"Eher Flugzeug als Haus"

In Dubai, der neuen Stadt der Superlative, soll bald ein rotierendes Hochhaus entstehen. Architekt David Fisher erläutert im TR-Interview, worum es ihm bei seinem "Rotating Tower" geht.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 7 Min.
Inhaltsverzeichnis

Fisher, 58, lebt in Florenz und betreibt dort die Firma Dynamic Architecture. Er hat sich auf die Fahne geschrieben, die Zeit als vierte Dimension in die Architektur einzuführen. Den Anfang soll sein 313 Meter hoher Wolkenkratzer in Dubai machen, dessen 68 Etagen sich einzeln drehen lassen.

Technology Review: Herr Fisher, wer braucht eigentlich einen drehbaren Wolkenkratzer? Ist das mehr als ein Gag?

David Fisher: Das hat schon einige Vorteile. So kann man sich ständig dem Sonnenstand anpassen und hat eine Sicht von 360 Grad. Außerdem: Alles um uns herum bewegt sich. Es wird Zeit, dass auch Gebäude ihre Gestalt ändern können.

TR: Welche praktischen Probleme stellen sich dabei – etwa bei den Lagern?

David Fisher: Sie sind eine Kombination aus Stahl und Luftkissen. Es gibt so viel fortgeschrittene Technologie bei Zügen und Flugzeugen – warum sie nicht auch in der Gebäudetechnik einsetzen? Ein Zug ist beispielsweise sehr viel schwerer und fährt 300 Kilometer in der Stunde. Das zu beherrschen ist sehr viel schwieriger als bei den Etagen unseres Hochhauses, die sich sehr langsam bewegen.

TR: Wie werden die Frischwasser- und Abwasserinstallationen angeschlossen?

David Fisher: Im Kern gibt es feststehenden vertikale Röhren und zwischen diesen gibt es intelligente Verbindungen zu den horizontalen Installationen in einer Etage – genauso auch bei der Elektrik.

TR: Wie genau funktionieren diese Verbindungen?

David Fisher: Sorry, das ist vertraulich.

TR: Wurden diese Verbindung eigens für den Turm entwickelt oder gab es sie schon vorher?

David Fisher: Nein, in dieser Form gab es sie noch nicht, aber in ähnlicher Form wurden sie schon verwendet.

TR: Kann jeder Bewohner seine Etage selbst steuern?

David Fisher: Ja, wenn er eine eigene Etage hat, geht das sogar über Spracherkennung.

TR: Auch wenn sich alle anderen Etagen im Uhrzeigersinn drehen, kann ich meine Etage dann gegen den Uhrzeigersinn drehen?

David Fisher: Ja, absolut.

TR: Und wenn sich mehrere Leute eine Etage teilen – wer entscheidet dann?

David Fisher: Sie müssen sich natürlich einig werden – oder das Gebäudemanagement entscheidet.

TR: Wieviele Fahrstühle gibt es?

David Fisher: 13, einer davon kann auch mit Autos benutzt werden. Nicht alle Fahrstühle führen bis in die Spitze. Die zum Hotel zum Beispiel führen nur bis zum 25. Stock. In der oberen Hälfte des Gebäudes gibt es also genug freien Raum im Kern, den wir als Parkraum nur ein paar Schritte von den Apartments entfernt nutzen können.

TR: Gibt es keine statischen Probleme, wenn nur ein kleiner Betonkern ohne Fassade das ganze Gebäude tragen muss?

David Fisher: Im Gegenteil, die Beschränkung auf einen Kern macht die Sache leichter. Bei einem Erdbeben ist es deutlich robuster als ein normales Gebäude.

TR: Aus welchem Material werden die Wohnelemente hergestellt?

David Fisher: Aus Aluminium, Stahl und Kohlefaser-Kunststoff.

TR: Wo wird der Kohlefaser-Kunststoff verwendet?

David Fisher: Große Teile des Bodens werden aus Kohlefaser-Kunststoff gebaut, weil er leichter viel stärker ist und nicht rostet.

TR: Aber er ist doch teuer und schwer zu verarbeiten. Haben Sie ein spezielles Verarbeitungsverfahren angewandt?

