Leistungsüberwachung: Amazon gewinnt vor Gericht gegen Datenschutzbehörde

Amazon darf mit Handscannern permanent die Arbeitsgeschwindigkeit seiner Mitarbeiter überwachen. Das hat am Donnerstag ein Verwaltungsgericht entschieden.

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(Bild: Amazon)

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Amazon darf in seinem Logistikzentrum in Winsen (Luhe) bei Hamburg weiterhin und unverändert die Arbeitsgeschwindigkeit der Mitarbeiter mithilfe von Handscannern überwachen. Das entschied das Verwaltungsgericht Hannover am Donnerstag (Az. 10 A 6199/20) nach einem bemerkenswerten Verhandlungstag: Das Verfahren fand vor Ort bei Amazon in Winsen statt, wobei die Richterinnen und Richter sich auch von Amazon durch das Logistikzentrum führen ließen.

Mit seinem Urteil erklärt das Gericht eine Verfügung der niedersächsischen Datenschutzbehörde für rechtswidrig. Die Behörde hatte Amazon die "ununterbrochene jeweils aktuelle und minutengenaue Erhebung und Verwendung bestimmter Beschäftigtendaten" untersagt. Dagegen wehrte Amazon sich mit der Klage vor dem Verwaltungsgericht, sodass die Verfügung nicht rechtskräftig wurde.

Die entscheidende Frage des Tages war die der Verhältnismäßigkeit: Was wiegt schwerer – das Interesse Amazons, die Abläufe im Logistikzentrum zu optimieren und die Leistung der Mitarbeiter zu überwachen oder der Schutz der Menschen vor der Erfassung jedweden Arbeitsschritts?

Die Abwägung sei "sehr schwierig" gewesen, erklärte die Vorsitzende der Kammer: "Wir haben keine Zweifel, dass es einen Anpassungs- und Überwachungsdruck gibt." Dies gelte besonders für die befristet Beschäftigten. Doch die Interessen Amazons seien gewichtiger.

Zur Begründung führte das Gericht unter anderem an, dass die Überwachung auch positiv auf die Mitarbeiter wirke, da sie objektives Feedback ermögliche. Sie reduziere zudem Stress, da Mitarbeiter "gemäß ihres Könnens" eingesetzt werden könnten. "Das führt zu gleichmäßigerer Lastenverteilung und geringerer Frustration".

Es gehe außerdem nicht um besonders sensible Daten oder eine Verhaltenskontrolle, sondern nur um die Leistung. Obendrein habe das Gericht den Eindruck gewonnen, dass dem Betriebsrat "wegen der Überwachung nicht die Bude eingerannt wird".

Aus Sicht der Richter ist die Verfügung der Datenschutzbehörde noch aus einem weiteren Grund rechtswidrig: Sie sei gar nicht geeignet, die Rechte der Mitarbeiter zu schützen. Da die Behörde bloß "ununterbrochene" Datenerfassung untersagt habe, könne Amazon den Prozess für eine Minute oder Sekunde unterbrechen und sogleich fortsetzen, womit den Mitarbeitern aber nicht geholfen wäre.

Zur "Beweisaufnahme" befragte das Gericht auch eine ehemalige sowie den aktuellen Betriebsratsvorsitzenden. Dabei kam unter anderem zur Sprache, dass Amazon die per Handscanner erfassten Daten zur Arbeitsgeschwindigkeit nicht nur für Personalentscheidungen und spontane "Feedbackgespräche" verwendet, sondern die Mitarbeiter an bestimmten Stationen ihren aktuellen Geschwindigkeitswert auch ständig angezeigt bekommen.

Grundsätzlich erfassen die Mitarbeiter mit den Handscannern, welches Produkt sie in welchen Transportkorb oder welches Regalfach gelegt haben. Amazon nutzt diese Daten nicht nur zur Qualitätssicherung und zur Vermeidung von Warenstaus im Logistikzentrum, sondern verknüpft sie auch mit den Profilen der Mitarbeiter.

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"Die Urteilsbegründung konnte uns nicht vollständig überzeugen, da seitens des Gerichts der Überwachungsdruck anerkannt wurde, aber die Interessen Amazons als höherwertig eingestuft worden sind", erklärte ein Sprecher der Datenschutzbehörde. Die Tatsache, dass das Gericht eine Berufung zugelassen hat, sei ein Hinweis darauf, dass auch eine andere Sichtweise nicht als abwegig angesehen werde. Ob die Behörde in Berufung gehe, sei noch offen.

Amazon erklärte: "Wir freuen uns über die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hannover." Warenwirtschaftssysteme seien branchenüblich, und Untersuchungen zeigten, dass sie sich positiv auf die Arbeitserfahrung der Mitarbeiter auswirken.

(cwo)