Kommentar: Warum Elon Musk und Twitter wunderbar zusammenpassen

Er polarisiert, er handelt gegen Widerstände und manchmal auch gegen jede Vernunft. Für Twitter und seine vielen Baustellen kommt Elon Musk zur rechten Zeit.

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Elon Musk

(Bild: dpa, John Raoux, AP)

Lesezeit: 4 Min.
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Als die Nachricht herumging, dass die Übernahme von Twitter durch Elon Musk perfekt ist, scherzte ich, ob es – wenn ich das Netzwerk jetzt verlasse – wohl einen digitalen Nachsendeauftrag in andere soziale Netzwerke gibt. Natürlich postete ich das auf Twitter, wo auch sonst? Die Reaktionen darauf waren bunt gemischt, aber die Wogen schlugen erwartungsgemäß hoch: Vom Untergang des Abendlandes durch Musk bis zur Kritik, ihn nicht zu verteufeln, war alles dabei. Und schnell wurde mir klar: Twitter und Musk passen offenbar hervorragend zusammen. Beide haben Aufgeregtheit zu ihrem Geschäftsprinzip auserkoren.

Ein Kommentar von Malte Kirchner

Malte Kirchner ist seit 2022 Redakteur bei heise online. Neben der Technik selbst beschäftigt ihn die Frage, wie diese die Gesellschaft verändert. Sein besonderes Augenmerk gilt Neuigkeiten aus dem Hause Apple. Daneben befasst er sich mit Entwicklung und Podcasten.

Man kann von Musks Tun halten, was man will: Als Reizfigur, als Enfant terrible des Netzes, bereichert er die Technikwelt im Jahr 2022 wie kein Zweiter. Nicht ohne Grund wird er mit einer anderen Reizfigur der vergangenen Jahrzehnte immer wieder gerne verglichen: Apple-Mitgründer Steve Jobs. Die viel beschworene Disruption ist unweigerlich damit verbunden, sich auch mal unbeliebt zu machen. Und das kann Musk – wie seinerzeit auch Jobs – meisterhaft.

Mehr aber noch ist Elon Musk kein reiner Schnacker, wie der Norddeutsche sagt: Das Irre an seiner Person ist gerade, dass er immer wieder auch liefert. Das E-Auto setzt sich aufgrund des zögerlichen Tuns der Hersteller von Verbrenner-Fahrzeugen nur schwer durch? Musk macht mit Tesla sein eigenes Werk auf und zeigt den anderen, wie das geht. Satelliteninternet ist kompliziert, langsam und teuer? Musk schießt einfach seine eigenen Starlink-Satelliten ins All und verzichtet auf Kooperationen mit etablierten Satellitenbetreibern. Und auch die Trägheit der NASA, die nach der erfolgreichen Mondlandung und dem Space-Shuttle-Programm anscheinend den Ehrgeiz verloren hatte, durchbrach er mit der Gründung von SpaceX. Plötzlich fieberten wieder Menschen am Bildschirm mit, wenn Astronauten ins All fliegen. Hierzu gesellt es sich gut, ein milliardenschweres Netzwerk einfach mal zu kaufen, weil man mit einigen Entwicklungen unzufrieden ist.

Was Steve Jobs und Elon Musk eint, ist der gegen jeden Widerstand und manchmal scheinbar auch gegen jede Vernunft durchgesetzte Wille, Dinge zu verändern. Dort, wo sich Menschen und Organisationen mehr mit sich selbst als mit der Sache beschäftigen, wo Umständlichkeit vor Einfachheit geht, kommen Leute wie er ins Spiel. Auch Steve Jobs war rücksichtslos: gegen Mitbewerber, gegen Etabliertes – und nötigenfalls auch gegen seine eigenen Mitarbeiter. Der Erfolg mit Apple sprach für ihn. Auch er übrigens war anfangs ein belächeltes, oft verkanntes Talent.

Twitter ist wie gemacht für jemanden wie Musk. Die Firma eiert seit vielen Jahren auf der Suche nach der richtigen Monetarisierungsstrategie herum. Nicht einmal einen Bearbeiten-Button kann das in seinem Erfolg erstarrte Netzwerk einführen.

Viele der 330 Millionen Nutzer lieben das Unvollkommene, das diese Kommunikationsplattform umweht. Auf Fragen wie den Umgang mit Hassrede fand das Netzwerk lange keine richtige Antwort. Der Vorstoß Musks, den Algorithmus öffentlich zu machen, klingt einfacher als es ist. Es wäre aber ein Schritt in die richtige Richtung, um eines der größten gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit anzugehen: Den unberechenbaren Einfluss der sozialen Netzwerke, die von schädlichen Kräften offenbar souveräner bedient werden als von den guten. Und auch sonst findet das Unternehmen bislang keine Antworten auf Fragen wie niedrigere Einstiegshürden, um für mehr Nutzer attraktiver zu werden, oder auf die Frage nach einem langfristig tragenden Geschäftsmodell.

Und wenn die Spötter und Kritiker doch recht haben? Wenn Musk den Laden gegen die Wand fährt? Nun, dann werden wir rückblickend halt einfach auf die andere Seite Twitters blicken, nämlich dass das Netzwerk sich selbst immer wieder viel zu wichtig genommen hat. Übrigens ist das auch eine Eigenschaft, die Twitter mit Elon Musk teilt.

(mki)