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Tausende für Snake-Klon: Warum Spieleförderung nicht zum Ampel-Aufreger taugt

Auf sozialen Medien und im Web gibt es Wirbel um angebliche Geldverschwendung durch die Ampelkoalition. Doch das ist falsch, meint Christopher Kunz.

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Schlange, Python, Paradies

(Bild: Michael Schwarzenberger, gemeinfrei (Creative Commons CC0))

Lesezeit: 5 Min.
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"Hunderttausende für einen Snake-Klon, das kann ChatGPT für einen Bruchteil" – derlei Aussagen waren in den letzten Tagen in sozialen Medien zu lesen und der Aufreger wird als Versagen der Ampelregierung und des zuständigen Wirtschaftsministers Habeck dargestellt. Doch das ist schlicht falsch – wer genauer hinschaut, trifft auf eine komplexere Situation.

Die Bundesförderung für Computerspiele steht seit Jahr und Tag von vielen Seiten in der Kritik. Erst vor wenigen Tagen beklagte sich der Branchenverband game e.V. anlässlich der Gamescom über die für das nächste Jahr geplanten neuen Richtlinien des Förderprogramms. Diese sehen unter anderem eine Aufteilung in Bundes- und Landeszuständigkeiten vor, was Studios der Möglichkeit beraube, sich parallel von beiden fördern zu lassen. Gefordert hatte diese Aufteilung der Bundesrechnungshof in jüngster Vergangenheit, der zudem bemängelte, dass Studios die gewährten Fördermittel bei wirtschaftlichem Erfolg der Spiele nicht zurückzahlen müssten.

Aber mal wieder eignet sich derlei Sachkritik, die womöglich noch konstruktiv ist und zu Veränderungen führt, nicht als plakativer Aufreger. Stattdessen wird ein simpel anmutendes Browsergame hergenommen, um das vermeintliche Versagen der Ampelregierung anzuprangern, die nun nicht nur Fahrradwege in Peru, sondern auch Browserspiele in HTML5 mit hohen Beträgen unterstütze. Die Liste der geförderten Games enthält tatsächlich allerlei Casual-, aber auch A-Titel wie "Anno 117", für dessen Entwicklung die Ubisoft-Tochter Blue Byte über einen Zeitraum von zwei Jahren immerhin 5,6 Millionen Euro vom Bund erhält. Auch ein Spiel für den mittlerweile zum Liebhaberobjekt mutierten Amiga ist darunter. Doch das zuständige Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bezweckt keine möglichst kreativen Projekte und innovativen Spielmechaniken, sondern will schlicht Arbeitsplätze in Deutschland erhalten und die weitere Abwanderung der Spieleindustrie ins Ausland verhindern. Flapsige Kommentare à la "das hätte man in Indien für fünf Euro entwickeln können" zeigen, dass ihre Autoren genau diese Zielsetzung nicht verstanden haben.

Und zum Aufreger über die angebliche Geldverschwendung der Ampel taugen die angeführten Beispiele ebenso wenig. Zwar sind viele der Projekte in der aktuellen Legislaturperiode und damit unter der Federführung des BMWK mit Minister Habeck bewilligt worden, ihnen liegt jedoch eine Förderrichtlinie von 2020 zugrunde. Und damals lag die Spieleförderung noch in den Händen des Verkehrsministeriums unter CSU-Minister Andreas Scheuer, der gemeinsam mit der damaligen Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär (ebenfalls CSU) unter anderem mit einem denkwürdigen, schwertschwingenden Auftritt beim deutschen Computerspielpreis dafür warb.

Kommen wir zurück zum plakativen Beispiel "Modern Snake". In der Förderrichtlinie des Bundes findet sich ein sogenannter "Kulturtest" mit drei Abschnitten (Kontext und Inhalt, Plattform und Innovation) – förderfähig sind nur Ideen, die je zwei Kriterien der ersten beiden und ein Kriterium des letzten Abschnitts erfüllen. Diese Kriterien sind jedoch recht vage und wirken lückenhaft – bei sehr formalistischer Betrachtung kann ein Snake-Klon sie daher bequem erfüllen:

  • Snake ist spätestens seit Nokia-Telefonen Teil der deutschen Spieltradition, damit ist das erste Kriterium erfüllt.
  • Das Spiel wird in Deutschland maßgeblich entwickelt, was wichtiges Kriterium für eine Förderung durch das BMWK ist und
  • durch die Abkehr vom rechtwinkligen Spielraster ist sogar eine Innovation für Kategorie 3 vorhanden

Wer sich die Förderrichtlinien durchlesen möchte, findet sie auf der Webseite des BMWK als PDF.

Bleibt die Frage nach den Kosten: Da die Spieleförderung maximal eine 50-Prozent-Förderquote als Fördersumme auszahlt, sind die tatsächlich veranschlagten Entwicklungskosten für ein Spiel wie "Modern Snake" offenbar mindestens mit dem Doppelten, mithin fast 400.000 Euro veranschlagt worden. Das erscheint sehr hoch – die Mittel werden jedoch nicht blanko ausgezahlt, sondern erfordern Verwendungsnachweise. Die zu durchleuchten, ist Sache des durchführenden Ministeriums und des Bundesrechnungshofes.

Ob es für Spielideen so einfach sein sollte, förderfähig für den Bund zu werden, sollte man zu Recht diskutieren und die Förderung dann nachsteuern. Genau das geschieht jedoch bereits unter der Ampelregierung. Ihr also je nach Gusto Untätigkeit oder Geldverschwendung vorzuwerfen, ist deutlich zu kurz gesprungen, denn die aktuell gültigen Richtlinien sind ein Überbleibsel der Vorgängerregierung.

(Transparenzhinweis: heise online betreibt gemeinsam mit der Firma KR3M, Autorin von "Modern Snake", ein Spieleportal. Die Meinung des Autors, der Snake seit 25 Jahren nicht gespielt hat, beeinflusste das jedoch nicht.)

(cku)