Saurer Apfel

Apple spielt bei seinem populären Smartphone den Hardliner: Nur mit Hilfe von Hacker-Tricks kann man für die Plattform Software entwickeln. Erica Sadun, eine der bekanntesten Figuren der iPhone-Programmiererszene, hat wenig Hoffnung, dass sich das ändert.

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Erica Sadun ist Doktorin der Informatik (Georgia Institute of Technology), profilierte IT-Buchautorin und bloggt unter anderem für das populäre "The Unofficial Apple Weblog" (TUAW). Sie gehörte zu den ersten, die die iPhone-Plattform zum Schreiben eigener Programme verwendete, nachdem das Handy kurz nach dem Verkaufsstart von einem internationalen Programmiererteam "aufgeschlossen" wurde. Inzwischen gibt es mehrere Hundert kostenlose Software-Titel, die die Funktionalität des Gerätes teilweise deutlich erweitern.

Apple selbst bietet hingegen nach wie vor keine offizielle Entwicklerschnittstelle an und geht gegen die Hacker inzwischen sogar mit neuen Updates vor, die das Programmieren durch unautorisierte Dritte gänzlich unmöglich machen sollen. Der Computer- und Unterhaltungselektronikkonzern hat sich damit weltweiten Nutzerunmut und Spott der Konkurrenz zugezogen – auch, weil diese harte Linie dem offenen Image der Firma widerspricht. Im Interview mit Technology Review spricht Sadun über den Kampf Apples gegen die Hacker – und die mögliche Motivation hinter dem strikten Vorgehen.

Technology Review: Frau Sadun, wie kamen Sie selbst zum iPhone-Programmieren?

Erica Sadun: Ich habe mich zunächst mit Apples Set-Top-Box AppleTV beschäftigt und dafür Software-Plug-ins geschrieben – und war fasziniert von den Möglichkeiten eines integrierten Mac OS X-Betriebssystems. Als das iPhone dann herauskam, war es ein natürlicher Schritt, mir auch das näher anzusehen.

Inzwischen arbeite ich an mehreren Büchern zum Thema, darunter auch eines, in dem es um das Programmieren für die Plattform gehen soll. Das werde ich aber nur dann fertig stellen, wenn es dafür auch noch ein Publikum gibt. Danach sieht es aktuell leider nicht mehr aus – obwohl die notwendigen Programmier-Frameworks längst auf dem Handy sind.

TR: Hätten Sie erwartet, dass sich Apple beim iPhone als Hardliner profiliert und das Gerät derart geschlossen hält? Eine solche Monopolisierung der Plattform hätten viele Fans der Marke mit dem Apfel nicht erwartet.

Sadun: Nein, das hätte ich auch nicht gedacht. Andererseits ist Apple ein Konzern – und als solcher geht es ihm um Dollar, Cent und Profite.

Es ist auch deshalb überraschend, weil Apple die Firma war, die es mit ihrer Software ResEdit einst allen Nutzern und Entwicklern erstmals ermöglichte, Anwendungen von Anfang an anzupassen und ganz speziell auf eigene Bedürfnisse abzustimmen. Die Steve Jobs-Firma NeXT schuf hier ein ganz neues Bastel-Niveau, das in der Mac OS X-Programmierplattform Xcode weiterlebt – man kann dort nahezu ohne Nachzudenken alles verändern. Nun, bei den neuen Embedded-Plattformen wie AppleTV und iPhone, hat Apple diese Programmiererunterstützung einfach abgeschnitten – zur Verwunderung vieler langjähriger Entwickler.

Andererseits war aber auch der Musikspieler iPod immer eine geschlossene Plattform, an der die Endnutzer fast nichts verändern konnten. Bei iPhone und iPod Touch erlaubt Apple nun nur noch, dass man Web 2.0-Anwendungen im Browser der Geräte nutzen kann. Da das iPhone nichts anderes als ein mobiler OS X-Computer ist, kann man das schon sehr schade finden. Im Gegensatz zu allen anderen OS X-Plattformen sagt Apple hier, dass die Entwicklung durch Dritte nicht willkommen ist.

TR: Was ist der genaue Grund dafür, dass Apple die iPhone-Plattform derart verschließt? Die Begründung, dass bei einer Öffnung die Sicherheit der Handy-Netze gefährdet wäre, klingt wenig überzeugend. Schließlich bieten auch diverse andere Anbieter wie Nokia oder Microsoft eigene Programmierplattformen für Mobiltelefone an.

Sadun: Wir wissen inzwischen, dass es nicht an den Bedenken beim Netzbetreiber liegt, dass es dadurch zu Beeinträchtigungen der Sicherheit kommen könnte. Der iPod Touch, der grundlegend auf der gleichen Software wie das iPhone basiert, wird von Apple ebenfalls als geschlossene Plattform betrachtet – dieser Angstmacher zählt also nicht mehr.

