KI-Technik als zweifelhafter Messias – ein Kommentar

KI wird als Lösung für Probleme angepriesen, die man mit guter Organisation nicht hätte. Wird Zeit für einen neuen Hype, der KI verdrängt, meint Peter Siering.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 96 Kommentare lesen
KI-Symbolbild mit Kommentar-Schriftzug

(Bild: Andrey Suslov/Shutterstock.com/ bearbeitet von heise online)

Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Peter Siering

Das Beste an KI ist, dass niemand mehr von Blockchain faselt, sagte ein gelegentlicher c’t-Autor vor einiger Zeit. In mir wächst mittlerweile die Ungeduld, dass endlich ein neuer Hypermessias um die Ecke biegt, damit es bald heißen kann: "Das Beste am Hypermessias ist, dass niemand mehr von KI faselt." Bis dahin dürften wir aber noch allerlei Verfehlungen sehen, mit KI Probleme zu lösen, für die es weit bessere Ansätze geben würde.

Ein Kommentar von Peter Siering

Peter trägt das c't-Brandzeichen, das es nach 30 Jahren Redaktionszugehörigkeit auf Nachfrage gibt. Er gibt den Leithammel im Ressort Systeme & Sicherheit. Obwohl er sich unter Linux, macOS und Windows heimisch fühlt, bevorzugt er Alu-Obst für die tägliche Schreibarbeit. Er programmiert gelegentlich, findet Netzwerke spannend und greift gern mal zum Raspi. PCs sind für ihn schon lang meist schnell genug, sodass er gern gebrauchte Hardware kauft. Er weiß sogar, wo der Lötkolben warm wird, auch wenn sich die Make-Kollegen dann aus Anstand wegdrehen.

Die Krone der KI-Katastrophen trägt für mich gerade Microsofts Recall. Nicht weil es übergriffig mit den Nutzerdaten umgeht, nicht weil Microsoft anfangs nur eine unsichere Implementierung vorgelegt hat, sondern weil die Entwickler damit versuchen, ein rein organisatorisches Problem mit Technik zu lösen. Wer länger in der IT tätig war, kennt das gut: Ein Laden ist schlecht organisiert und die Verantwortlichen hoffen, mit Technikeinsatz das Organisationsproblem zu erschlagen.

Das hat in den vergangenen Jahren viele blutige Nasen gegeben – aber es haben im Wesentlichen diejenigen dafür bezahlen müssen, die dem Technikaberglauben aufgesessen waren. Paradoxerweise hat Microsoft den vorherigen Versuch, Nutzern Orientierung in seinem eigenen Datensalat zu verschaffen, den Aktivitätsverlauf, längst wieder eingestellt: Kein App-Entwickler hat sich dafür interessiert – darauf war das Feature aber angewiesen.

Nun, gut. Dann werfen die Redmonder jetzt eben Technik auf das Problem: Mit KI soll alles besser werden. Recall liest per Screenshot mit, lässt OCR und Bilderkennung über die erzeugten Schnappschüsse laufen. Mal wieder gleicht Technik mangelnde Selbstorganisation aus. Prima, meinen Sie? Eigentlich ja, aber mich stört der Preis: Die neuen Prozessoren verbrauchen Energie, die wir Menschlein vielleicht anders besser verwenden würden.

Recall wird nicht das letzte Beispiel dafür sein, dass KI Probleme ausgleicht, die wir selbst besser lösen könnten, wenn wir uns nicht so blöd anstellen würden. Microsoft, Amazon, Apple, Google & Co. rüsten ihre KI-Rechenzentren dafür schon hoch. Hoffen wir für den Planeten, dass bald der Blockchain-Nachfolger für den Blockchain-Nachfolger um die Ecke biegt und dieses Mal wirkliche Probleme löst.

In eigener Sache: c't bei WhatsApp

(ps)