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Kommentar: Elektromobilität – Pro und Contra Hybridantrieb

Gregor Honsel, Karsten Schäfer
Kommentar: Ende des Hybridantriebs?

Porsche-Hybrid mit Achtzylinder-Verbrennungsmotor und 680 PS - und einer rein elektrischen Reichweite von rund 25 Kilometern.

(Bild: Porsche)

Brücke zur reinen E-Mobilität oder ein Auslaufmodell? Die TR-Redakteure Gregor Honsel und Karsten Schäfer geben ihr Pro & Contra zu Autos mit Hybridantrieb.

TR 8/2019

Mag ja sein, dass Plug-in-Hybride nicht die Krönung technischer Eleganz sind. Sie besitzen zwar einen sauberen und wartungsarmen Elektroantrieb, schleppen zur Sicherheit aber trotzdem noch einen Verbrenner mit sich herum. Sollte man den Aufwand dafür nicht besser in eine größere Batterie stecken?

Ein Kommentar von Gregor Honsel

Gregor Honsel ist seit 2006 TR-Redakteur. Er fährt am liebsten Fahrad - und zwar ohne Hilfsantrieb.

Nicht unbedingt. Richtig konzeptioniert, können Hybride durchaus gewisse Vorteile gegenüber reinen E-Autos haben. Damit meine ich Wagen mit ausreichend großer Batterie für die täglichen Fahrten und ausreichend kleinem Verbrenner, der gar nicht erst die Versuchung aufkommen lässt, ihn ständig zu nutzen. Damit meine ich keine gewaltigen SUV, die einen Akku spendiert bekommen haben, um gewisse Privilegien der E-Autos abgreifen zu können.

Mit einer Batterie von 15 bis 20 Kilowattstunden hätte ein vernünftiger Plug-in-Hybrid eine Reichweite von rund 100 Kilometern. Das reicht im Alltag auch über mehrere Tage hinweg, schließlich sind laut einer Studie der TU Dresden die Hälfte aller Autofahrten kürzer als zehn Kilometer.

Doch was ist mit der anderen Hälfte? Für längere Strecken – etwa um die Oma auf dem Land zu besuchen oder in den Urlaub zu fahren – braucht man das Auto vielleicht selten, aber doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit. Auf das löchrige Netz an Schnellladestationen würden die wenigsten in einer solchen Lage vertrauen. Stattdessen behalten sie lieber ihren Verbrenner als Erst- oder Zweitwagen. Dem Klima ist damit nicht geholfen.

Auch der Vorwurf, ein Plug-in-Hybrid würde stets sinnloses Gewicht mit sich herumschleppen, relativiert sich, wenn man sich die Zahlen anschaut. Da der Range-Extender idealerweise stets im optimalen Betriebsbereich läuft, kann er technisch recht schlicht ausfallen. Kleine Dreizylinder-Ottomotoren wiegen heute – mit Tank – wenig mehr als hundert Kilo. Eine Batterie gleichen Gewichts würde kaum hundert Kilometer zusätzliche Reichweite bringen. Ein Range-Extender schafft ein Vielfaches.

Vor allem aber würde diese zusätzliche Batteriemasse bei einem Elektroauto die meiste Zeit genauso ungenutzt herumgefahren werden wie der Verbrenner bei einem Hybrid. Schon eine Reichweite von 200 Kilometern dürften die meisten Menschen nur in Ausnahmefällen benötigen. Mit einem Hybrid verbrennen sie dann zwar fossilen Sprit, aber dafür wurden bei der Herstellung des Wagens weniger kritische Rohstoffe wie Lithium und Kobalt verbraucht. Damit steht er aus Umweltsicht nicht notwendigerweise schlechter da als ein E-Auto mit überdimensioniertem Akku.

Ideal ist das natürlich beides nicht, sondern ein E-Auto mit kleiner Batterie in Verbindung mit einem dichten Netz an Schnellladestationen oder der Bahn. Aber wie der Trend zu immer größeren Batterien zeigt, lassen sich die Kunden offenbar nur schwer auf diesen Pfad locken. Solange das so ist, bleibt ein Plug-in-Hybrid eine vernünftige Option.

Ein Kommentar von Karsten Schäfer

Karsten Schäfer, TR-Redakteur, fährt am liebsten mit Muskelkraft oder rein elektrisch.

Hybridantriebe hätten eine tolle Übergangstechnologie werden können. Doch der Zug ist längst abgefahren. Schon 1997 hat Toyota mit dem ersten Prius gezeigt, dass ein Hybridantrieb wesentlich weniger verbrauchen kann als ein reiner Verbrennungsantrieb. Das Problem war nur, dass die anderen Autohersteller – allen voran die deutschen – kein Interesse an der Technik hatten. Zwar hatte Audi schon 1994 einen Audi 80 als Hybrid (genannt "duo") auf den Markt gebracht, allerdings zu einem völlig überzogenen Preis. Daraus schlossen die Automanager, dass bei den Kunden kein Interesse am Hybridantrieb bestehe – und setzten lieber auf den Dieselmotor.

Doch der Prius verkaufte sich gut und wurde auch technisch immer besser – und sparsamer. Als die deutschen Hersteller, getrieben von strengeren CO2-Grenzwerten, dann doch versuchten, auf den Hybridzug aufzuspringen, mussten sie erstaunt feststellen, dass die bis dahin belächelte Technik enorm kompliziert war und die Japaner einen großen Vorsprung hatten. Deutsche Hybridautos kamen nicht mal annähernd an die Verbrauchsvorteile des Prius heran.

Daran hat sich bis heute wenig geändert, wie der ADAC den deutschen Herstellern in seinem EcoTest bescheinigt. Auch Plug-in-Hybride sehen nur auf dem Papier sparsam aus, weil bei ihren Verbrauchsangaben die rein elektrische Reichweite angerechnet wird. Je höher sie ist, desto geringer die Verbrauchsangabe – ganz gleich was der Hybridantrieb ohne den Strom aus der Steckdose verbraucht. Doch viele Besitzer von Plug-in-Hybriden hängen ihr Auto selten an die Steckdose, fahren also fast nie rein elektrisch.

Plug-in-Hybride sind also nur dann verbrauchs- und schadstoffärmer, wenn der Nutzer mitmacht. In vielen Ländern sind die Fahrzeuge damit sinnlos: Sie können nicht in Nullemissionszonen fahren. In China haben sie schon heute keine Chance. In europäischen Ländern wie Norwegen, Irland oder den Niederlanden, die schon bald keine Verbrennungsmotoren mehr zulassen werden, auch nicht mehr.

Auch hierzulande wird es schon bald keinen Sinn mehr machen, neben einem Elektroantrieb noch einen Verbrennungsmotor ins Auto zu bauen. Reine Elektroautos gibt es schon ab 15.000 Euro. Weil die Batteriepreise viel schneller sinken, als von Experten angenommen, wird das Angebot an Elektroautos weiter zunehmen. Außerdem sind Elektroautos im Vergleich zu Verbrennern nahezu wartungsfrei. Ein enormes Plus für Autobesitzer. Und wer einmal ein Elektroauto besaß, will sowieso nichts anderes mehr, wie zahlreiche Umfragen belegen.

Ein Unterschied zum Verbrenner bleibt zwar: Wer lange Strecken ohne viele Ladestopps fahren will, sollte im Elektroautozeitalter besser zu einem Auto mit großer Batterie greifen, das entsprechend teuer ist. Aber war es nicht bei Verbrennern auch schon immer so, dass Vielfahrer eher die komfortableren und teureren Autos gekauft haben?

(jle [10])


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