Die nächste Möglichkeit wäre dann noch die Absicherung des Onlinemusikladens iTunes, den Apple seit dem letzten Update für iPhone und iPod Touch anbietet. Allerdings läuft iTunes seit langem auf Macintosh- und Windows-Maschinen – und die sind ja ebenfalls theoretisch hackbar. iTunes ist dennoch sehr sicher.

Es bleibt also kein realistischer Grund mehr übrig, was Apple zu dieser Politik zwingen könnte – außer vielleicht folgendem: Dass die Firma Geld mit Programmen verdienen möchte, die sie als "Made for iPod" und "Made for iPhone" zertifiziert. Das ist eine Art iPod-Steuer. Apple verdient schon heute enorm viel Geld an Zubehörprodukten für den iPod – das ist ein gigantischer Markt. Alle Firmen, die das "Made for iPod"-Logo auf ihren Produkten haben wollen, zahlen Geld. Im Umkehrschluss verdient Apple keinen Pfennig an Produkten von Drittherstellern, die dieses Label nicht benötigen.

Das gilt übrigens nicht nur für Hardware. Apple hat bereits mit Spielen experimentiert. Electronic Arts und verschiedene andere Anbieter verkaufen ihre iPod-Games inzwischen über iTunes – und ich kann mir gut vorstellen, dass Apple daran profitabel mitverdient.

Ich sehe also einen baldigen Anwendungsverkauf durch Apple als wahrscheinlichsten Grund dafür an, die Plattform geschlossen zu halten. Auch deshalb, weil die Bildschirme des iPhone und des iPod Touch keineswegs vollständig aussehen – da ist noch viel Platz für andere Programm-Icons.

TR: Neben der fehlenden Programmierschnittstelle für Drittanbieter besitzt das iPhone auch noch einen so genannten Simlock, der es jeweils an ein Mobilfunknetz bindet – in Deutschland wird es ab November T-Mobile sein. Für so teure Smartphones ist das insbesondere in Europa sehr ungewöhnlich.

Sadun: Das ist noch nicht alles. Auch dass man die UMTS-Anbindung weggelassen hat, ist für Europa äußerst verwunderlich – und macht es schwierig, mit anderen Angeboten zu konkurrieren. Was den Simlock auf T-Mobile anbetrifft, glaube ich nicht, dass das viele Kunden in Deutschland wirklich freudig akzeptieren werden – außer denjenigen, die unbedingt Zugriff auf das Gerät haben wollen. Außerdem ist die Unterstützung für Fremdsprachen bei der iPhone-Tastatur noch nicht so gut, wie sie sein könnte.

TR: Warum Apple den Simlock einbaut, ist klar – das Unternehmen wird an den Gesprächsumsätzen mitverdienen und kann das nur dann, wenn die Nutzer das Netz seines Vertragspartners verwenden. Für viele Apple-Fans wirkt diese Taktik geradezu firmenuntypisch, gar "böse", wie man es eher vom "Bad Guy" der IT-Branche – Microsoft – erwarten würde.

Sadun: Über die Moral dahinter will ich mich hier nicht äußern. Was man aber sagen kann, ist, dass Apple das iPhone als etwas ganz besonderes vermarktet. Eine Art Kunstwerk, etwas, das über das hinaus geht, was man von einem Telefon erwartet. Billige Handys gibt es ja überall. Was man mit dem iPhone kauft, ist eine "Experience", die es von der Konkurrenz unterscheidet. Genau deshalb ist sich Apple offenbar sehr sicher, dass die Firma mit solchen Dingen durchkommt, obwohl ziemlich viele Kunden sauer sind.

Außerdem gibt es ja verschiedene Gruppen von Nutzern. Die Anzahl derjenigen, die sich für Hacks und technische Dinge interessieren, ist verhältnismäßig klein, wenn man einmal die gesamte iPhone-Zielgruppe betrachtet.

TR: Glauben Sie, dass Apple seine Position dennoch überdenken wird? Der Druck aus dem Internet, die Plattform zu öffnen, ist doch aktuell sehr groß.

Sadun: Apple ist bestimmt nicht dumm. Die Firma wird also das tun, womit sie am meisten verdient und gleichzeitig die Zukunft des Unternehmens sicherstellt. Die letzte Software-Version 1.1.1 von iPhone und iPod Touch wirkt dennoch so wie ein großes Schild, auf dem steht, dass die Hacker gefälligst draußen bleiben sollen. Die Absicherung ist sehr solide. Doch was Apple in Zukunft tut, weiß nur Apple selbst. (bsc)