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Was war. Was wird.

Im Schweizer Untergrund ziehen Teilchen ihre Kreisbahn und der Weltuntergang fällt leider aus. Es gibt Schlimmeres als Schwarze Löcher. Während Suchmaschinen ganze Airlines abstürzen lassen, guckt Hal Faber die zweite Folge von Bill & Jerry.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** In der kurzen Menschengeschichte gibt es immer wieder Weltwunder zu bestaunen, wie den Koloss von Rhodos oder den Strahl im Large Hadron Collider. Die Betonung liegt auf Weltwunder, nicht auf Schweizer Wunder. Die gibt es auch: ein solches Weltwunder sind beispielsweise die Zugrestaurants von Schweizer IC-Zügen, die in Deutschland fahren. Wer immer bei der Deutschen Bahn das Wort Dienstleistungsgesellschaft in den Mund nimmt oder am nächsten "Zuschlag für den personenbedienten Verkauf" bastelt, sollte sich diese Leistung einmal ansehen. Möglicherweise wird die Menschheit bald im Experiment die Weltformel beweisen haben oder auch nicht, möglicherweise verkrümelt sich das Higg-Teilchen neckisch durch einen Nebenausgang und macht das Wunder zu einem Weltnebenwunder wie die Pyramiden. Die waren zuallererst schlichte Begräbnishügel.

*** Zu jedem Wunder der Menschheit gehört ein Erklärbär. Er wird gebraucht, weil nur wenige Menschen die Sache mit dem Higgs-Boson oder den Schweizer Zugrestaurants wirklich verstehen. Nur bei den Pyramiden gibt es eine Ausnahme, da wende man sich bitte an die nächste Erklärkatze. Dort, wo Bärenmangel herrscht, treffen wir auf den Journalisten. Im besten Fall hat sich der Journalist mit verschiedenen Menschen getroffen, hat Artikel gelesen und Informationen verdaut, um einen halbwegs passablen Erklärbär abzugeben, warum das mit dem Schwarzen Loch nicht funktioniert. Warum der Weltuntergang erst kommt, wenn nach den Lehman Brothers auch Merill Lynch, Wachovia, Washington Mutual, AIG und die amerikanische Autoindustrie "gerettet" werden müssen. Oder warum der Weltuntergang schön ist.

*** Im schlechtesten Fall kommt der Journalist vom Blatt mit den sieben Buchstaben und betreibt das, was in der weltwundervollen Schweiz als Big Ranschmeisse charakterisiert wird, eben Schmierenmarketing. Das liest sich dann so, wenn es über einen ganz netten Schauspieler schreibt, der schon den Hitler gab: "'Horst Herold ist mir sympathisch', sagt er. Herold hat früh mit Computern gearbeitet, er hat die Rasterfahndung eingeführt, ein Verfahren, bei dem ein Raster von Merkmalen über die Bevölkerung gelegt wird, bis diejenigen übrigbleiben, die viele Merkmale eines Terroristen haben. Das Verfahren war umstritten, nicht bei Bruno Ganz. Er fand es in Ordnung." Ganz in Ordnung ist das also, wenn mal eben die eigene Bevölkerung unter Verdacht gestellt wird und Herr Herold so sympathisch wirkt mit seinen Computern. Aber die Zeiten ändern sich. Heute haben wir den netten Herrn Ziercke, der morgen dem Innenausschuss des Bundestages erklärbären muss, warum man bei der Terrorfahndung eigentlich gescheitert ist und dringend die Computer der Anderen abhören muss: "Dreh- und Angelpunkt bei der Planung von Anschlägen ist das unkontrollierbare Internet." Da kommuniziert man verschlüsselt in abgeschotteten Foren und die Polizei hat nur Twitter, den Analogfunk und nicht mal eine anständige Möglichkeit zum Datenbankabgleich. Obwohl die Sauerländer Zelle alles getan hat, damit die Polizei sie nicht aus den Augen verliert, hat man nach Ziercke nicht alle Tatverdächtigen identifizieren können.

*** Ist mit der ganzen Spannbreite vom Erklärbär zum Ranwanzer das journalistische Feld beschrieben, so gibt es doch noch Schlimmeres, nämlich Analysten, die dem schlichten Suchlauf einer 10 Jahre alten rostigen Suchmaschine ohne weitere Recherche glauben. Das damit auf die Schnelle eine Fluggesellschaft in den Sturzflug geschickt wurde, ist die eine Seite der Medaille. Die andere Seite war ausgerechnet eine Erklärung der Google-Managerin Marissa Meyer, dass die Technik der Textsuche zu 90 Prozent ausgereizt ist. Damit der Sturm im Wasserglas der Blogosphäre sich legt, musste die schöne Marissa glatt die Erklärbärin spielen: die verbleibenden 10 Prozent sind die reine Härte.

