Kommentar: Danke für Ihre Geduld mit unserem Datenschutz

Konstant fallen Unternehmen wegen ihres mangelhaften Datenschutzes auf. Doch hinter den Gesetzesverstößen steht eine klare Abwägung zwischen Risiko und Chance.

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  • Alexander von Chrzanowski

Ein großes Digitalunternehmen wird wegen Gesetzesverstößen belangt, kauft sich im Rahmen eines Vergleiches frei, stellt das Verhalten als längst überholt dar und gelobt Besserung. Es ist die Wiederkehr des ewig Gleichen: Mal wieder geht es um Google und Datenschutzverstöße.

Alexander von Chrzanowski

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Alexander von Chrzanowski

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Alexander von Chrzanowski, LL.M. ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeits- und IT-Recht sowie Certified Information Privacy Professional (Europe) bei Rödl & Partner in Jena. Er berät und vertritt Unternehmen im IT- und Arbeitsrecht, insbesondere an der Schnittstelle zum Datenschutzrecht.

Diesmal wurde Google vorgeworfen, seine Nutzer ausdrücklich getäuscht zu haben: Das Unternehmen hatte seinen Nutzern die Option eingeräumt, den Standortverlauf in Mobilgeräten abzuschalten und die Orte, an denen sich die Nutzer aufhielten, dann nicht mehr zu verfolgen. Dennoch sollen die Standortdaten weiterhin über andere Quellen, unter anderem Web- und App-Aktivitäten der Anwender, erhoben und für standortbezogene Werbung von Google verwendet worden sein.

Im September 2023 hat sich Google hierzu mit dem US-Bundesstaat Kalifornien ohne Anerkennung eines schuldhaften Verhaltens zur Zahlung von 93 Millionen US-Dollar sowie zu größerer Transparenz der Standortverfolgung verpflichtet. Zudem wies Google darauf hin, dass die Angelegenheit auf veralteten Produktrichtlinien beruhe, die schon vor Jahren geändert wurden. Mit 40 weiteren Bundesstaaten hatte Google bereits im November 2022 eine ähnliche Einigung zu dem Vorwurf erzielt.

Zwar trifft es zu, dass die Einhaltung von Datenschutzvorschriften teilweise mühselig ist. Das kann auch die nach Art. 5 DSGVO ausdrücklich geforderte Transparenz der Datenverarbeitung betreffen, einen der Datenschutzgrundsätze der DSGVO. Beim Einsatz komplexer Software kann es für die Verantwortlichen durchaus herausfordernd sein, gegenüber betroffenen Personen die Art und Weise der Datenverarbeitung transparent darzustellen. Dies gilt erst recht, wenn die Verantwortlichen selbst die Verarbeitung nicht vollständig verstehen (können) und die Software-Hersteller ihren vertraglichen Nebenpflichten zur Information über ihre Produkte nicht nachkommen.

Hier wurde Google jedoch nicht vorgeworfen, Anforderungen versehentlich verfehlt zu haben – vielmehr sollen ausdrücklich irreführende Informationen erteilt worden sein. Ein künftiger Handlungsvorschlag könnte daher aus Googles ursprünglichem Motto kommen, "Don't be evil", wonach jedenfalls erteilte Informationen auch inhaltlich zutreffend sein sollten. Bei dem derzeitigen Motto der Holdinggesellschaft Alphabet Inc., "Do the right thing", wird dagegen sicher nur zufällig nicht ganz klar, für wen eine Handlung eigentlich die richtige sein soll.

Damit erinnert Googles Versprechen künftiger Besserung aus der Vereinbarung an die Filmsatire Thank you for Smoking" aus dem Jahr 2006. Dort stellt der Lobbyist und Pressesprecher des "Forschungszentrums für Tabakstudien" unter anderem die Bemühungen der Tabakindustrie dar, ihren Kunden verlässlich Gutes zu tun – schließlich nutzen tote Konsumenten niemanden, sie sollten vielmehr lange leben und weiter rauchen.

