Die Woche: Gnome weiß es besser

Seit Jahren versucht das Gnome-Projekt die Zahl der Einstellmöglichkeiten in der Desktop-Oberfläche zu reduzieren. Die soll dadurch einfacher zu bedienen werden [--] vielleicht schießt das Projekt dabei ab und zu aber auch übers Ziel hinaus.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Thorsten Leemhuis

Nach derzeitigem Stand wird Gnome 3 keine Einstellmöglichkeit mehr bieten, um beeinflussen zu können, was beim Schließen des Notebooks-Deckels passiert – stattdessen wird einfach in den Bereitschaftsmodus (Suspend-to-RAM, ACPI S3) gewechselt, sofern nicht gerade ein externer Bildschirm angeschlossen ist. Möglicherweise überdenken die Entwickler diese Entscheidung nach der kürzlich aufgeflammten Kritik noch einmal; wer sich aktuelle Vorabversionen von Gnome 3 aber mal angesehen hat wird aber wissen, dass auch viele andere Einstellmöglichkeiten mit der neuen Gnome-Generation verschwinden.

Alte Hasen dürfte dieses gelegentlich als "Bevormundung mündiger User" bezeichnete Vorgehen bekannt vorkommen: Mit Gnome 2.0 hat das Projekt noch viel radikaler als jetzt Einstellmöglichkeiten entfernt, was großes Geschrei nach sich zog. In zwei bis drei Monaten wird sich zeigen, wie groß das Aufhebens diesmal sein wird, denn dann soll Gnome 3 erscheinen und schon kurz danach in Distributionen auftauchen. Vermutlich wird das Geheule auch diesmal laut sein, da Anwender nicht nur einige Einstellmöglichkeiten vergeblich suchen, sondern sich auch ihre Arbeitsweisen an die Strukturen anpassen müssen, welche die Gnome-Shell vorgibt.

Nach derzeigem Stand wird Gnome 3 Notebooks automatisch schlafen legen, sobald man den Deckel schließt.

(Bild: Screenshot des Blog-Eintrags von Richard Hughes.)

Das erfordert Zeit zum Umdenken und neu Lernen. Und vor allem: Überwindung, sich mit neue Gegebenheiten, Vorgaben und Einschränkungen zu arrangieren.

Die Reduktion der Einstellmöglichkeiten ist besonders für all jene schmerzhaft, die jeden Aspekt ihres Systems anpassen können wollen. Diese Nutzerklientel findet sich gerade unter Linux-Enthusiasten häufiger; auch so manche Open-Source-Entwickler denken so und sind gut darin, lautstark Kritik zu äußern. Sie sind aber nur ein kleiner Teil der potenziellen Gnome-Nutzer und alles andere als typische Computer-Anwender. Den Gnome zielt ja auch auf den Einsatz in Firmen und auf weniger Computer-affine Anwender – Einfachheit zählt dort erheblich mehr als Wahlmöglichkeiten.

Jede Option macht das System nämlich komplizierter – das zeigt sich recht deutlich beim Vergleich eines aktuellen Gnome 2 mit Gnome 1.2 oder 1.4, die durch die vielen Optionen heute ziemlich verwirrend und kompliziert scheinen. Auch iPhone, iPad und Android haben vorgemacht, das weniger mehr sein kann, denn mit deutlich mehr Einstellmöglichkeiten wären die Geräte komplizierter gewesen und von der Masse sicher nie so angenommen worden.

Es ist daher eine gute Idee, dass das Gnome-Projekt die Zahl der Einstellmöglichkeiten reduziert und sich von der vielen Kritik nicht verunsichern lässt, die es für das Vorgehen seit Jahren einstecken muss; viele Köche würden sonst den Brei verderben. Natürlich ist das aber auch eine Gratwanderung, denn es ist leicht, beim Entfernen von Wahlmöglichkeiten über das Ziel hinaus zu schießen – genau das ist vielleicht jetzt passiert, denn es gibt wohl doch genug gute Gründe, warum ein Notebook mit geschlossenem Deckel weiter laufen soll. (thl). (thl)