Kommentar: Die Cloud ist ja so schön bequem – es darf nur nirgends was passieren
Bei Amazon fällt was aus und alle sind betroffen – dass das früher oder später so kommen musste, war ja klar, meint Moritz Förster.
Mehrere Netzwerkgeräte eines Unternehmens in Übersee fallen aus – na und? Das ist eine Aussage, die noch vor zehn Jahren kaum einen IT-Redakteur an die Tastatur gelockt hätte. Doch die Welt hat sich geändert, denn: Die Firma heißt Amazon AWS, der fraglos bedeutendste Cloud-Provider. Und die betroffene Region ist ausgerechnet US-EAST-1, wiederum einer der wichtigsten, wenn nicht sogar der absolut wichtigste globale Knotenpunkt.
Nicht nur Amazon selbst ist in seinem Heimatland betroffen, Dienste links und rechts fallen stundenlang aus. Manche auch in Europa, auch wenn hier die meisten User kaum etwas mitgekriegt haben dürften. In den USA aber ganz vorne mit dabei solche Angebote wie Netflix und Tinder sowie etliche Spiele – und selbst die Pakete von Lieferdiensten stapelten sich wohl in der Kälte, weil Tracking-Anwendungen für die "Angestellten" nicht funktionierten. Angeblich musste so mancher wieder auf Papier und Stift ausweichen.
Vor allem aber dürfte sich hierzulande so mancher Administrator die Haare gerauft haben, dessen Unternehmensanwendungen eben nicht in den Schlagzeilen des schmerzlich vermissten Konstantkonsums auftauchten. Irgendwo greift eine interne Applikation per AWS-API auf einen betroffenen Cloud-Dienst zu. Diese Notwendigkeit mag beabsichtigt sein oder nicht, aber die Fehlermeldung war da und verschwand wohl erst nach knapp sieben Stunden wieder.
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Eigene Sorgfalt schützt vor Schaden nicht
Und wer peinlichst genau darauf geachtet hat, dass auch ja kein US-Dienst von Amazon zum Einsatz kommt? Intern mag diese Kontrolle gegeben sein, aber zu abhängig sind mittlerweile viele Firmen groß und klein von externen as-a-Service-Dienstleistern. Und wer weiß schon, an welcher Stelle ein unbekanntes Entwicklerteam nicht dann doch mal schnell bei AWS gebucht hat – oder ein wichtiges, aber unsichtbares Tool der Schatten-IT trotzdem die Belegschaft lahmlegt.
Der Ausfall erinnert an andere wie von Facebook oder Cloudflare, die Unternehmen weltweit mit unerwarteten Abhängigkeiten konfrontierten. Hier zeigt sich einmal mehr überdeutlich, dass es schwieriger bis unmöglich wird, einen vorausschauenden Überblick der Interdependenzen einer digital verketteten Welt zu bewahren.
Mit zunehmender Komplexität steigt automatisch die Fragilität eines Systems. Das kann ein akzeptabler Kompromiss sein, denn bequemer, schneller und preiswerter mag die Cloud durchaus sein. Und es ist nicht notwendigerweise wahrscheinlicher, dass etwas schiefgeht – aber wenn, dann so richtig und querbeet. Zeit, auf das Chaos zu setzen und aus ihm eine Tugend zu machen.
(fo)