Kommentar: Warum wir endlich korrekte Corona-Zahlen brauchen

Die deutsche COVID-19-Politk ist datengetrieben, doch viele Daten sind ungenau. Wie kann es sein, dass es für die Ermittlung der Impfquote Umfragen braucht?

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(Bild: 1take1shot/Shutterstock.com)

Lesezeit: 3 Min.

Jeden Tag seit dem Frühjahr 2020 gibt es frische Zahlen und Daten zum Stand der Corona-Pandemie. Sie werden in Dashboards eingetragen und von den Medien in Livetickern vermeldet. Sie werden auf Twitter und Facebook kommentiert und von den Menschen furchtsam betrachtet. Wir erfahren so unter anderem die alles entscheidenden Inzidenzen, die Zahl der Corona-bedingten Intensivpatienten oder auch die Impfquote. Und wir wundern und erschrecken uns, warum erstere wieder so massiv zu steigen scheint und warum letztere offenbar so niedrig ist. Dabei kriegt doch jetzt jeder ganz leicht einen Termin! Die Politik wiederum nutzt all die Daten dazu, ihre Maßnahmen zu begründen, schließlich will man COVID-19-Erkrankungen oder gar Todesfälle vermeiden.

Wie sich nun allerdings nach und nach herausstellt, ist dieses unser SARS-CoV-2-datengetriebenes Leben zumindest teilweise auf Sand gebaut. Es begann damit, dass vor wenigen Wochen bekanntwurde, dass die Impfquote offenbar nicht stimmt. Ausgerechnet im Robert-Koch-Institut habe man Zweifel, dass die erhobenen Daten zu gering ausfallen, die Quote um 8 oder gar 10 Prozent zu niedrig angegeben wird. Die Deutschen sind also gar nicht solche Impfmuffel, wie uns bislang gesagt wurde?

Dann war zu lesen, dass Impfquoten teilweise auch mit Umfragen erhoben werden. Ich griff mir an den Kopf: Wir haben kein Impfregister? Wie werden die milliardenteuren Vakzinen denn dann abgerechnet? Es zeigte sich, dass etwa von Betriebsärzten Daten fehlen. Und dass es offenbar ein Problem darstellt, dass der Impfstoff von Johnson & Johnson nur einmal gespritzt wird und das die Datenerfasser anscheinend ziemlich verwirrt.

Schließlich kam in dieser Woche noch ein Interview hinzu, das der "Spiegel" bislang leider hinter seiner Paywall versteckt hat. Darin legt der renommierte Ökonom Gabriel Felbermayr vom Kieler Institut für Weltwirtschaft in leicht verständlichen Worten dar, dass die Politik offenbar gar nicht daran interessiert zu sein scheint, korrekte Daten zu erfassen. Versuche, zusammen mit renommierten Epidemiologen ein genaues Panel, das vielleicht einen einstelligen Millionen-Euro-Betrag gekostet hätte, aufzusetzen, um Impfvorangang und COVID-19-Durchseuchung zu erfassen, seien am fehlenden politischen Patronat gescheitert. "Man hat wohl von vornherein nicht daran geglaubt, dass man mit besseren, unabhängig erhobenen Daten zielgenauere Politik machen könnte. (...) Und vielleicht gab es sogar die Sorge, dass bei solchen repräsentativen Tests zu Pandemiebeginn relativ niedrige Infektionszahlen herauskommen könnten", so Felbermayr.

Ein Kommentar von Ben Schwan

Ben Schwan lebt als Journalist und Autor in Berlin, schreibt seit 25 Jahren über Technologie-, Forschungs- und Wissenschaftsthemen und lässt sich seine Begeisterung für Neues weder durch sich ständig wiederholende Hype-Zyklen, amoklaufende Sicherheitspolitiker noch technische Unzulänglichkeiten nehmen.

Fassen wir also zusammen: Seit anderthalb Jahren bekämpfen wir mit mehr oder weniger erfolgreichen Maßnahmen die Corona-Pandemie, werden in Lockdowns und Schulschließungen geschickt, hatten Berufsverbote, Ladenschließungen, eine Epidemie mentaler Probleme bei den Menschen, Gewalt in den Familien und Kinder, die aus dem Bildungssystem fallen. Und noch heute wird allein mit Inzidenzen gearbeitet, obwohl zahlreiche Wissenschaftler fordern, dies differenzierter zu sehen. Wozu machen wir das alles, wenn wir eigentlich nichts (oder zumindest nichts wirklich Genaues) wissen?

(bsc)