Was war. Was wird.
Die Macht? Die Macht! Aber wo sie nun ist, das mag man getrost als umstritten bezeichenen, findet Hal Faber. Da hilft auch noch so umjubeltes Crowdfunding für neue technische Lösungen gegen Überwachug nichts.
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.
Was war.
*** Hach, war das ein Fest. Kein Auge blieb trocken, keine Seele unberührt. Da fliegt unsere frisch berufene Verteidigungsministerin mit einem ordentlichen Troß Jubelschreiber nach Afghanistan und wollte einfach nur die Menschen sehen, einfach nur die Soldaten, die im Mittelpunkt strammstehen mussten oder frühstückten. Partout vermied Ursula von der Leyen, mit diesen doofen Drohnen abgebildet zu werden, über die sie bald wichtige Entscheidungen treffen muss. So wurde eine Chance verpasst. Man stelle sich vor, so eine Heron hätte im Tiefflug wie der allseits wendige Java-Jaweia-Weihnachtsmann Weihnachtspäckchen über den glücklich lächelnden Soldaten abgeworfen, wie Bömbchen in Pakistan. Ein wunderbares Bild für Blätter, die aus voller "Leidenschaft für Menschen" berichten.
*** Penible Gemüter könnten einwenden, dass so eine Drohne in niedriger Flughöhe gar nicht von deutschen Soldaten gesteuert werden darf, aber bei diesem wunderbaren Schau-Effekt sollte man nicht kleinlich sein. Nun gibt es nicht mal ein Bild "3-Wetter-Taft-Haube vor Drohne", nichts, rein garnichts, "nur die Menschen" und auch von denen nur die ohne Disziplinarverfahren wegen Komasauferei. Keine Kosten sollen gescheut werden, um den Schutz der Soldaten im Einsatz sicherzustellen: "Das Wichtigste ist der Mensch und nicht die Frage der Materialkosten", das klingt nur solange gut, wie niemand nachfragt, was genau mit Schutz gemeint ist. Jeder Angriff ist ein Schutz, die Aufklärungsdrohnen sind es ohnehin. Dabei ist die Bundeswehr doch so flexibel, nicht nur bei der "dynamischen Fähigkeitsschau" in Afghanistan: Zwar heißt es in der Aufrufs-URL noch "der_minister", doch längst hat die Ministerin aufs Allerschönste die Bildergalerie besetzt. Und die Medienvertreter freuen sich auf weitere Reisen durch die Feldlager dieser Welt, nicht nur zum Fest.
*** Hach, huch, ist der aber groß geworden. Erst zum zweiten Mal findet der Chaos Communication Congress in diesem Jahrtausend im Hamburger CCH statt und schon schaffen es 5000 Menschen (der Veranstalter zählt 8000), die Bude zu füllen und eine eigene Realität zu bilden, in der ganz großberlinerisch Hunde herumlaufen dürfen, Kinder sowieso. Es ist das Wacken der Nerds, nur mit Synthi-Musike. Eine Rednerin sprach in Anlehnung an 4Chan oder Krautchan von einer Versammlung verrückter /b/-Typen. In diesem Jahr gibt es kein Motto, weil die Hacker nach eigener Aussage sprachlos sind angesichts all der Überwachungsdetails, die Whistleblower Edward Snowden gesammelt und an den "Journalisten" Glenn Greenwald weitergeben hatte. Als Greenwald selbst redete, war es ruhig im großen Kongressgebäude. Da hörten alle kleinen und großen Hacker zu, selbst in den rund um die Uhr brummenden Hackcentern bildeten sich Trauben um die Schirme, auf denen die Videoschalte lief. "Die Macht liegt in euren Händen", das freute die Sprachlosen, auch wenn es hinten und vorne nicht stimmte, was Greenwald da sagte. Denn Hacker haben keine Macht. Sie können bestenfalls nur technische Lösungen anbieten, die keine tragfähigen, schon gar keine politischen Lösungen sind. Hacker täuschen sich da gerne und beklatschen dann im Congress-Centrum Hamburg Sätze wie "Ich denke nicht, dass es unvernünftig ist, ein Projekt zu starten, das diesen Staat ersetzt." Dann man los mit dem Crowdfunding. Früher bildeten sich so Parteien mit sozialrevolutionärem Anspruch, aber da gab es auch nicht so viele Geräte, die man aufladen muss.
