4W

Was war. Was wird.

Die Wochenschau von Hal Faber: Von Sachen, dies gibt und dies nicht gibt, von indischen Datenbanken, nackten Kinderhintern und gefesselten Büroklammern.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 17 Kommentare lesen
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Wieder nichts, das war. Zig Millionen Menschen, geplagt von seitenverschluckenden Textverarbeitungsprogrammen, blauen Bildschirmen und animierten Büroklammern, haben letzte Woche auf DAS URTEIL gewartet. Die Tagträume des zivilisierten und gebildeten Wissenarbeiters sind seltsam archaisch: Das Urteil im Microsoft-Verfahren, der Mutter aller Cyberprozesse, hat zwar eine andere Ursache als die geschundene Psyche des gemeinen Endanwenders, aber tief in uns drin schreit etwas nach Genugtuung. Die Leute, die es geschafft haben, mittelmäßige Software zum Mittelpunkt der Computerwelt zu machen, sollte die gerechte Strafe ereilen. Wie aus der Leinwand herniedergestiegen erschien der gütige, aber doch gestrenge silberlockige Richter, der dem bösen Monopolisten Einhalt gebieten will. Endlich siegt auch im wirklichen Leben mal das Gute über das Böse, der Monopolist wird zerschlagen und die belebende Kraft des befreiten Software-Marktes lässt tausend tolle Anwendungen blühen. Und jetzt? Jetzt wird verhandelt und gedealt und am Ende hat uns doch das wirkliche Leben wieder; was am Ende zählt, ist wieder nur das Kleingedruckte in irgendwelchen Einigungsverträgen. Bill Gates wird nicht gevierteilt und auch die animierte Büroklammer wuselt weiter über unsere Bildschirme. Wenn die Redmonder Programmierer wirklich so clever wären, würden sie Tools entwickeln, die den Rachegelüsten ihrer Kunden entgegenkommen: Statt Moorhühner könnte man beispielsweise widerspenstige Anwendungen abschießen und die allzu vorlaute Autokorrektur der Textverarbeitung könnte man fesseln und knebeln, statt einfach nur einen Haken in der Checkbox anzuklicken.

*** Aber ein bisschen was war doch. Jürgen Rüttgers, ehemaliger Zukunftsminister der Regierung Kohl, führt mit einer Postkartenaktion gegen die Anwerbung ausländischer Computerspezialisten einen heißen Wahlkampf in NRW. Postkarten statt E-Mail, das hat Stil und ist konsequent: Nur so kommt Rüttgers' CDU an die Adressen derer, die Angst vor Ausländern und Computern haben, Angst vor diesem ganzen bösartigen Inder-Net eben. "Wir wollen über die Postkarten mit den Bürgern in einen konstruktiven Dialog treten und ihnen weiteres Material zu diesem Thema zukommen lassen", erklärte Rüttgers in einem Rundfunkinterview. Die Bürgerdaten würden zu diesem Zwecke in einer Datenbank gespeichert und ausgewertet. Information Drilling nennt man das. Die CDU setzt dabei eine SQL-Datenbank ein, die vor vielen Jahren von einem Inder namens Umang Gupta entwickelt wurde. In Bangalore.

*** Woran denken Tickerleser, wenn sie das Wort Kinderhintern hören? An den Slogan "Kinder statt Inder", der aus dem Umfeld des feinsinnigen Jürgen Rüttgers stammt? Grundfalsch. Richtige Computerkenner denken natürlich an Festplatten. Franz Georg Strauß (CSU), Münchener Computerfachmann und Spross einer berühmten Politikerfamilie, erkennt neue, leere Festplatten daran, dass sie "wie Kinderhintern" sind. Hintergrund dieser Expertenmeinung von Franz Georg Strauß ist ein Laptop, der seinem Bruder Max Strauß gehört. Gegen Max Strauß läuft eine Ermittlung wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Die Staatsanwaltschaft München hatte seinen Laptop beschlagnahmt und untersuchen lassen. Die Spezialfirma Convar fand auf der Festplatte Datenfragmente in einer Gesamtkapazität von 16.241 KByte, die jedoch jeweils nur 4 bis 24 Bit groß seien und keinen lesbaren Sinn ergäben. Die verkorksten Daten sollen von einem Virus zerstört worden sein. Das bestreitet nun der computererfahrene Bruder. Die Festplatte sei neu und daher "blank wie ein Kinderhintern" gewesen. Das habe er spüren können, als er versuchte, einem Computervirus auf die Spur zu kommen. Als er verseuchte Disketten auf diesem Laptop geladen habe, sei die leere Festplatte zerstört worden, erklärte Franz Georg Strauß in der letzten Woche. Sachen gibts.

