Streitgespräch: Ist der Mond ein Planet?

Seite 3: Trotzdem ein neunter Planet?

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Als Pluto herabgestuft wurde, galt das auch für andere Himmelskörper. Mike, Sie haben Eris entdeckt und hatten damals viel zu verlieren. Was hatten Sie für ein Gefühl, als Eris als Zwergplanet klassifiziert wurde?

MB: Ich war schockiert und zugleich erfreut, weil ich wusste, dass die Entscheidung grundsätzlich richtig war. Ich sah mir die Entscheidung live im Fernsehen an und war begeistert, als die Stimmen ausgezählt waren. Es war mit Sicherheit eine schwierige Entscheidung für die Astronomen, aber eine absolut richtige. Ich rief dann meine Frau an und sagte: "Es ist so weit – sie haben sich richtig entschieden. Pluto ist kein Planet mehr." Und sie sagte: "Heißt das, dass Eris auch kein Planet mehr ist?" Und ich antwortete: "Äh, ja." Aber ich war nur ein kleines bisschen traurig …

Es ist nichts Neues, in Sachen Planetenstatus umzudenken. 1801 glaubte man, dass Ceres der achte Planet sei. Ein halbes Jahrhundert später ordnete man ihn neu als Asteroiden ein, und noch später wurde er auf den Status eines Zwergplaneten hochgestuft.

AS: Genau. In der Wissenschaft lernen wir immer mehr. Ideen entwickeln sich. Wir sind offen für neue Informationen und Ideen, die Grenzen verschieben sich. Im 20. Jahrhundert wussten wir nur von neun Planeten und kannten deren Namen auswendig. Das änderte sich in den 1990er Jahren, als die ersten Planeten um andere Sterne entdeckt wurden. Seit damals fanden wir Welten jenseits der Neptunbahn und erkannten, dass jeder Stern, den wir beobachten, Planeten hat. Es ist daher eine alte und überholte Auffassung aus dem 20. Jahrhundert, dass wir die Namen aller Planeten kennen sollten. Stattdessen katalogisieren wir sie einfach, ähnlich wie wir das bei Bergen und Flüssen auf der Erde und den Sternen am Himmel tun. Ich halte es für großartig, dass wir immer mehr Planeten entdecken und die Öffentlichkeit versteht, worum es hier geht. Das ist wie Star Trek.

Haben die neuen Definitionen die Wissenschaft irgendwie beeinflusst – vielleicht, indem das Studium bestimmter Himmelskörper wegen "mangelnder Attraktivität" nicht mehr finanziert wird?

AS: Das glaube ich nicht. Zu den neuen NASA-Missionen – Weltraumforschung mit Kosten um eine Milliarde Dollar – gehören beispielsweise Lucy und Psyche, die zu großen Asteroiden fliegen. Sie sind wichtig, obwohl es nicht um Planeten geht.

MB: Eine Mission sollte auf guten wissenschaftlichen Argumenten aufbauen und nicht auf Vortäuschung. Wenn Eris beispielsweise zu einem von zehn Planeten ernannt worden wäre, hätte man ihm möglicherweise über Gebühr Beachtung geschenkt und absurde Projekte finanziert. Wir müssen erklären können, warum uns etwas interessiert; mit Planeten hat das nichts zu tun.

Glauben Sie, dass New Horizons genehmigt worden wäre, wenn Pluto damals schon als Zwergplanet gegolten hätte?

AS: Ich nehme schon an, dass die Mission finanziert worden wäre. Die Bezeichnung ändert ja nichts an Pluto. Dennoch ist sie heute veraltet und falsch; es freut mich, wenn Journalisten fair darüber berichten. Das Blatt hat sich gewendet – sogar in Lehrbüchern distanziert man sich langsam von der IAU-Definition.

MB: Möglicherweise wäre aus der Mission nichts geworden, weil sie ja zum Großteil darauf aufbaute, dass sie zum letzten Planeten ging. Doch wir wissen heute genug, dass eine Reise zum Pluto zwar schwerer durchzubringen, aber trotzdem plausibel wäre. Immerhin geht es um eine Milliarde Dollar Steuergelder.

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Würde eine Definition, laut der viel mehr Objekte als Planeten gelten, neue Entdeckungen nicht irgendwie entwerten?

MB: Vor 13 Jahren hätte ich nicht an die Möglichkeit geglaubt, dass es einen weiteren Planeten im Sonnensystem geben könnte. Als die IAU ihre Definition erstellte, schien mir offensichtlich, dass es von nun an keine neuen Planeten geben würde. Aber ich habe mich geirrt. Es gibt Hinweise auf einen neunten Planeten, der 5.000-mal mehr Masse hat als Pluto. Sobald man ihn entdeckt hat, wird man ihn auch korrekt als bedeutenden großen Himmelskörper einschätzen. Aber das zeigt auch, wie wichtig es war, 2006 diese sehr konkrete Definition zu erstellen. Hätten wir 200 Planeten im System und fänden dann noch einen, dann würden die Leute sagen: "Na und – es gibt ja ohnehin 200."

AS: Ich sehe das nicht so. Sterne werden nicht entwertet, wenn wir einen neuen finden. Dasselbe gilt für neue Spezies, nur weil es bereits Tausende bekannte gibt. Und wenn wir ein neues Element entdecken, sagen wir auch nicht, dass es 115-mal weniger wert ist als das erste Element Wasserstoff. Der Ansatz, dass die Planeten mit jedem neu entdeckten weniger wichtig werden, ist absolut unwissenschaftlich und findet sich daher auch nirgends in der Forschung. Wir sind eben Wissenschaftler und haben uns an die Daten zu halten. (mho)