Die Woche: Was ist Open Source?

Viele Unternehmen möchten ihrer Software das angesagte Label Open Source aufkleben. Aber was bedeutet Open Source eigentlich? Und wer entscheidet darüber?

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Die Open Source Initiative (OSI) will jetzt gegen Missbrauch des Begriffs Open Source vorgehen. Was die OSI mit Missbrauch meint, erklärt ihr Präsident Michael Tiemann in seinem Blog: Für die OSI ist nur solche Software Open Source, die der eigenen Open-Source-Definition (OSD) entspricht.

Aber wer ist die Open Source Initiative, dass sie für sich in Anspruch nimmt, Open Source defininieren zu dürfen? Immerhin hat die OSI den Begriff Open Source geprägt – als Marketingmaßnahme, um freie Software für Unternehmen attraktiv zu machen: Free Software, das klingt im Englischen allzu sehr nach Gratis-Software; und gratis, das klingt nicht nach gut fürs Geschäft. Immer das Stallman-Bonmot Free as in freedom, not as in free beer anzuhängen, erschien den OSI-Gründern Bruce Perens (damals Debian-Projektleiter) und Eric S. Raymond zu mühsam. Gleichzeitig betonte die OSI – ganz auf einer Linie mit prominenten Entwicklern wie Linus Torvalds – die technischen Aspekte der Open-Source-Entwicklung (die kooperative Arbeit an offenen Quelltexten) gegenüber den politischen und gesellschaftlichen Ansprüchen von Stallmans Free Software Foundation (FSF).

Inhaltlich meinen Open Source (im Sinne der OSI) und freie Software, wie sie die FSF versteht, dasselbe. Entscheidend ist, dass der Anwender mehr Rechte an der Software hat als bei proprietären Programmen; im wesentlichen

  • das Recht, die Software nach Belieben weiterzugeben;
  • das Recht, die Quelltexte zu erhalten;
  • das Recht, die Software zu verändern und in veränderter Form weiterzugeben;
  • das Recht, die Software für jeden Zweck einzusetzen.

Das entspricht auch den Debian-Richtlinien für Freie Software, der dritten wichtigen Definition von freier oder Open-Source-Software.

Nach ihrer Gründung 1998 versuchte die Open Source Initiative, Open Source als Markenzeichen schützen zu lassen; damit wäre die OSI zum offiziellen Hüter der Open-Source-Definition geworden. Das gelang jedoch nicht, weil der Begriff "Open Source" als zu generisch angesehen wurde, um Markenschutz erlangen. Rein rechtlich gesehen kann jedermann Open Source definieren, wie er will.

Das ist laut Tiemann auch schon gelegentlich vorgekommen. Bislang habe man allerdings mit Unternehmen, die ihre Software als Open Source anpreisen, ohne dass sie der Open-Source-Definition entspricht, immer eine Lösung gefunden: Entweder hätten die Unternehmen ihre Software unter eine von der OSI anerkannte Lizenz gestellt oder ihre eigene Lizenz angepasst und dem von der OSI angebotenen Zertifizierungsprozess unterzogen.

Dass die OSI jetzt an die Öffentlichkeit tritt, liegt an der CRM-Software CentricCRM: Die bezeichnet der Hersteller als Open Source; Anwender erhalten zwar die Quelltexte, es ist ihnen in der Centric Public License jedoch ausdrücklich verboten, die Software außerhalb des eigenen Unternehmens weiterzugeben – egal, ob im Original oder verändert. Damit ist CentricCRM keine Open Source – zumindest nicht nach der OSI-Definition, und auch nicht im Sinne der FSF oder der Debian-Richtlinien. Gegenüber den Mahnungen der OSI zeigte sich Hersteller jedoch uneinsichtig.

CentricCRM fährt eine Strategie, die versucht, einige Vorteile von Open Source zu nutzen, ohne sich vermuteten Risiken auszusetzen: Man bietet die Software zwar zum freien Download an, was Anwendern das Testen erleichtert und so dem Marketing- und Sales-Team viel Überzeugungsarbeit abnimmt; aber durch das Verbot der Weitergabe verhindert man eine unkontrollierte Verbreitung, die es CentricCRM erschweren würde, Nutzer zu Kunden zu machen.

Ob diese Rechnung aufgeht, sei dahingestellt. (MySQL ist ein schönes Beispiel, wie es anders geht: Zwar gibt das Unternehmen zu, dass nur etwa einer von tausend MySQL-Anwendern kostenpflichtigen Support bei MySQL AB kauft; andererseits hat die freie Datenbank, die unter GPL angeboten wird, eine breite Nutzerbasis von über 10 Millionen Anwendern und ist in vielen Bereichen zu einem De-facto-Standard geworden.) Möglicherweise geht die Überlegung aber auch eher in die Richtung, dass nur ein "Open-Source-Produkt" im engen CRM-Markt und angesichts starker Open-Source-Konkurrenz wie SugarCRM überhaupt eine Chance hat.

Zurück zur Open Source Initiative. Wenn man die eigenen Vorstellungen von Open Source mangels Markenschutz nicht juristisch durchsetzen kann, wie ist dann die Kampagne gegen CentricCRM legitimiert?

Das Argument der OSI: Mittlerweile hat sich bei Anwendern ein breiter Konsens eingestellt, was Open Source ist. Wer Open-Source-Software einsetzt, erwartet, dass ihm der Hersteller bestimmte Rechte einräumt – Rechte, wie sie die OSI in ihrer Definition festlegt, wie sie die Free Software Foundation propagiert und wie sie die bekannten Open-Source-Lizenzen – GPL und LGPL, BSD-Lizenz, Apache License, Mozilla Public License – allesamt einräumen.

Würde jeder Software-Hersteller sein eigenes Verständnis von Open Source entwickeln und pflegen, die Situation würde reichlich unübersichtlich. Schon jetzt fluchen Anwender über die verschiedenen OSS-Lizenzen mit ihren im Detail unterschiedlichen Regelungen. Könnten sie sich nicht mehr darauf verlassen, dass Open Source zumindest dem kleinsten gemeinsamen Nenner all dieser Lizenzen – der Definition der OSI – gehorcht und die wesentlichen Rechte einräumt, würde Open Source jede Bedeutung verlieren und zu inhaltsleerem Marketing-Blabla werden.

Ausgerechnet Microsoft hat vorgemacht, wie es richtig geht. Als man – wohl unter dem Druck des Erfolges von Open Source – anfing, einige Open-Source-Prinzipien auf eigene Software anzuwenden, prägte man einen neuen Begriff dafür: Shared Source. Auch wenn das damals wohl eher als Gegenentwurf zu Open Source gedacht war: Zumindest ist es ehrlich. Wenn keine Open Source drin ist, sollte auch nicht Open Source draufstehen. (odi) (odi)