Dennoch sind Digitalunternehmen teilweise ganz gut damit gefahren, die Grenzen des Rechts auszutesten. So hatte beispielsweise Google selbst 2002 damit angefangen, gedruckte Bücher massenhaft zu scannen, per Texterkennung (OCR) zu erschließen und Ausschnitte davon, sogenannte Snipetts, im Rahmen der eigenen Internet-Suchergebnisse anzuzeigen. Der Google Books genannte Dienst beschränkte sich zunächst auf urheberrechtsfreie Werke. Ab 2004 erstreckte das Unternehmen ihn jedoch auch auf urheberrechtlich geschützte Werke und arbeitete dafür mit verschiedenen Universitätsbibliotheken zusammen. In mehreren Gerichtsverfahren wurde Google dafür seit 2005 wegen Urheberrechtsverstößen in Anspruch genommen, die 2013 und 2015 in erster und zweiter Instanz zugunsten von Google entschieden wurden. Die Ausgestaltung des Dienstes mit der Anzeige der bloßen Schnipsel verletzte das amerikanische Urheberrecht und dessen Schranke des sogenannten Fair Use nicht, das Vorgehen von Google war rechtmäßig.

Im Beschäftigten-Datenschutz hat Anfang des Jahres Amazon einen Erfolg gegen die Datenschutzaufsicht Niedersachsen errungen. Das Verwaltungsgericht Hannover erachtete die umfangreiche Verarbeitung personenbezogener Daten nahezu der gesamten Belegschaft eines Warenlagers für zulässig. Das Besondere ist, dass beinahe jeder Handgriff fast jedes Beschäftigten per Handscanner nachverfolgt wird – und so nicht nur der Warenfluss der Artikel für den Versand, sondern zudem die individuellen Arbeitsleistungen der Beschäftigten während der gesamten Arbeitszeit ununterbrochen gemessen werden. Mit den Daten wertet Amazon die individuelle Arbeit der Beschäftigten bei den verschiedenen Tätigkeiten und Einsatzarten im Warenlager aus.

Um es klar zu sagen: Neben kurzfristigen Personalanpassungen bei Leistungsspitzen in den verschiedenen Bereichen setzt der Konzern die erhobenen Informationen explizit auch für die Leistungsbeurteilung der Beschäftigten ein. Das Verwaltungsgericht hat die Datenerhebung und Verarbeitung zur Erfüllung der Lieferversprechen von Amazon als erforderlich akzeptiert und auch die Verwendung zur Leistungsbeurteilung noch für zulässig erklärt. Eine Berufung der Datenschutzaufsicht, die das Vorgehen untersagt hatte, ist anhängig.

Die Beispiele zeigen, dass ein rechtlich grenzwertig erscheinendes Vorgehen durchaus erfolgreich sein kann – oder jedenfalls für einen gewissen Zeitraum. Dabei sind die rechtlichen Gefahren bei Verstößen gegen das Datenschutzrecht bekannt: Aufsichtsbehörden können Untersuchungen durchführen, Bußgelder verhängen und die Untersagung von Verarbeitungen durchsetzen. Betroffene Personen können jedenfalls schlecht organisierte Unternehmen mit Auskunftsansprüchen beschäftigen und bei Datenschutzverstößen Ersatz erlittener Schäden verlangen. Schließlich können Wettbewerber Unterlassungsansprüche durchsetzen.

Unternehmen müssen sich daher überlegen, ob sie auf rechtlich gesicherten Pfaden wandeln oder eher aggressiv die sich bietenden Geschäftschancen ergreifen wollen und gewisse, begrenzte Risiken eingehen wollen.

Schließlich heißt es ja, dass der frühe Vogel den Wurm fängt. Andererseits kriegt erst die zweite Maus den Käse (aus der Falle).

(fo)