*** Auch die Regierung hat letzte Woche Beachtliches zu bieten. "08/15 ist passé", klärte uns letzte Woche eine Pressemitteilung der Firma TecMath auf. Bundesverteidigungsminister Scharping nimmt die Sparmaßnahmen der Regierung bitter ernst und setzt bei der Musterung auf den Ganzkörperscanner Contour der besagten Firma. Der ermittelt die exakten Größenangaben eines Neu-Soldaten und schickt sie zwecks verbesserter Lagerhaltung über das Intranet zur Klamottenproduktion. Ein weiterer erstaunlicher Pluspunkt aus der Abteilung "Sachen gibts": "Die Bundeswehr nutzt die Informationen für die ergonomische Anpassung von Fahrzeugen und Nutzgeräten." Die Panzer-Maßschneiderei kommt für den Soldaten 08/15 aus dem Roman von Hans-Helmut Kirst zu spät. Aber der wollte Uniform und Waffen überhaupt loswerden, nicht "passgenau wie maßgeschneidert".

*** Apropos Bundesregierung: So viel Spass war nie. Geneigten Lesern dieser Wochenschau sei noch einmal die Lektüre der Auseinandersetzung zwischen "Bild"-Zeitung und Bundesfamilienministerium nahe gelegt – und die Reaktion des Regierungssprechers. Muss man dazu noch ein Wort verlieren? Vielleicht nur eines: Verwunderlich ist es ja nicht, dass nach der ersten Aufregung, in der sich einige Hinterbänkler diverser Parteien profilieren wollten, nichts mehr aus dieser Ecke kam. Wer sich aber den Original-Artikel der "Bild"-Zeitung ansieht, merkt schnell, dass der zuständige Mensch sehr genau wusste, was er da tat. Kommentatoren wie eine gewisse Annette Widmann-Mauz, ihres Zeichens Vorsitzende der Gruppe der Frauen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wussten dies eher nicht: "Das ist kaum vorstellbar, aber wahr. Es handelt sich hierbei nicht um eine Lappalie, sondern um einen handfesten Skandal!", äußerte sie zu dem Bericht. Allerdings meinte die gute Frau nicht den Artikel, sondern den Link zu Powercat auf der Home-Page des Ministeriums. So amüsant die ganze Geschichte im Nachhinein erscheinen mag, ein ernster Hintergrund bleibt, der in der ganzen Debatte weit gehend unerwähnt blieb: Was ist eigentlich Pornographie? So erschrecken offensichtlich die Dame von der CDU nackte Männerhintern im Web mehr als nackte Frauenbrüste in der "Bild"-Zeitung. Seltsame Bündnisse gibts.

*** Maßgeschneiderte Namen gibts nicht. Der Mensch wird geboren und schon hat er einen Namen. "Namen können Scheiße sein", sagte mein Schulkamerad Hansi immer. Etwas Ähnliches müssen die Herren Denis Bauer, Sebastian Betzin, Tom Lawson und Sebastian Uhlig gedacht haben. Sie schickten eine "Pressemitteilung", nach der sie sich am 31.3. um 10:30 auf dem Standesamt Mannheim in Denis Wiewas, Sebastian Wowie, Tom Waswo und Sebastian Werwas umbenamsten. Die aktiven Mittzwanziger wollen damit auf ihr Internet-StartUp Infosphinx.de aufmerksam machen. Ob der Standesbeamte Reiner Stuss hieß, ist von Hannover aus nicht zu ermitteln. Auf Infosphinx kann man Fragen stellen und die Fragen wie die Antworten bewerten. Die meisten Fragen stellte bis dato ein Mitglied namens Sutur. Das ist, wie uns unsere Allgemeinbildung sagt, gemeinhin die Schädelnaht, manchmal auch die Trennlinie zwischen linker und rechter Gehirnhälfte, in der Filmtheorie der Raum, in dem der Zuschauer steckt, wenn Regisseure mit Schnitt und Gegenschnitt nur so rumzappen. Suturs beste Frage: Kann man die Welt betrügen? Unsere Antwort: Aber sicher, bescheißen kann man sie.

Was wird.

Zu den kleineren Betrügereien zählte in der letzten Woche die Meldung vom großen Kreditkartenklau, bei dem ein Hacker mit dem wirklich guten Namen "Saint of E-Commerce" sogar die Daten von Bill Gates seiner Kreditkarte gemopst haben soll. Das Dementi folgte auf dem Fuße. Nix Gates der Große. Nur ein ominöser W. Gates mit einem Kreditlimit von 2000 US-Dollar soll unter den Daten gefunden worden sein. Vielleicht stand das W für Waswiewerwo, auch nicht schlechter als Hal – ich wurde in meiner Jugend immer Ibm gerufen. Extra für den lieben Bill wurden jedenfalls die Schlichtungsverhandlungen zwischen der US-Justiz und Microsoft verlängert. Am 7. April wissen wir vielleicht dann doch, wie der Kompromiss aussieht. Die Hardliner der Justiz wollen die Zerschlagung der Firma in Einzelbranchen, die Gemäßigten die Offenlegung aller APIs und den Verkauf aller Compiler und Tools, die Realisten die Trennung von Browser und Betriebssystem. Ich will ein Bild der chinesischen Mauer, die laut Microsoft in all den Jahren in Seattle stand, zwischen der Abteilung für Betriebssysteme und den Leuten, die Anwendungen programmierten. (Hal Faber) (jk)