Meinung: Balkonkraftwerke bis 3 kWp – das fehlt der Energiewende

Kleine PV-Anlagen über 600 Watt sind aufgrund der Hürden unattraktiv. Eine erweiterte vereinfachte Anmeldung könnte das ändern, meint Andrijan Möcker.

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(Bild: Erstellt mit Midjourney durch Pina Merkert)

Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Andrijan Möcker
Inhaltsverzeichnis

Balkonkraftwerke – kleine Photovoltaikanlagen bis 600 Watt – sind mit den Energiepreissteigerungen 2022 ein echtes Massenthema geworden. Alle dürfen die Sonnenkraftwerke selbst anschließen: Wer das Kleingeld, einen sonnigen Platz mit Steckdose in der Nähe und etwas handwerkliches Geschick besitzt, hat den Sonnenstromgenerator fix installiert.

Gerade Photovoltaik-Neulinge wundern sich oft darüber, wie einfach die Inbetriebnahme einer Anlage mit Mikrowechselrichter ist. Purzelt der Netzbezug auf dem Zähler, ist die Freude groß. Die voranschreitende Elektrifizierung bei Heizung und Warmwasser sowie das Interesse an E-Autos und Klimaanlagen lehren jedoch, wie wenig 600 Watt eigentlich sind – der Wunsch nach mehr ist oft schnell geboren.

Auf den ersten Blick sieht eine größere Kleinanlage im einstelligen Kilowattbereich ähnlich einfach aus, wie ein Balkonkraftwerk: Mikrowechselrichter gibt es nicht nur mit 600 Watt, sondern mittlerweile auch mit vier oder sechs Eingängen für Photovoltaikmodule und über 2000 Watt Ausgangsleistung. Gerade auf Flachdächern oder im Garten genügen vier Hände, um die Panels mal eben aufzubauen, zu ballastieren und an den Wechselrichter zu stecken. Klar, so große Erzeuger gehören nicht einfach in die Steckdose gesteckt, sondern vom Fachmann angeschlossen. Aber kann das nicht mal eben der Elektriker im Dorf erledigen und die Anlage beim Netzbetreiber melden? Pustekuchen!

Ab 601 Watt geht bei den meisten Netzbetreibern das volle Programm los: Allerhand Formulare wollen ausgefüllt, technische Zeichnungen und Stromlaufpläne erstellt und Datenblätter zusammengesucht werden. Da ist für die meisten PV-Heimwerker Schluss; auch Elektriker ohne Photovoltaikerfahrung werden bei manchen Formularen und Zeichnungen die Stirn runzeln.

Die Details des Verfahrens variieren von Netzbetreiber zu Netzbetreiber. Viele wollen zudem einen PV-Fachbetrieb als technisch Verantwortlichen auf dem Formular sehen. Durch das große Interesse sind die jedoch kaum erreichbar und bei so kleinen Anlagen häufig unverhältnismäßig teuer. Einen Betrieb zu finden, der einen Eigenbau dokumentiert und anmeldet, ist derzeit schiere Glückssache.

Ein Kommentar von Andrijan Möcker

Andrijan Möcker ist seit 2016 im Hardware-Ressort bei c’t. Er schreibt unter anderem über Photovoltaik und Netzwerke.

Wie stark diese Hürden den Bau kleiner PV-Anlagen und damit auch die Energiewende bremsen, sieht man im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur: Heute sind gerade einmal etwas über 133.000 Installationen mit 0,7 bis 3 Kilowatt Ausgangsleistung eingetragen. Dagegen stehen 2,4 Millionen Anlagen mit mehr als 3 Kilowatt.

Die hohen Kosten und der lästige Papierkram sorgen dafür, dass kleine Flächen für Photovoltaik über 600 Watt unattraktiv sind. Das ist wirklich bedauerlich, denn größere Mikrowechselrichter könnten Laien nach Vorbereitung durch einen Elektriker genauso leicht anschließen. Leider regt die Einschränkung auch zu Ressourcenverschwendung an: In einschlägigen Facebookgruppen liest man von Leuten, die mehrere Kilowatt Panel-Leistung an 600-Watt-Wechselrichter anschließen; ein Onlineshop verkauft einen auf 600 Watt gedrosselten 1500-Watt-Mikrowechselrichter.

Eine erweiterte vereinfachte Anmeldung bis 3 Kilowatt könnte den Anstoß für eine neue Welle kleiner Photovoltaikanlagen geben, die nicht nur leicht zu installieren, sondern auch wirtschaftlich interessant für viele sind. Netzbetreiber könnten sich und die Betreiber entlasten, in dem sie auf umfangreichen Papierkram verzichten und sich mit einem Webformular, Wechselrichterprüfzertifikaten, einigen Fotos sowie einem Installationsnachweis eines eingetragenen Elektrikers zufriedengeben. Das ins Marktstammdatenregister zu integrieren, würde den Prozess zusätzlich beschleunigen, weil zig individuelle Formulare vermieden wären.

Natürlich darf die elektrische Sicherheit trotzdem nicht zu kurz kommen: Eine Absicherung mit Fehlerstromschutzschalter muss sein, ein Überspannungsschutz wäre sinnvoll. Beides kennt der typische Elektriker heute aber und könnte es leicht in einem vorgeschalteten Kleinverteiler unterbringen – eine durchgehende Leitung von der Unterverteilung, etwa die der Außensteckdose oder Gartenhütte, zum Installationsort vorausgesetzt. Dazu könnte er die Anlage noch auf die Phase legen, die im Haus die größten Leistungsnehmer hat, wenn die eingesetzten Wechselrichter einphasig arbeiten. Und 3 Kilowatt, weil das noch einige hundert Watt unterhalb der üblichen Absicherung für die typische 1,5-mm²-Leitung liegt.

Um zu vermeiden, dass übermütige Heimwerker mit hunderten Volt Gleichspannung von Photovoltaik-Reihenschaltungen herumhantieren und diese vielleicht sogar ohne vernünftigen Generatoranschlusskasten und Trennschalter anstecken, darf die Diskussion um eine Eingrenzung auf Mikrowechselrichter nicht ausbleiben. Weitere Nachweise für die ordnungsgemäße Installation eines Stringwechselrichters wären eine Alternative. Selbst, wenn die Normungsgremien den Stringwechselrichter am Ende ausschließen würden, täte das der Sache keinen Abbruch, denn Mikrowechselrichter sind kaum teurer und nach den Elektrikerarbeiten nur noch Plug & Play.

Damit die Energiewende klappt, benötigen wir jedes Watt an grüner elektrischer Leistung, das wir bekommen können – auch das von den kleineren Flächen. Nicht nur von großen Dächern, sondern auch von Garagen und Carports, aus Gärten und von deren Häuschen; von überall dort, wo Solarmodule Platz finden.

Und das geht! Nicht nur irgendwie, sondern sehr sicher und das mit günstiger Massenware. Wie zuvor bei Balkonkraftwerken müsste man nur an einigen Stellen einen Gang zurückschalten und sich auf Kompromisse einlassen. Nur so kann die Energiewende beschleunigt und erfolgreich werden.

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