flaschen und -planen regelrecht ertrinken, kann gegen Sammel- und Recycling-Initiativen nichts haben. Den Müll dort direkt vor Ort einzusammeln, ist zudem viel effektiver, als ihn später aus den Ozeanen herauszufischen – wo das Elend üblicherweise seinen Lauf nimmt.

Manche Unternehmen, die Kunststoffe in Umlauf bringen, unterstützen solche Sammel-Initiativen über Plastikzertifikate ("Plastic credits"): Und auch das ist begrüßenswert. Einen Pokal sollten sie dafür aber nicht bekommen, geht es doch um ein mitverschuldetes Problem. Einige bewerben ihre Produkte mit dem Label "plastikneutral". Das ist einfach nur daneben.

Der Handel mit Plastikzertifikaten beruht auf einer einfachen Rechnung. Eine Tonne in Umlauf gebrachter Kunststoff kann gegen eine gesammelte und gegebenenfalls recycelte andere Tonne Plastikmüll gegengerechnet werden. Das Geld, das Unternehmen für die Zertifikate bezahlen, fließt in Müllsammlungsprojekte in Ländern, wo das Müllproblem besonders groß ist.

Dabei ist klar: Die Plastikkrise lässt sich nicht einfach wegrechnen. Schon allein wegen der gigantischen Mengen: Weltweit werden über 400 Millionen Tonnen jährlich produziert, Tendenz steigend. Ihre Herstellung verschlingt Unmengen Rohstoffe und Energie. Nur die wenigsten lassen sich einfach recyceln. Daran sind auch Tausende oft gesundheitsschädliche Additive schuld, Weichmacher zum Beispiel, Flammschutzmittel oder Stabilisatoren. Die größte gesammelte Menge Plastikmüll wird schlicht verbrannt. Kritiker bemängeln außerdem, dass oft unklar sei, in welchem Umfang die Müllsammelnden vor Ort tatsächlich profitierten.

Zertifikate können lokal durchaus eine Notlösung sein, mehr aber auch nicht. Hinten aufwischen, ohne vorn den Hahn zuzudrehen: Das ist gelinde gesagt, unklug. Die Kunststoffproduktion muss endlich gedrosselt werden. "Reduce", Verzicht, wo immer möglich, lautet noch immer das oberste Gebot auf dem Weg in eine Kreislaufwirtschaft. "Aufwischen" können wir noch lange genug.

Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.

(mack)