*** In der vergangenen Woche habe ich die erste Folge der neuen Microsoft-Werbung mit Bill Gates und Jerry Seinfeld kommentiert, was nicht sehr positiv aufgenommen wurde. Nun ist Folge 2 draußen, in dem Bill & Jerry offenbar das Leben in einer amerikanischen Durchschnittsfamilie kennenlernen. Ohne nun einen Bären anbinden zu wollen, dürfte es diese Senfreklame international schwer haben. Ein jüdischer Komiker gibt griechisches Geld an den Lieferanten des chinesischen Essens. Was haben wir gelacht.

*** Er ist etwas weniger reich als sein großes Vorbild Bill Gates, doch hat es der Blog-Investor Mark Cuban wesentlich einfacher, auf einer Messe seine Lebens-Philosophie zu erklären: "Mein Ziel war, mit so vielen Menschen in so vielen Ländern wie möglich einen zu trinken. Ich habe ein Unterehmen verkauft und alles was ich wollte war ein Ticket auf Lebenszeit von American Airlines. Die gab es für 125.000 Dollar für zwei Leute. Ich bin in Bars gegangen und habe Frauen gefragt, ob sie Lust auf eine Reise hätten."

*** Nimmt man altersbedingt die Frauen raus und ersetzt die große Welt durch die kleinere Pfalz, dann haben wir schon die Lebensessenz vom Funkelektroniker über den Bürgermeister zum Ministerpräsidenten des SPD-Problembären, die bald gedruckt erscheinen sollen. Mit dem Slogan Münte is Beck kann sich Frank-Walter Steinmeier in den Wahlkampf machen, was immerhin mal eine konkrete Aussage des Kanzlerkandidaten wäre. Mit Sprüchen wie "Antworten für die Zukunft" ist die SPD die Partei der Copy&Paste-Tasten geworden. Wobei es ja noch einen Münte-Spruch gibt, der im letzten Wahlkampf nur leicht abgenutzt wurde: "Nur wer arbeitet, soll auch essen." Und wer als Hartz-IV-Bezieher krank ist, bekommt es mit Dr. Scholz und seinen Zöllnern zu tun.

*** Habe ich etwas vergessen, was der Newsticker in dieser Woche vergessen hat? Aber ja doch! Eine wirklich schöne Pressemeldung hat IBM zum vergessenen Computer verschickt, dem wir angeblich das Multitasking auf Laptops und anderen Geräten verdanken. Warum IBM bei der Meldung so vergesslich war und es nicht schaffte, die Typbezeichnung 7030 in den Text zu schreiben, ist eine andere Geschichte. Denn der Supercomputer war ein Flop, weil das schließlich an das Atomlabor von Los Alamos ausgelieferte System unter der vertraglich zugesicherten Rechenleistung lag. Der verärgerte IBM-Chef Thomas Watson Junior befahl seinen Leuten, die Maschine wieder abzubauen, doch die Atomphysiker wollten sie behalten. Sie blieb, doch IBM musste den Kaufpreis reduzieren. "Ich hoffe, dass es das erste und einzige Mal ist, dass man bei einem Computer Preisnachlass gewähren muss. Das darf in dieser Industrie keine Schule machen", schrieb Watson Jr. an seine Angestellten. Daran hat sich die IT-Branche eisern gehalten.

Was wird.

Es liegt eine gewisse Tragik in der Tatsache, dass es die norddeutsche Tiefebene nicht in die Liste der sieben Weltwunder der Natur geschafft hat. Sie kennt natürlich wie der nominierte Schwarzwald und der Mittelrhein die durchbrausenden Schweizer Speisewagen und ist damit eigentlich bestens qualifiziert. Zur Not packe man ein bisschen Heide oben drauf. Doch man soll die Hoffnung niemals aufgeben, wie es das Beispiel Microsoft zeigt. Dort wartet man nach all den Jahren immer noch auf seine Killeranwendung und hält das World Wide Web nur für einen halben Schritt, wie Gates-Nachfolger Craid Mundie erklärt. Sinnigerweise ist das Interview ein paar Seiten hinter dem mit Richard Sennett abgedruckt, der Microsoft für ein Monopol hält und nicht für eine besonders innovative Firma. Die Einschätzung, dass Deutschland dank seiner (Lehrlings-)Bildung mit der ökonomischen Krise besser als die maroden USA fertig wird, ist tröstlich und gestattet einen hochmütigen Blick vom anstehenden Bildungsgipfel.

Deutschland, das Land der Ideen, ist im Herbst auch das Land der Messen. Die photokina läuft sich warm und wer ins schöne Hannover kommt, wird sicher die IAA Nutzfahrzeuge besuchen wollen, wo Navigation, Freisprechen, Telematik und Internet in einem Gerät die LKW-Fahrer erfreuen soll. Unterdessen hat sich die CeBIT sinnigerweise ins Meilenwerk nach Bärlin (Heine) zurückgezogen und veranstaltet dort die Innovationstage, huch, die InnoVisionsDays Embedded Systems für die Innovationsplattform (InnoFlatShape?) Auto. Elektronische Zwerge in Gestalt von Minicomputern werden Deutschland vor dem Big Bang retten, meint Schirmbärin Anette Schavan. Big Bange machen gildet nich. (Hal Faber) / (vbr)