Das stromschluckende Hardware-Jahr 2022: Haben die alle Lack gesoffen?

Bitte weiterscrollen, hier gibt es nichts zu lesen – außer einer Tirade über die Hardware-Vorstellungen aus dem Jahr 2022.

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Ein Sinnbild für die explodierende Leistungsaufnahme moderner PC-Hardware.

(Bild: Connect world/Shutterstock.com + geralt + heise online)

Lesezeit: 5 Min.
Inhaltsverzeichnis

Es hätte so schön sein können, das Jahr 2022 in Sachen PC-Hardware: Neue Prozessoren von AMD und Intel, neue GeForce- und Radeon-Grafikkarten, ein Ende des Krypto-Booms und damit einhergehend ein Nachfrageeinbruch nach GPUs. Eine Reihe betrüblicher Ereignisse, Gier und nicht nachvollziehbare Entscheidungen trübten das Bild dann aber doch.

Freunde des Videospielens durften im Frühling frohlocken: Nach anderthalbjährigem Grafikkartenmangel platzte mal wieder die Kryptoblase, fast gleichzeitig stellte die für Grafikkarten-Miner wichtigste Kryptowährung Ethereum auf das Mining-freie Validierungsmodell Proof of Stake um – hurra, Millionen von Grafikkarten kommen jetzt endlich wieder im Einzelhandel an.

Ein Kommentar von Mark Mantel

Mark Mantel ist seit 2019 Redakteur bei heise online und c't. Er kümmert sich hauptsächlich um die Online-Berichterstattung rund um PC-Hardware.

Nvidia-Chef Jensen Huang beklagte sich infolge des Crashs gegenüber Analysten über zu hohe Lagerbestände und kündigte Rabattaktionen an. Und alle so: "Yeah! Endlich bezahlbare Grafikkarten ... wird ja auch mal Zeit." Die Realität sah und sieht leider ganz anders aus: Viele Modelle haben nicht einmal ihre Preisempfehlung aus dem Jahr 2020 unterschritten. Selbst in Zeiten ungünstiger Wechselkurse und Inflation ist das zum Lebensabend einer Grafikkartengeneration mit einem erheblichen Überangebot ungewöhnlich.

Herr Skywalker und Jensen Huang teilen sich eine Gemeinsamkeit: Beide mögen Leder für ihre äußerste Bekleidungsschicht.

(Bild: Lucasfilm / Disney)

Na gut, denkt man sich vielleicht. Dann wird es halt ein neues Modell, schließlich sind die GeForce RTX 4000 und Radeon RX 7000 ja eh viel besser dank neuer Architektur und modernerem Fertigungsprozess. Nun möchte Nvidia seine alten Grafikkarten aber gerne weiter zu hohen Preisen verkaufen. Was macht man also? Genau, die Nachfolgerinnen preislich einfach darüber positionieren. Die unverbindliche Preisempfehlung (UVP) der GeForce RTX 4080 ist etwa doppelt so hoch wie die der RTX 3080.

AMD freut sich, denn wenn Nvidia erst einmal hohe Preise ansetzt, kann man selbst nachziehen und die Neulinge für mehr als 1000 Euro verkaufen, ohne selbst als Sündenbock dazustehen. Ja, nun. Also keine neue Grafikkarte. Nach zwei Jahren Warten ist eh schon ein gewisser Gewöhnungseffekt eingetreten.

Von Intels Einstieg in den Grafikkartenmarkt brauchen wir gar nicht erst anzufangen. Mit den aktuellen Treibern bekommt man eine Performance-Wundertüte, die je nach Spiel extrem streut. Wer nicht gerade experimentierfreudig ist, fährt mit einer GeForce RTX 3060 oder Radeon RX 6600 XT zu ähnlichen Preisen besser.

Der September 2022 war derweil ein Meilenstein für AMD: Die Prozessorplattform AM4 erhielt mit AM5 und Ryzen 7000 nach mehr als fünf Jahren eine Nachfolgerin. AMDs vollmundige Effizienzversprechen und allerlei neue Features wie PCI Express 5.0 und DDR5-RAM ließen die Spannung steigen.

Leider orientierte sich AMD dabei ein bisschen zu sehr an Intel und entschloss sich kurzerhand, die elektrische Maximal-Leistungsaufnahme hochzustufen – im Falle des Ryzen 9 7950X und Ryzen 9 7900X auf enorme 230 Watt. Das quetscht zwar die letzten Megahertz aus den CPUs, allerdings zu einem hohen Preis: Rund 5 Prozent zusätzliche Rechenleistung kosten gegenüber dem 142-Watt-Modus gut 60 Prozent mehr Energie.

Hinzu kommen die hohen Mainboard-Preise. Selbst die günstigsten Modelle ohne PCIe 5.0 kosten beinahe 200 Euro. Die hohe Thermal Design Power (TDP) der CPUs spielt da hinein: Jedes Mainboard muss mit einer Dauerlast von 230 Watt umgehen können, benötigt also bessere Spannungswandler als bei der 500er-Serie und dann braucht man ja noch teures DDR5-RAM.

Die verbockte AM5-Plattform lässt ein ebenfalls 2022 vorgestelltes AMD-Produkt in einem noch besseren Licht dastehen: der Ryzen 7 5800X3D als erste Desktop-CPU mit gestapeltem Riesen-Cache. In Spielen nimmt er es mit Ryzen 7000 und Intels ebenfalls neuem Core i-13000 auf, arbeitet dabei aber wesentlich effizienter. Ein AM4-Mainboard und DDR4-RAM machen zudem den Unterbau günstig.

Für aktuell 365 Euro ist der Ryzen 7 5800X3D ein toller Gaming-Prozessor.

(Bild: Mark Mantel / heise online)

Generell kann man sich fragen, was der aktuelle Stromschlucker-Trend bei PC-Hardware soll. 450-Watt-Grafikkarten mit schmelzenden Stromsteckern und Kühler-Monstrositäten, die in viele Gehäuse nicht mehr hineinpassen; Desktop-CPUs mit Saufverhalten weit jenseits der 200 Watt … kann den Herstellern mal jemand sagen, dass wir uns in einer Energiekrise befinden?

Ein kleiner, naiver Teil in mir möchte noch daran glauben, dass die Kundschaft ein Zeichen setzen kann, indem sie einfach mal nichts kauft. Also lümmele ich mich dieser Weihnachtstage aufs Sofa und spiele ein bisschen auf dem Steam Deck. Das macht nämlich selbst mit seinem Mut zur (Performance-)Lücke ordentlich Spaß.

(mma)