David Fisher: Nein. Wir werden aber von Unternehmen unterstützt, die Kohlefasern für die Luftfahrtindustrie verarbeiten. Wir benutzen es nur da, wo es benötigt wird, der Rest ist Stahl und Aluminium. Es gibt keinen Beton in den Böden. Das Ganze hat mehr Ähnlichkeit mit einem Flugzeug als mit einem Haus – zumindeste die horizontalen Teile.

TR: Sie bauen ja die Elemente in Fabriken außerhalb zusammen und transportieren sie zur Baustelle. Wie groß sind die einzelnen Elemente und wie werden sie transportiert?

David Fisher: So groß wie ein Standard-Container. Sie sind also einfach und preiswert mit Schiffen oder Lastwagen zu transportieren. Dadurch kann man sie auch in Gegenden produzieren, in denen die Lohnkosten niedrig sind.

TR: Die Windturbinen befinden sich zwischen zwei Stockwerken und rotieren horizontal. Wie gehen Sie mit dem Lärm um?

David Fisher: Lärm ist in der Tat ein Thema, er hängt von der Form der Turbinenblätter ab. Wir sind dabei noch in der Entwicklung.

TR: Was kostet der ganze Bau pro Quadratmeter?

David Fisher: Das hängt vom Standort ab. In Dubai etwa 2300 Euro pro Quadratmeter. Das ist etwa fünf Prozent mehr als ein durchschnittliches Bürogebäude.

TR: Und wie rechnet sich das? Durch höhere Miete?

David Fisher: Ja. Wir rechnen damit, dass man für Büros 20 und für Wohnungen bis zu 40 Prozent mehr Miete nehmen kann, weil es ein einzigartig prominentes Gebäude ist. Auch Hotels werden natürlich hochpreisiger sein.

TR: Woher wissen Sie das?

David Fisher: Wir haben entsprechende Marktforschung angestellt.

TR: Was ist mit den Wartungskosten? Es gibt viele bewegliche Teile, und bewegliche Teile sind immer teuer im Unterhalt.

David Fisher: Der Wartungsbedarf ist sehr begrenzt. Das Gebäude dreht sich sehr langsam, deshalb gibt es wenig Verschleiß. Wir bieten für die ersten fünf Jahre kostenlose Wartung an.

TR: Was ist der Status des Projekts in Dubai? Wann geht es los?

David Fisher: Es gibt ein paar lokale Angelegenheiten, die geklärt werden müssen, aber wir glauben, dass es Ende des Jahres los geht.

TR: Wie lange wird die Bauzeit betragen?

David Fisher: 22 bis 24 Monate. Wir würden es wahrscheinlich auch schneller schaffen, aber da es das erste Projekt seiner Art ist, wollen wir auf der sicheren Seite sein.

TR: Macht es Sinn, das Konzept auch herabzuskalieren, zum Beispiel, um preiswerte, kleine, selbstversorgende Häuser ohne Rotation anzubieten?

David Fisher: Absolut.

TR: Gibt es konkrete Pläne für Nachfolge-Gebäude in anderen Städten?

David Fisher: Ja, wir haben unter anderem schon eine Anfrage aus Berlin.

TR: Ist Berlin das konkreteste Nachfolgeprojekt?

David Fisher: Nein, es sind einige Projekte im Gespräch, zum Beispiel in London und New York. Berlin ist eines davon.

TR: Mit welchem Bauherren genau sprechen sie in Berlin?

David Fisher: Es gibt zwei, beides große Unternehmen, aber ich kann noch keine Namen nennen. Ich hoffe, dass wir Ende Juni nähere Informationen geben können.

TR: Die Auslegung des Berlin-Projektes wird die selbe sein wie in Dubai?

David Fisher: Prinzipiell ja. Es geht um ein Hochhaus mit drehenden Etagen.

TR: Aber Berlin wird sicherlich keinen 300-Meter-Turm genehmigen.

David Fisher: Man weiß nie. Immerhin sprechen wir von einem künftigen Wahrzeichen. (bsc)