Star Trek: Picard – ein Boomer, wie er im Buche steht​

Seite 2: In schrottigen Schaumstofflandschaften

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Guinan sieht younger than ever aus, nur an Q scheint die Zeit auch nicht spurlos vorüberzugehen.

(Bild: Paramount+)

Das Geld scheint heute ähnlich wenig locker zu sitzen als damals: Außerhalb der Enterprise stand man früher hauptsächlich in schrottigen Schaumstofflandschaften herum, heute finden die Dialoge vor CGI-Kulissen statt, die man auch sofort als solche erkennt. Schon bei der Fernsehserie musste sich das Drehbuch regelmäßig der Wirtschaftlichkeit unterwerfen: Während der Vorbereitung der ersten Staffel sorgte sich das Team, dass die Kulisse „Maschinenraum“ mangels Budget nie gebaut werden würde. Also schrieb man schnell das Drehbuch so um, dass die Kulisse bereits für die Pilotfolge benötigt wurde, als das Geld noch lockerer saß.

Später erfanden die Drehbücher immer mal wieder Probleme mit dem Warp-Antrieb, die zwar nichts mit der Handlung zu tun hatten, aber die teuren Bluescreen-Aufnahmen vor den Fenstern überflüssig machten. Insofern ist das Product Placement von Chips- und Automarken in der aktuellen Serie einfach nur konsequent weitergedachte Ergebnisoptimierung. Und wenn man eh schon eine Zeitreise eingeplant hat, warum nicht? Ohne Greenscreens wäre ja nicht mehr viel übrig.

Schon früher bewegten sich die Dialoge bei „The Next Generation“ zwischen Allgemeinplätzen, völliger Sinnlosigkeit und überraschendem Tiefsinn. Unter Trekkies kursierte in den 90ern der Begriff „Laberfolge“, wenn Riker und Troi wieder Stress hatten, sich Picard endlos mit irgendwelchen Leuten unterhielt, Worf sich seinen Vaterproblemen widmete oder La Forge und Data Technikstuss redeten. „Picard“ knüpft hier nahtlos an, mit Stanzen aus Tritanium: „Menschen werden äußerst ungern an ihre Sterblichkeit erinnert“ (Guinan), „Veränderungen ereignen sich immer später als wir es gern hätten” (Picard).

Wie früher wünscht man sich dann aber doch einen echten Dialog: Wer glaubt denn ernsthaft, dass Menschen gern an ihre Sterblichkeit denken? Ereignen sich Veränderungen nicht oft auch früher als wir es gern hätten? Warum reden diese Leute so aneinander vorbei? Und warum ist immer Zeit für solche Gespräche? An anderer Stelle hingegen erfrischt Raffi mit einem klaren Statement: „Arschloch.“ Da bleiben keine Fragen offen, so wie früher bei Commander Riker, wenn er den rechten Haken ausgepackt hat.

Was mit den Borg passiert, hat im Star Trek-Universum auch Tradition: die Hinwendung zu Frieden und Diplomatie. Erst waren es die Klingonen, jetzt sind es die Borg, und irgendwie läutert sich sogar Q. Das kann man kitschig finden, aber es verhindert das Abgleiten in die Soap, in der alle immer wieder das gleiche tun. Eine weitere Tradition: Jede Folge ist komplett anders als die davor oder die danach. Eine Folge Action, dann eine Folge Horror, dann Mystik, dann eine Laberfolge. Und natürlich Stilbrüche wie die Gesangseinlage von Jurati. Da kommen Erinnerungen auf an die Holodeck-Folge mit Captain Picard und der Maschinenpistole.

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Nur ausgerechnet Picard selbst steht für den großen Traditionsbruch in der Serie. Wir im Publikum sollen endlich seine Beziehungsunfähigkeit und sein auffälliges Verhalten gegenüber Kindern verstehen. Dieser Handlungsstrang ist langatmig und steht der Dramaturgie im Weg. Die Serie hätte an Prägnanz und Tempo gewonnen, hätte man Picard einfach Picard sein lassen, der es auf seine alten Tage einfach noch mal wissen will, beziehungsunfähig, ehrgeizig und risikobereit, wie er nun mal ist. Oft ist es doch die Leerstelle einer Erzählung, das Geheimnis, das unentdeckte Land, das die Geschichte voranbringt, die Zuschauenden bei der Stange hält und die Fantasie anregt. Wer will schon wissen, was bei Pulp Fiction wirklich in dem Koffer ist?

Natürlich ist vieles völlig unverständlich. Die James-Bond-Haftigkeit des Vorspanns, die unharmonische Musik, Nazis auf dem Château Picard, die zarten Blade-Runner-Vibes, alle Szenen im Wintergarten des Château Picard, die Liebe zwischen Raffi und Seven – vielleicht fallen diese Dinge aber auch nur auf, weil sie nicht so tief ins TNG-Universum eingebettet sind wie alles andere?

Q erklärt die Staffel am besten: „Geht es nicht um Vergebung?“ Damit spannt er den großen Bogen von TNG, S1E1 und Mission Farpoint bis hierhin. „Menschen, Eure Trauer, Euer Schmerz, ihr seid fixiert auf längst vergangene Momente“. Da können sich alle im Publikum angesprochen fühlen: schaut nicht zurück auf die alte Serie und messt alles daran.

„Und wenn ich Sie jetzt verlasse, lasse ich sie frei zurück“, sagt Q zu Picard. Das klingt nach einem Versprechen für Staffel 3. Lassen wir uns überraschen, denn die Greatest Hits sind ja noch nicht komplett: Es ist noch Platz für Dr. Crusher, Geordi La Forge, Worf und seinen Sohn, Tasha Yar (sie ist eigentlich tot, aber das ist mittlerweile ja auch egal), noch mal jemanden, der aussieht wie Data, die Deep Space Nine, und natürlich: Captain Kirk!

(vbr)