Kommentar: Weniger Ausflüchte, zeitgemäßerer IT-Betrieb – und zwar pronto!

Seite 2: Starrsinn ist keine Rechtfertigung

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Die eigentliche Begründung für das Ablehnen neuer Konzepte und Technik ist in den meisten Fällen viel banaler: "Das haben wir schon immer so gemacht" in Kombination mit "da könnte ja jeder kommen". Was vielerorts gar als Bonmot für den mangelnden Innovationswillen bei anderen Firmen genutzt wird, ist im eigenen Hause nicht weniger salonfähig. Bremser sitzen dabei auf praktisch allen Ebenen: Manager, die ihre Aufgaben und die Aufgaben ihres Teams nicht so strukturiert bekommen, dass der Abbau technischer Schuld durch die Einführung moderner Technologie möglich wird. Leitende Admins, die sich partout mit nichts Neuem befassen wollen und der festen Überzeugung sind, alles aus dem vorletzten Jahrzehnt bereits Bekannte sei für alle heutigen Herausforderungen völlig ausreichend. Ganz allgemein das diffuse Gefühl der Panik, die eigene Infrastruktur gar nicht gut genug zu kennen und beim Austausch möglicherweise in teure Probleme zu laufen. Controller, die Projekte für den Abbau technischer Schuld dann aber zügig wieder ausknipsen, weil ihnen der technische Sachverstand fehlt und ihnen mithin gar nicht klar ist, wieso solche internen Projekte dringend notwendig wären.

Apropos Controller: Dabei ist es keineswegs – wie vielerorts behauptet – so, dass allzu konservative Ansichten Unternehmen nicht schaden. Administratoren, die tagein tagaus dieselben Arbeiten erledigen, können sich nicht an der Entwicklung neuer Produkte oder neuer Dienste beteiligen. Fehler, die durch menschliches Versagen in Notfällen entstehen, finden üblicherweise nicht unmittelbar Eingang in Bilanzen. Bei vielen dominiert irgendwann zudem die Langeweile im Gespann mit einer gehörigen Portion Frust, sodass sie sich entnervt neue Herausforderungen bei anderen Arbeitgebern suchen und so zum Fachkräftemangel des ursprünglichen Unternehmens beitragen. All diese Konsequenzen sind aber nicht unmittelbare Folge eines spezifischen Ereignisses, sondern verdeckte Konsequenzen allgemeiner Technikfeindlichkeit.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Nicht einmal direkter und unmittelbarer Schaden führt vielerorts zum Umdenken. Die nach etlichen Jahren der Warteschleife nun endlich "scharfe" DSGVO etwa sieht explizite Strafen für Firmen vor, die beim Schutz ihrer Daten nicht zeitgemäß vorgehen. Zwar ist die DSGVO hier sehr schwammig, doch dürften Administratoren in vielen Unternehmen wohl daran scheitern, Datenschützern das lokale, meist "historisch gewachsene" Flickwerk als Security auf der Höhe der Zeit zu präsentieren. Und je nach Größe einer Bude kann das durchaus heftige Strafzahlungen nach sich ziehen. Statt tätig zu werden, sitzen viele Unternehmen das Risiko stattdessen aus, frei nach dem Motto "wird schon gut gehen".

Nota bene: Die Welt ist nichts schwarz-weiß und die beschriebenen Kritikpunkte treffen nicht auf sämtliche Unternehmen einheitlich zu. Gerade Großkonzerne wie VW haben in den vergangenen Jahren bewiesen, dass echte technische Innovation möglich ist, wenn man solche Projekte sinnvoll angeht und einen langen Atem hat. Der größere Teil der Industrie muss sich aber den Vorwurf gefallen lassen, in mancherlei IT-Hinsicht in der Pendeluhr zu schlafen.

Damit indes muss endlich Schluss sein: Zumindest wer heute neue Setups in der IT plant, darf nicht länger wie selbstverständlich Faktoren wie Automation und Lifecycle-Management ignorieren. Neue Sicherheitskonzepte wie Zero Trust müssen endlich in der Breite der gesamten Industrie Widerhall finden und zum Einsatz kommen, statt nur einer pseudo-hippen Elite bekannt zu bleiben. Wer Server mit 12 Jahre alten Betriebssystemen pflegt, hat die Kontrolle über seinen IT-Betrieb verloren und muss dringend mit dem eisernen Besen anrücken.

Das mag im Einzelfall bedeuten, langjährige Kundenbeziehungen infrage zu stellen, lässt sich letztlich aber nicht vermeiden. Container sowie Continuous Integration und Development sind zudem kein Teufelszeug, sondern erleichtern den IT-Einsatz bei korrekter Nutzung ganz erheblich. Weil die gesamte Industrie aktuell ohnehin in diese Richtung tendiert, tun Administratoren gut daran, sich mit den technischen und praktischen Grundlagen dieser Technologien zu beschäftigen.

Denn ewig gut gehen wird das aktuelle Betriebsmodell zweifelsohne nicht. Der Fachkräftemangel ist ja kein Hirngespinst, sondern eine reale Gefahr für eine ganze Branche, die perspektivisch eher schlimmer als besser werden wird. Die Fähigkeiten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sinnvoll im Sinne des Unternehmens einzusetzen, wird künftig also als Faktor für den Erfolg einer Firma noch deutlich wichtiger sein als es heute bereits der Fall ist. Betriebskonzepte müssen unbedingt auf Automation, implizite Sicherheit und Effizienz setzen, statt der Kack-IT der Vergangenheit ein Denkmal zu bauen. Die beste Gelegenheit, damit anzufangen, wäre vor 15 Jahren gewesen. Die zweitbeste Gelegenheit ist hier und jetzt. (fo)