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Warum ein Palm m130 in IMAX-Kinos bis heute buchstÀblich eine Rolle spielt

WTF Malte Kirchner
Bildschirmfoto aus dem IMAX-TikTok-Video

Ein Bildschirmfoto aus dem IMAX-TikTok-Video mit der Emulation des Palm-Handhelds und der großen Filmrolle.

(Bild: IMAX)

Ohne den Palm m130 könnte der neue Oppenheimer-Film in IMAX-Kinos nicht gezeigt werden. Über einen PDA, der wirklich eine Rolle spielt.

Es ist Sommerloch, schon klar, da kommt ein Palm, der ein IMAX-Kino steuert, genau zur richtigen Zeit. Aber – Achtung, Wortspiel – dieser Handheld spielt wirklich mal eine Rolle. Und der m130 [1], der in jenen LichtspielhĂ€usern installiert ist, die noch die guten alten großen 70-mm-Filmrollen auflegen, hat schon einige Sommerlöcher ĂŒberstanden. Dass er immer noch eingesetzt wird, passt zum Bild eines guten Weines – er reift mit den Jahren und wird immer wertvoller. In diesem Fall: die Geschichte wird von Jahr zu Jahr eher noch kurioser. Aber jetzt ist sie reif, erzĂ€hlt zu werden.

WTF

Das Internet ist voll von heißen IT-News und abgestandenem Pr0n. Dazwischen finden sich auch immer wieder Perlen, die zu schade sind fĂŒr /dev/null.

Entdeckt wurde der Handheld aus der FrĂŒhzeit des mobilen Computings in einem TikTok-Video des offiziellen IMAX-Accounts [3]. Die Urheber des Videos wollten damit eigentlich etwas anderes zeigen, nĂ€mlich, dass der neue Oppenheimer-Streifen – den wir hier bei heise online auch rezensiert haben [4] – eine Herausforderung fĂŒr das besondere Kino-System war. IMAX ist bekanntlich ein Filmformat mit besonders breiter Auflösung, die es ermöglicht, dass das Gesichtsfeld der KinogĂ€nger nahezu vollstĂ€ndig ausgefĂŒllt werden kann. Aber statt der orangefarbenen VerlĂ€ngerungen der wuchtigen, knapp 300 Kilogramm schweren Filmrollen, stach etwas anderes in dem Video ins Auge: Ein an die Wand fixiertes Tablet mit der Emulation eines Palm Pilots.

Ja, tatsĂ€chlich ist die Technik so alt, dass IMAX inzwischen wohl die OriginalgerĂ€te ausgegangen sind. Der m130 erschien im MĂ€rz 2002. Sein 160 mal 160 Pixel großer LCD-Bildschirm mit 12-bit Farbe war zu der Zeit beeindruckend. Im Inneren verrichtet ein mit 33 Megahertz getakteter Motorola VZ Dragonball Prozessor sein Werk. Als Betriebssystem kam Palm OS 4.1 zum Einsatz.

Was aus heutiger Sicht lĂ€cherlich wenig klingt, genĂŒgte den Erbauern der IMAX-Kinos, um damit die Quick Turn Reel Unit – kurz: QTRU – zu steuern. In gewisser Weise und vereinfacht gesagt ist das die Einheit, die die Platten auflegt und dafĂŒr sorgt, dass Bild und Ton synchron laufen. Mit dem Übergang zu digitalen IMAX-LichtspielhĂ€usern endete der Bedarf fĂŒr die Technik und ihren kleinen Steuercomputer. Die verbliebenen umzurĂŒsten, lohnt sich augenscheinlich nicht. Und das System lĂ€uft, so zitieren verschiedene Medien jene, die damit zu tun haben, einfach zu gut, um das Risiko einzugehen, es zu Ă€ndern. Never change a running system. Und wenn es nicht mehr lĂ€uft, wird es einfach emuliert – diejenigen, die genau hinsahen, erkannten einen Winmate W10IB3S-PCH2AC-POE Panel PC mit 10,1-Zoll-Display als GerĂ€t, ein Windows-PC.

Inzwischen tauchten auch Bilder von Kinos auf, die noch einen Original-PDA von Palm einsetzen, versehen mit der Aufschrift in großen Buchstaben, dass das GerĂ€t immer eingeschaltet bleiben muss. Das erinnert ein wenig an das Centennial Light [5], jene GlĂŒhbirne aus den 1890-er-Jahren, die seit 1901 nahezu ununterbrochen in einem kalifornischen Feuerwehrhaus leuchtet. Bleibt zu hoffen, dass in den IMAX-Kinos mit dem Palm-GerĂ€t auch nicht die Lichter ausgehen. KĂŒnftigen Generationen von Tech-Journalisten in Sommerlöchern wĂŒrde das vermutlich gefallen.

(mki [6])


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-9223389

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/news/Palm-m130-nicht-bunt-genug-56646.html
[2] http://www.heise.de/thema/WTF
[3] https://www.tiktok.com/@imax/video/7255327705313430830
[4] https://www.heise.de/meinung/Filmkritik-Oppenheimer-interessiert-sich-nicht-so-fuer-Physik-9221401.html
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Centennial_Light
[6] mailto:mki@heise.de