NFT: Am originalsten durch Umweltsünde

NFTs sind derzeit in aller Munde und werden als die nächste digitale Revolution dargestellt. Dieser Fortschritt geht aber mit Folgen für die Umwelt einher.

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Von
  • Benjamin Kraft

Mit digitalen Waren Geld zu verdienen ist nicht ohne Tücken. Man denke nur an die Musikkonzerne, die Mitte der 2000er um Haaresbreite eingegangen wären, weil sie sich im Zeitalter der Digitalisierung an analoge Geschäftsmodelle klammerten. Ihr Problem: Digitale Kopien lassen sich schnell, einfach und unkontrolliert verbreiten und büßen dabei gegenüber der Vorlage nichts an Qualität ein – sie sind faktisch ein zweites, drittes, x-tes Original.

Nun ist der Mensch ein Sammler; er liebt das Einzigartige. Doch wie monetarisiert man ein digitales Original, wenn ihm alle Kopien ebenbürtig sind? Darf ich vorstellen: das Non-Fungible Token, alias NFT. Wer dieses selbstverständlich per Blockchain abgesicherte Eigentumszertifikat hält, darf stolz verkünden, seine Kopie sei die originalste. Obwohl das niemanden davon abhält, andere Kopien anzufertigen, zu besitzen, zu nutzen und weiterzugeben, es in der Regel also keinerlei Exklusivität gibt, scheint das bei einigen Leuten wirklich zu ziehen; sie blättern dafür atemberaubende Summen hin, in der Hoffnung, der Wert werde schon steigen.

Der eigentliche Aufreger für mich: Der Verkauf eines NFT hat eine ebenso verheerende Energiebilanz wie alle anderen Blockchain-Geschäfte. Nach anfänglichem Geek-Enthusiasmus für die Krypto-Schürferei erschüttert mich die menschliche Gier inzwischen nur noch. Wir verheizen im Wortsinn unseren Planeten, um damit prahlen zu können, einen virtuellen Gegenstand zu besitzen, den wir mit einer unregulierten digitalen Währung bezahlen. Dass in den Führungsetagen von Firmen wie Adobe Loblieder auf NFT gesungen werden und ausgerechnet der vorgebliche Dekarbonisierungsvorreiter Tesla in Bitcoin investiert, lässt mich vollends verzweifeln.

Mein Appell lautet daher: Wenn Sie Ihren Lieblingskünstler finanziell unterstützen wollen, dann tun sie es via Patreon, Ko-Fi oder über ähnliche Plattformen. Und wenn Sie (wie ich) ungenutzte Rechenleistung sinnvoll einsetzen wollen, schließen Sie sich einem der vielen verteilten Rechenprojekte an, die das Universum besser verstehen oder Krankheiten besiegen wollen.

Benjamin Kraft

c’t Ausgabe 11/2021

In c’t 11/2021 untersuchen wir die Chancen und Risiken von Kryptogeld. Außerdem zeigen wir, wie Sie den Ton im Videocall verbessern können, wir haben 4K-Monitore mit USB-Dock und Tischaufsätze fürs Homeoffice getestet und Software fürs Vereinsmanagement. Sie erfahren, wie Sie den Raspi blitzschnell einrichten, Fotos per KI entrauschen und mit 3D-Fotos Googles Street View bereichern können. Ausgabe 11/2021 ist ab dem 7. Mai im Heise-Shop und am gut sortierten Zeitschriftenkiosk erhältlich.

(bkr)