Missing Link: IETF im Interessenkonflikt – kuriose Ideen für Standardisierungen

Seite 2: Top-Level-Domains und Privatsphäre

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Mindestens ebenso politisch ist die Aufforderung von GNU-Entwickler Christian Grothoff, Professor an der Hochschule Bern, die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) möge doch bitte künftig davon absehen, neue Top Level Domains zu vergeben. Das nämlich wäre gut für die Nutzer des bei der Prager IETF vorgestellten GNU Name System (GNS), denn es würde GNS-Namen mehr globale Sichtbarkeit erlauben, wenn jene das wollen.

Anders als fürs DNS sind GNS-Namen zwar nicht auf Eineindeutigkeit angelegt. Die Nutzer wählen selbst ihre Namen. Zuordnung und Auffindbarkeit über Distributed Hash Tables werden über die erzeugten Schlüsselpaare gelöst. Die Auflösung von DNS-Namen ist für die GNS-Nutzer mit eingebaut. Grothoff warb bei den wenig beeindruckten IETF-DNS-Experten damit, man sei auch bereit, Namen für interessierte Organisationen in die Software einzutragen, gegen einen kleinen Sponsoringbeitrag für GNU. Das sei viel billiger als die 130.000 Dollar Basisantragsgebühr bei der ICANN.

Vor allem aber ist man bei GNU natürlich von den technischen Vorzügen des eigenen dezentralen Systems überzeugt. Die im Rahmen von DNS über HTTPS breit diskutierten Datenschutzprobleme wären passé. Der GNS-Vorschlag gehört sicherlich nicht zu denen, die bei der IETF groß rauskommen. Im Gegenteil, die DNS-Operations-Arbeitsgruppe arbeitet gerade daran, die laut einem von Apple eingeführten RFC mögliche Zulassung von "Sonder-TLDs" durch die IETF wieder einzuhegen. Zuletzt hatte .tor davon profitiert.

So einfach los wird die IETF die Newcomer von Seiten der Strafverfolgung wie vom Datenschutz nicht. Die Pretty-Easy-Privacy-Stiftung bemüht sich aktuell, eine neue IETF-Arbeitsgruppe für mehr Nutzerfreundlichkeit von verschlüsselten E-Mails ins Leben zu rufen. User-Interfaces gehören zwar genauso wenig zum Geschäft der IETF wie die Business-Modelle der Markenlogo-Vertreter, versichern die alten Haudegen, und mancher Ingenieur wäre gerne auch die lästige IRTF-Gruppe "Grundrechtsaspekte in der Protokollentwicklung" wieder los. Aber in Prag wurde vielmehr die Frage laut, ob man nicht sogar eine eigene, neue IETF-Arbeitsgruppe braucht, die sich zentral um das Thema Datenschutz und Privatheit kümmern sollte. (tiw)