"Eine völlig neue Art von Architektur"

Interview mit Ryutaro Himeno, Leiter des Advanced Center for Computing and Communication am japanischen Forschungszentrum RIKEN (Institute of Physical and Chemical Research), über Petaflop-Supercomputer.

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Nachdem die Japaner der US-Regierung mit dem Bau des Earth Simulator, der mehrere Jahre unangefochten auf Platz eins der Liste der 500 schnellsten Rechner der Welt stand, einen gehörigen Schrecken versetzt hatten, pumpt die US-Regierung mittlerweile wieder erhebliche Mengen Geld in die Entwicklung von Supercomputern. Spätestens bis 2010 soll ein Computer entwickelt werden, der 1000 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde (ein Petaflop) leisten kann. Im Frühsommer diesen Jahres sickerten erste Meldungen durch, nach denen die japanische Regierung sich weiterhin an diesem Rennen beteiligt und ebenfalls bis 2010 die Entwicklung eines Petaflop-Rechners fördern will. Das Projekt soll im kommenden Jahr offiziell seine Arbeit aufnehmen. Ryutaro Himeno, Leiter des Advanced Center for Computing and Communication am japanischen Forschungszentrum RIKEN (Institute of Physical and Chemical Research), hat Vorschläge für die Architektur eines solchen Super-Supercomputer eingereicht und verrät im Gespräch mit Technology Review, wohin die Reise gehen könnte.

TR: Wie könnte der nächste Earth-Simulator aussehen?

Himeno: Zunächst einmal, ich bin nicht der Architekt der kommenden Petaflop-Maschine. Ich habe lediglich Vorschläge beim Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Technologie eingereicht. Zurzeit gibt es noch nicht einmal ein offizielles Projekt. Und mein Vorschlag ist einer von vielen. Vielleicht -- und es gibt eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür -- wird mein Vorschlag nicht einmal aufgegriffen.

NEC unterstützt mich bei meinen Bemühungen -- allerdings nicht in einem offiziellen Rahmen. Aber es gibt ermutigende Aktivitäten von Parlamentariern. 80 Abgeordnete haben sich zu einer Initiative zusammengeschlossen, die die Entwicklung von Supercomputern in Japan beschleunigen will.

Ist das eine Art neues Wettrennen zum Mond -- nur diesmal im Bereich der Informatik?

Himeno: Ja, aber dieses Rennen läuft eigentlich schon seit der Anfangszeit der Supercomputer-Entwicklung. In Japan wurde schon vor dem Earth Simulator der schnellste Simulator für Windkanäle gebaut. Ein anderer Erfolg war eine auf Berechnungen der Quantenchromodynamik optimierte Maschine, die auf Platz 12 der Liste der 500 schnellsten Supercomputer kam.

Was ist aus ihrer Sicht die größte technische Hürde, die man überwinden muss, um einen Petaflop-Computer zu bauen?

Himeno: Die Hitze abzuführen -- oder dafür zu sorgen, dass der Computer nicht zu viel Abwärme produziert.

Wie kann man das erreichen? So wie IBM das mit Blue Gene vorgemacht hat?

Himeno: Es gibt verschiedene Möglichkeiten.Der Blue-Gene-Ansatz ist eine Möglichkeit, aber ich denke, dass man nicht allzu viele Applikationen auf dieser Art von Maschine laufen lassen kann. Der existierende Programmcode passt in der Regel nicht auf solch eine Maschine. Ich will einen Supercomuter konstruieren, auf dem real existierender Code mit bis zu zehn Petaflops läuft.

Wie soll eine solche Maschine aussehen? Wie ist die Architektur beschaffen?

Himeno: Das eine Stichwort ist Heterogenität. Das andere ist ein Prozessor mit sehr hoher Rechenleistung, aber wenig Energieverbrauch.

Wie wollen Sie das erreichen?

Himeno: Wir verwenden 45-Nanometer-Prozesstechnologie.

Das ist alles? Ich dachte, mit existierender Technologie wäre es nicht möglich, einen Petaflop-Computer zu bauen.

Himeno: Das ist möglich! Wenn Sie die Leistungsaufnahme auf zehn Megawatt reduzieren können, dann ist das möglich. Für die gesamte Anlage, mit Kühlung und allem bräuchten sie dann vielleicht 50 Megawatt. Sie müssten ein eigenes Kraftwerk bauen, aber es ist möglich. Aber die Leistungsaufnahme so weit zu verringern, würde eine völlig neue Art von Architektur erfordern.

Wie müsste die aussehen?

Himeno: Hybride. Ich denke daran, skalare Knoten, Vektorrechner und spezialisierte Rechner zu kombinieren. Ich denke, für das nächste Jahrzehnt werden molekulardynamische Simulationen, quantenmechanische Ab-Initio-Rechnungen für Nano-Systeme eine Schlüsselrolle beispielsweise bei der Entwicklung neuer Materialien bekommen. Oder die Simulation von Proteinen für die Entwicklung von Medikamenten.

Nehmen Sie das Beispiel der Proteinfaltung. Die quantenmechanische Simulation lässt sich sehr gut auf dem Vektorrechner bewältigen. Aber Sie haben sehr viele Moleküle, die das Protein umgeben. Deren Dynamik lassen sie auf der spezialisierten Hardware rechnen. Wir müssen gute Ideen entwicklen, wie wir Anzahl der nötigen Rechenprozesse reduzieren können. Und die einzelnen Komponenten passend zur Aufgabe zu wählen scheint mir für die nächsten Jahre eine sehr gute Idee zu sein.

Das hört sich so an, als sei es sehr schwierig zu programmieren.

Himeno: Wir werden die entsprechenden Entwicklungsumgebungen schaffen.

Aber man muss dann sehr viel Verwaltungsaufwand treiben, um die Ressourcen ausnützen zu können. Sie glauben dennoch, dass das möglich ist?

Himeno: Nun, ich versuche es. Viele Leute argumentieren, dieser Ansatz sei gefährlich. Ich glaube, dieser Weg führt zum Erfolg.

Was denken Sie, was man mit diesen Computern machen kann?

Himeno: Meine persönliche Meinung ist, dass wir molekularbiologische Simulationen so weit entwickeln, dass wir neue Fragen beantworten können. Wie sind die biochemischen Reaktionen in einer Zelle organisiert? Warum gibt es Bakterien, die in heißen Quellen leben können? Was macht deren Proteine so stabil? Das wird sehr leicht zu simulieren sein und wir werden solche Rätsel des Lebens lösen können.

Interview: Wolfgang Stieler (wst)