Kommentar zum Coronavirus: COVID-19 ist keine einfache Grippe

Seite 2: Mithelfen notwendig

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Noch windet sich die Bundesregierung. Bundesgesundheitsminister Spahn empfiehlt zwar die Absage von Veranstaltungen mit über 1000 Teilnehmern, eine Absage der CDU-Vorsitzendenwahl mit 1001 Delegierten will er jedoch noch nicht vorhersagen. Auch bei Bundesligaspielen sollen die örtlichen Gesundheitsbehörden entscheiden – und die Bürger selbst, an deren Eigenverantwortlichkeit er appelliert. "Auf was kann man leichter verzichten: Auf das Fußballspiel oder den Weg zur Arbeit?", fragte der Minister etwa am Montag.

Wie auch immer man die Handlungen der Bundesregierung bewertet – wahr ist: Ohne die aktive Mithilfe der Bürger geht es nicht. Zwar sind viele Maßnahmen die gleichen wie bei der Vorsorge einer normalen Grippe-Epidemie – doch hier haben wir einen großen Nachholbedarf. Zum Beispiel ist korrektes Händewaschen bisher alles andere als die Norm, wie man etwa in öffentlichen Toiletten beobachten kann.

Auch die Angewohnheit sich mit handfesten Erkältungssymptomen erst in den Nahverkehr und dann zum Arbeitsplatz zu schleppen, muss nicht nur kurzfristig infrage gestellt werden. Eine Unbedarftheit in medizinischen Fragen kann sich ebenfalls rächen: So scheinen viele Leute den Unterschied zwischen einer viralen Grippe und einem eher harmlosen grippalen Infekt trotz jahrelanger Impfkampagnen immer noch nicht verinnerlicht zu haben.

Eine gewisse mediale Hysterie ist leider nicht zu vermeiden. Bis auch der letzte die wichtigsten Botschaften zur Krankheitsvermeidung vernommen und die Notwendigkeit zum Teil schmerzhafter Einschnitte vermittelt bekommen hat, müssen die Informationen in Dauerwiederholung auf allen möglichen Kanälen verbreitet werden. Um tatsächlich Verhaltensweisen zu ändern, benötigt es sozusagen eine wohltemperierte Panik, die den Einzelnen hindert, das Phänomen zu ignorieren, gleichzeitig aber ihnen Chancen und Anreize gibt, das Richtige zu tun und nicht das eigene Glück mit einem schwunghaften Schwarzmarkthandel mit Desinfektionsmitteln zu versuchen. Stattdessen ist Solidarität gefragt, wenn etwa Kollegen nicht zur Arbeit erscheinen, Freunde und Nachbarn zu Hause in Quarantäne festsitzen oder Gefährdete sich nicht selbst ohne Risiko versorgen können.

In der Krise offenbaren sich Probleme, die sonst eher toleriert werden. Wenn Arbeitgeber wie selbstverständlich voraussetzen, dass Mitarbeiter auch mit Erkältungssymptomen weiter am Arbeitsplatz erscheinen, kann dies zu einer Betriebsstilllegung führen, wenn sich ein solcher Kollege als Coronavirus-Patient entpuppt. Wer seinen Angestellten nicht vertrauen kann, dass sie verantwortungsbewusst mit vereinfachten Krankschreibungs-Regeln umgehen, hat auch außerhalb der Krise ein Vertrauensproblem. Solidarität benötigen auch die vielen, die von den Maßnahmen betroffen sind, aber keine Lohnfortzahlung oder staatlichen Hilfen erwarten können.

Eine Parallele zur IT-Sicherheit drängt sich fast auf: So haben die Erpressungs-Trojaner wie Emotet nicht den beklagenswerten Zustand der IT in Unternehmen und Behörden ausgelöst, aber schmerzhaft zugespitzt, sodass ein "Weiter so" nicht mehr möglich ist. SARS-CoV-2 hat etwa gezeigt, dass Produktion, Vorratshaltung und Verteilung wichtiger Güter wie Atemschutzmasken und Desinfektionsmittel dringend überarbeitet werden müssen.

Vielleicht finden sich ja in der Krise positive Aspekte. So können Arbeitgeber die zwangsweise erworbenen Erfahrungen mit dem Home-Office nutzen, um ihre Arbeitsabläufe zu verbessern. Vielleicht entdecken mehr Leute das Fahrrad als geeignetes Transportmittel für den Arbeitsweg. Vielleicht verlernen wir aber auch das korrekte Händewaschen wieder und haben lediglich etwas mehr Klopapier für die nächsten Wochen im Vorrat. Es wäre eine verpasste Gelegenheit. (mho)