"Star Trek: Strange New Worlds": 2. Staffel will sich aus Prequel-Zwang befreien

Seite 2: Manches leider unglaubwürdig

Inhaltsverzeichnis

Auch kann doch niemand im Ernst ausblenden, dass die Enterprise auf einmal blitzt und glänzt und alle Räume zehnmal größer sind als später bei Captain Kirk. Der Maschinenraum in "Strange New Worlds" ist ein schlechter Witz, wenn man die Original-Serie gesehen hat. Dass es jetzt echte Computerbildschirme statt blinkender Leuchten überall gibt, ist ebenso unglaubwürdig. Davon können auch ein paar sehr gut nachgebaute Requisiten aus Kirks Enterprise nicht ablenken. Oder davon, dass eine Brücken-Crew, die fast nur aus Frauen besteht, ein paar Jahre später auf einmal fest in Männerhand ist. Wie soll so etwas glaubwürdig sein?

Diese Serie tut sich einfach keinen Gefallen damit, modern wirken zu wollen, aber gleichzeitig auf geradezu lächerliche Art zu versuchen, sich mit TOS-Nostalgie bei den Fans anzubiedern. Man tauscht hier ein paar witzige Easter Eggs und Aha-Momente gegen die Freiheit ein, eine richtig gute Serie machen zu können. Denn der Zwang, am Ende alles irgendwie passend an die Original-Serie anzugliedern, zerstört ganz viel Potential der erzählten Geschichten und Figuren.

Sehr gut kann man das in der ersten Folge der zweiten Staffel beobachten. Da wir wissen, dass die Klingonen am Anfang von Kirks Kommando der Enterprise mit der Föderation nicht im Krieg sind, kann in dieser Folge eigentlich kein Krieg mit den Klingonen ausbrechen. Die Strange-New-Worlds-Folge ist also von Anfang an auf dieses Ende ausgelegt, will aber trotzdem Spannung aufkommen lassen und tut eine Weile so, als sei Krieg unausweichlich. Der Weg, den die Geschichte zu ihrem friedlichen Ende einschlägt, ist deshalb auch ziemlich abwegig. Genauso hanebüchen ist es, dass Spock nach seinem Diebstahl der Enterprise nicht sofort aus der Sternenflotte geschmissen wird. Aber was sollen die Drehbuchschreiber machen? Das kann ja, nach allem, was wir über die Zukunft wissen, nicht passieren.

Wenn die Serie es schafft – wie in der zweiten Folge –, sich etwas aus diesem Prequel-Zwang freizuschwimmen, und auch mal andere Leute als Goldsman das Drehbuch schreiben, kann sie richtig guten Trek abliefern. Klar, das Gerichtsverfahren gegen Chin-Riley wegen ihrer genetischen Veränderungen erinnert stark an das Verfahren gegen Data in "The Measure of a Man" – einer der besten TNG-Folgen überhaupt –, aber was soll's. Immerhin hat die Folge einen eigenen Plot-Twist und viele der Dialoge im eigentlichen Verfahren sind so gut, wie Star Trek überhaupt sein kann. Da hat bei den neuen Trek-Schreibern endlich mal wer verstanden, wofür die Sternenflotte wirklich steht!

An den schauspielerischen Leistungen oder den Spezialeffekten liegt es auch in den ersten zwei Folgen der zweiten Staffel von "Strange New Worlds" nie, wenn die Serie schwächelt. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir hier Star Trek auf dem Niveau von TNG oder Deep Space Nine sehen würden, wenn diese Leute einfach eine eigene Serie mit eigenen Figuren gemacht hätten, die zehn oder fünfzig oder hundert Jahre nach Voyager spielt. Anson Mount hätte definitiv das Potential, Kirk, Picard und Sisko in den Schatten zu stellen, wenn man ihm eine wirklich neue Kapitäns-Rolle gegeben hätte, die er selbst mit Leben füllen könnte. Stattdessen ist er, wie der Rest der Serie, an Material gefesselt, das in den '60ern ausgestrahlt wurde. Es ist zum Weinen.

Man kann sich "Strange New Worlds" ganz gut ansehen. Besser als "Discovery" und "Picard" ist die Serie allemal. Trotzdem wundere ich mich, wer die Zielgruppe dieser Show sein soll. Eingefleischten Trekkies werden zu viele Ungereimtheiten zur TOS-Zeit auffallen, um einfach zu akzeptieren, dass man hier denselben Figuren auf demselben Schiff zusieht – Suspension of disbelief hat selbst für die hartnäckigsten Fans ihre Grenzen. Im Gegensatz dazu sind die Anspielungen, die Nostalgie und die altbekannten Figuren an einen zufällig Zusehenden komplett verschwendet. Welcher Nicht-Trekkie heutzutage hat schon TOS gesehen und kann sich daran erinnern, wer Captain Pike oder Schwester Chapel sind? Wer diese Serie einfach guckt, weil sie interessant aussieht und Star Trek draufsteht, freut sich doch nicht darüber, wie kreativ die alten Galauniformen der TOS-Zeit in der zweiten Folge neu erdacht wurden. Für Trekkies erscheint mir die Serie zu in sich widersprüchlich, für alle anderen Zuschauer viel zu überfrachtet mit Dingen, die außer Trekkies niemanden interessieren.

Wenn man Star Trek mag und Paramount+ abonniert hat, vielleicht weil man sich etwa die wirklich gute Western-Serie "Yellowstone" nicht entgehen lassen will, sollte man "Strange New Worlds" eine Chance geben. Ein Abo würde ich nur für diese Serie aber nicht abschließen. Dafür ist das Konzept der Serie trotz guter Schauspieler, toller Spezialeffekte und ordentlicher Geschichten und Dialoge dann doch zu schlecht.

Wer trotzdem lieber "Strange New Worlds" schauen will, findet die erste Staffel (10 Folgen) und die ersten zwei Folgen der zweiten Staffel der Serie in Deutschland exklusiv bei Paramount+. Eine neue Folge der Serie gibt es jeden Donnerstag.

(tiw)