Corona-Soforthilfen: "Unser Vergabeverfahren hat Betrugsfälle vermieden"

Ohne die Corona-Soforthilfen stünde Baden-Württemberg heute sehr viel schlechter da, sagt Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut im Interview.

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Corona-Soforthilfen: "Unser Vergabeverfahren hat Betrugsfälle vermieden"

(Bild: ITTIGallery/Shutterstock.com)

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  • Peter Ilg
Inhaltsverzeichnis

Die Corona-Soforthilfen sollten schnell ausgezahlt werden und wurden es auch. Damit war die Gefahr groß, dass Zuschüsse auch an Unberechtigte überwiesen werden. Das zweistufige Vergabeverfahren in Baden-Württemberg hat Betrug überwiegend ausgeschlossen, sagt die Wirtschaftsministerin von Baden-Württemberg Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU).

Dennoch ermittelt das Landeskriminalamt in Betrugsfällen. Etwa 3.000 Unternehmen haben Zuschüsse zurückbezahlt, weil die finanziellen Einbußen nicht so hoch waren wie erwartet. Dazu haben sich alle Antragsteller verpflichtet. Nun startet die zweite Soforthilferunde. Diesmal dürfen nur Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer die Anträge stellen. Das soll der Ehrlichkeit dienen.

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heise online: Nach einer vorläufigen Bilanz hat Baden-Württemberg etwa 240.000 kleine und mittelständische Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten sowie Solo-Selbständige mit Zuschüssen von rund 2,2 Milliarden Euro unterstützt. Kam diese Corona-Soforthilfe rasch an und was hat sie bewirkt?

Die baden-württembergische Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU).

(Bild: Martin Stollberg)

Frau Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut: Es ging uns erst einmal darum, all jenen Unternehmen zu helfen, die sonst innerhalb weniger Tage insolvent gehen würden. Ohne die Soforthilfe und die anderen Förderinstrumente, die wir seitdem auf den Weg gebracht haben, stände unser Wirtschaftsstandort heute sehr viel schlechter da. Die Nachfrage nach der Soforthilfe war von Tag eins an sehr hoch. Nach nicht einmal 24 Stunden hatten wir über 45.000 Anträge. Also ein gewaltiges Volumen. Unser Ziel war es, dass nur wenige Werktage zwischen Antragstellung und Auszahlung vergehen. Aber natürlich mussten sich die Prozesse am Anfang erst einspielen.

Fast 90 Prozent aller Anträge stellten Solo-Selbständige und Betriebe mit bis zu fünf Beschäftigten. Woran liegt dieser hohe Anteil der beiden Gruppen?

Hoffmeister-Kraut: Weil gerade sie die Krise von Anfang an sehr hart getroffen hat und sie weniger finanzielle Polster als größere Unternehmen haben. Sie können Durststrecken nur schwer überbrücken. Wir haben deshalb die Möglichkeit geschaffen, dass sich kleine Unternehmen, die noch keine Hausbank haben, Bürgschaften von der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg erhalten. Das ist wichtig, um ihnen Zugang zum Kreditmarkt zu geben.

Selbständige leiden unter der Corona-Krise finanziell viel stärker als abhängig Beschäftigte, die mit dem Kurzarbeitergeld wenige, sogar teilweise keine Gehaltseinbußen haben. Die Selbständigen konnten in ihren Anträgen und können im Folgeantrag einen fiktiven Unternehmerlohn von 590 bis zu 1180 Euro pro Monat bekommen. Das ist viel weniger als das meiste Kurzarbeitergeld. Finden Sie das gerecht?

Hoffmeister-Kraut: Solo-Selbständige, die keine fixen Kosten wie Pachten oder Leasingverträge haben, waren und sind de facto von der Soforthilfe und der Überbrückungshilfe des Bundes ausgeschlossen. Er schließt auch Lebenshaltungskosten oder einen Unternehmerlohn explizit aus. Die Ergänzung durch den fiktiven Unternehmerlohn ist ein Lösungsansatz, um die Soforthilfe auch für diese Gruppe zugänglich zu machen. Die Hilfe ersetzt aber keinen richtigen Lohn. Sie soll erst einmal dafür sorgen, dass ein Betrieb oder Selbständiger liquide bleibt und nicht insolvent geht.

Die Anträge mussten dafür bei den Industrie- und Handelskammern oder den Handwerkskammern gestellt werden. Wurden sie genehmigt, zahlte die Staatsbank von Baden-Württemberg, die L-Bank, die Gelder aus. Alles ging rasch und die angegebenen Umsätze waren Prognosen. Deshalb wurden spätere Prüfungen angekündigt und in den Anträgen haben sich die Antragsteller dazu verpflichtet, Änderungen von sich aus anzuzeigen. Geschieht das und werden Anträge schon geprüft?

Hoffmeister-Kraut: Eine Prüfung der Anträge fand von Beginn an statt. Verdachtsmomente wurden und werden konsequent verfolgt. Sie haben ja schon richtigerweise gesagt, dass die Anträge bei den Kammern gestellt werden mussten. Dort wurden sie formal und inhaltlich geprüft. Falls Unstimmigkeiten oder Fehler gefunden wurden, haben die Kammern die Antragsteller kontaktiert und darum gebeten, die Angaben zu berichtigen. Erst dann wurden die Anträge an die L-Bank weitergeleitet. Inwieweit wir darüber hinaus stichprobenartig prüfen, stimmen wir derzeit ab. Unser zweistufiges Verfahren über die Kammern und die L-Bank war natürlich aufwendiger als in manch anderem Bundesland, aber es hat sich ausgezahlt. Wir konnten so massive Betrugsdelikte vermeiden.

Gibt es auch schon Fälle, in denen die Antragsteller ihren Pflichten nicht nachgekommen sind und was sind die Konsequenzen daraus?

Hoffmeister-Kraut: Antragsteller haben zum Beispiel die Pflicht, die Soforthilfe zumindest anteilig zurückzuzahlen, wenn sich der erwartete Liquiditätsengpass als zu hoch erwiesen hat. Insgesamt haben das schon rund 3.000 Unternehmen getan. Das lässt darauf schließen, dass für diese Unternehmen die Krise weniger dramatisch als befürchtet verlief. Dann gab es natürlich auch Anträge, bei denen der Verdacht auf Betrug im Raum steht. Das Landeskriminalamt ermittelt derzeit bei diesen Fällen. Sie liegen aber zum Glück nur im zweistelligen Bereich.

Nun wurde ein zweites Corona-Soforthilfeprogramm für dieselbe Zielgruppe aufgelegt, das "die finanzielle Not dieser Unternehmen lindern, Insolvenzen vermeiden und so die Struktur des Wirtschaftsstandortes Baden-Württemberg sichern" soll, sagten Sie bei dessen Ankündigung. Diesmal geht es um die Umsätze der Monate Juni, Juli und August und in dieser zweiten Runde müssen die Anträge dafür registrierte Steuerberater, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfern einreichen. Warum diese Änderung: Erwarten Sie mehr Ehrlichkeit?

Hoffmeister-Kraut: Natürlich will der Bund Betrugsfälle damit weitestgehend verhindern. Aber vor allem geht es darum, dass die genannten Berufsgruppen die notwendigen Informationen und das Know-how haben, um Anträge formal richtig zu stellen. Das erleichtert die Bearbeitung und beschleunigt das Verfahren. Im Übrigen können Antragsteller die Kosten für die Steuerberater ebenfalls in der Überbrückungshilfe geltend machen.