*** Bewundernd berichtet die Tagespresse, dass Hacker längst ein enges, internes Netzwerk geschaffen haben. In dem lebt es sich prima. An früher will man möglichst witzig erinnert werden, etwa mit diesem Video und wenn die Polizei mit dem Computer ermittelt, beömmelt man sich. Eine Stiftung erinnert noch an Wau Holland, dessen vertrickster Umgang mit der Realität ab und an beim "Wau des Tages" zum Tragen kommt. Ansonsten hat man sich bestens arrangiert und ist mit drei Säulen in der berühmten Mitte der Gesellschaft angekommen. Ein Wau Holland hätte auf einem solchen Monsterkongress einen schweren Stand; seine uferlosen Vorträge würden heutzutage schlicht nicht von der Programmkommission angenommen werden. Typische Wau-Ideen hätten erst recht keine Chance, etwa allen Hackern zu einem konkurrenzlosen Vorzugspreis ein verschlüsselndes Galaxy-Cryptophone der GSMK anzubieten. So könnte man öffentlich demonstrieren, dass Hacker sich nicht überwachen lassen. Das aber würde das profitable Geschäftsmodell der Firma demolieren, die lieber Kunden aus der Geheimdienstszene oder Ölmultis beliefert, die in abgelegenen Gebieten neue Lagerstätten explorieren. So kommt es, dass Frank Rieger als Cheftechniker der Firma GSMK im CCC-Gewand lieber frühzeitig den Krieg für verloren erklärt, als die friedlichen Geschäfte zu stören. Im Zweifelsfall wird dann ein Projekt wie GnuPG bejubelt und gefördert, doch dann ist es aber auch gut, der Rest ist mission critical.
*** Etwas weiter oben habe ich den umjubelten Glenn Greenwald als "Journalisten" in Fingerkrallen gesetzt. Dies deshalb, weil seine Rede prompt als Verstoß gegen die journalistischen Standards gewertet wurde, die vor Urzeiten von St. Friedrich an den Sende-Dom zu Mainz genagelt wurden: "Ein Journalist macht sich nicht gemein mit einer Sache, auch wenn diese eine Sachertorte ist." Prompt gab es Widerspruch zuhauf, etwa von der Linken, die natürlich nach der Grenze fragte und zackig in die Runde schickte Wer übernimmt die Patrouille?. Ja, ist da wer am antifaschistischen Schutzwall der haltungsarmen Denkfettverbrenner? Muss man nicht auch dem Greenwald eine linke Tour attestieren, wo er sich doch mit dem Milliardär Pierre Omidyar gemein macht in dem Gebilde, was bis jetzt als First Look in Umrissen bekannt wird? Die komische Debatte wird sicher anhalten, auf Twitter und anderswo, bis jemand Wittgensteins Rasiermesser zieht. Wo steht geschrieben, dass jemand, der nicht bei den Guten mitmachen will, gleich bei den Schlechten ist? Wovon man nicht sprechen kann, darüber sollte man laut und deutlich und vor allem lange kreischen.
*** Der beste Satz, der bisher auf diesem wuselnden Marktplatz digitaler Befindlichkeiten an meine schlechten Ohren drang, kam zum gern in den Vorträgen zitierten Panoptikon von Jeremy Bentham. "Wasn das", fragte ein Hacker den anderen. "Ein Film von den Marx Brothers", war die Antwort. Gar nicht schlecht, wirklich. Darauf einen doppelten Adorno (nein, Aquavit ist ein Getränk), gewissermaßen als Antwort auf Glenn Greenwald: "Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen."
Was wird.
Das alte Jahr röchelt und schnauft, doch dabei hat 2014 noch gar nicht angefangen mit dem ersten Babyschrei. Es gibt im kommenden Jahr es so viel zu tun und zu gedenken, 100 Jahre nach dem ersten Weltkrieg, der den zweiten produzierte. Damals gab es den ersten Versuch, ein Archive.org zu erstellen, Und huschhusch, die Karten werden neu gemischt. Der erfolgreiche Telekom-Chef René Obermann wechselt von der Telekom zu Ziggo (Claim: Plönk, Trinkk Pling) und probiert das persönliche Downsizing. Der ebenso erfolgreiche Wahlkampf-Manager Dobrindt muss die PKW-Maut einführen, komme, was da wolle. Die Verlagerung der KFZ-Steuer zum Zoll ist schon einmal ein guter Anfang für ihre "Abschaffung" nach österreichischem Vorbild. Vielleicht erleben wir die besoneren Vorzüge dieses Superministeriums wie die Koppelung der Maut-Plaketten-Ausgabe an die De-Mail, was nicht wesentlich abstruser ist als die aktuellen Kommentare des ADAC und seiner grünen Mitfahrer. Doch halt, noch ist das Jahr nicht vergangen, das letzte WWWW nicht geschrieben. Die Jahresend-Wochenschau mit Rückblick auf die, ähem, erstaunlichen Zugriffsstatistiken von heise online steht noch aus und wird vor dem großen Knallern geliefert, auf einem dunklen Parkplatz irgendwo in Hannover. Der tiefe Staat, der nicht erst mir der NSA entedeckt wurde, hat keine Chance. Hier jedenfalls nicht: Die aktuelle Ausgabe des WWW wirtd hopplaclick in einem Elektrofleet landfen, verschlüsselt latürnich. Hach, sind Kongreese scön. Hicks. (jk)