Was war. Was wird.
In dieser Woche wirft Hal Faber einen Blick in die Geschichte der computergestĂĽtzten Wahlprognose und trauert um den Microsoft-Angestellten Nr. 9.
Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.
Was War
*** In einer Wahl können Computer zeigen, was sie wirklich können. Ratzfatz berechnen sie den Sieger, damit Politiker vor der Fernsehkamera nicht herumstehen und stammeln, sondern den Truppen danken können, die so aufopferungsvoll .... na, schenken wir uns den Rest. Vor 50 Jahren durften Computer erstmals zeigen, wie toll sie sind. Bei den US-Wahlen wollte CBS die Hochrechnungen von UNIVAC senden. Eigens zu diesem Zweck wurde im Studio eine UNIVAC-Attrappe aufgebaut -- mit vielen lustigen Blinkenlights, umschwirrt von Weißkitteln. Die echte UNIVAC arbeitete im Verborgenen. Als sieben Prozent der Stimmen ausgezählt waren, legte sie los und prognostizierte einen Erdrutschsieg für Eisenhower mit 438 Stimmen gegen Stevenson mit 93 Stimmen. Weil das nicht den Prognosen der Wahlforscher entsprach, wurde UNIVAC hektisch umprogrammiert. CBS entschied sich, keine Zahlen zu senden und sprach von einer Niederlage des Computers. Dumm nur, dass UNIVAC richtig gerechnet hatte. Ein Star war geboren.
*** Manchmal hapert es mit der Geburt. Noch von PR-Genie Hunzinger beraten, sicherte sich Microsoft einen ungewöhnlichen Werbeplatz, in der ersten Reihe bei der ARD und den Meinungsforschern von dimap/Infratest. Für einen hohen Millionenbetrag wurden Grafiken mit dem Schriftzug .net Microsoft dem Volk vorgeführt; allerdings sechs Stunden lang mit einem völlig falsch berechneten Ergebnis, das Stoiber zum Jubeln brachte. Die schwerste Schlappe einer Wahlprognose seit 1952 konnte offensichtlich nicht durch das Umstricken der Software verhindert werden. Doch Gemach, es hätte schlimmer kommen können: Ursprünglich wollte Microsoft den schönen Herrn Schöneborn mit einem Tablet PC ausrüsten, von dem er schlendernd die Daten hätte lesen können. Bei Microsoft begeisterte sich Steve Ballmer für die deutsche Aktion: "Wir tun alles, damit die Leute sich die Frage stellen, was das da ist, was Microsoft uns erzählt."
*** Ja wollen wir sie denn hereinlassen, diese Tabletten-Computer? Und was wollen wir über Microsoft wissen? Gewählt haben wir Doris ihrem Mann seine Truppe, die Republik zu führen. Doch was ist mit der Republik der Maschinen? In der Schweiz feierte in der vergangenen Woche das Zentrum für Technologiefolgen-Abschätzung sein 10-jähriges Bestehen. Festredner Sloterdijk machte sich dabei für eine neue Einwanderungsdebatte stark. Warum soll das Einwanderungsgesetz nicht auch für Maschinen gelten? "Das Phänomen Technikfolgenabschätzung entspricht somit einer Prüfung auf Staatsbürgerschaftstauglichkeit im Rahmen eines Naturalisierungsverfahrens. Den Innovatoren wird die Pflicht auferlegt, die Sozialverträglichkeit und Konvivalität ihrer Erfindung nachzuweisen, während die Einwanderungsbehörde die Aufgabe hat, Hinweisen auf mögliche Risiken und Nebenwirkungen nachzugehen, die am Erscheinen der Neubürger in der Republik der Maschinen haften." Ein Vorschlag mit mindestens 50-jähriger Verspätung, aber einer, der Beachtung verdient. Nur wie prüft eine Behörde wie unser deutsches BSI, wenn da ein Einwanderer kommt und seine Technik als völlig harmlos darstellt? Wenn über hundert Firmen sich zusammenschließen, weil eine TCPA-Allianz aus den USA auswandern will?
*** Microsoft, Microsoft, Microsoft? Mit großer Trauer gilt es von einem wunderbaren liebenswürdigen Menschen Abschied zu nehmen, dessen Katze nach einer dieser unausrottbaren Computerlegenden für den Namen Microsoft verantwortlich gewesen sein soll. Bob Wallace gehörte als Angestellter Nr. 9 zu den ersten Mitarbeitern, als Microsoft in Albuquerque mit der Produktion von Software begann. Er verließ die Firma zusammen mit Paul Allen, weil er eine völlig andere Vorstellung davon hatte, wie Software verteilt werden soll. Bob Wallace gründete das Unternehmen Quicksoft und ging auf Mission, die Welt vom Gedanken der Shareware zu überzeugen. Dazu diente ihm PC-Write, eine Textverarbeitung, die er schon im Studium konzipiert hatte. "Gib nur für das, was dir wirklich gefällt, dann unterstützt du es mit deinem Herzen. Gib Geld. Oder gib Ideen. Bei uns gibt es Leute, die freiwillig einen Newsletter produzieren. In jedem Falle ist es wichtig, dass du etwas der Gemeinschaft gibst, von der du etwas genommen hast. Shareware ist wie euer Fernsehen in Deutschland, nur dass alle mitmachen können", erzählte mir Bob im Jahre 1987. Im Jahre 1993 war es mit Quicksoft vorbei. Schon vorher gab Bob Wallace auf, aus Protest gegen Crippleware. Vom Geld aus dem Verkauf von Quicksoft gründete er einen Buchversand, die Promind Foundation, die sich mit der Geschichte und der Erforschung psychedelischer Drogen beschäftigt. Der bekennende LSD-Fan Bob Wallace ging im Alter von 53 Jahren auf seinen größten Trip. Auf dieser Seite der Welt wird er vermisst.
*** "Der Roboter erkennt genauer als der Mensch, er weiß mehr von der Zukunft als wir, denn er errechnet sie, er spekuliert nicht und träumt nicht, sondern er wird von seinen eigenen Ergebnissen gesteuert und kann sich nicht irren". Am 30. September vor 45 Jahren erschien Homo Faber von Max Frisch. Es ist der Bericht eines Schweizer Ingenieurs über den Kniff, mit der Technik die widerständige, widersprüchliche Welt aus der Welt zu schaffen. Auch wenn das Buch seinem Schicksal in den Händen interpretationswütiger Lehrer nicht entkommen kann, bleibt es in Erinnerung in einer Welt, die den anlaufenden Minority Report feiert, weil sie ihre Zukunft längst kennt. Was vom Homo Faber heute bleibt, weiß natürlich das Web: Wenn einem das Buch nicht gefällt, kann man mit Homo Faber immer noch ordentlich PHP lernen.
Was wird
*** Fast schon passend zum Jubiläum von Homo Faber tagt in der nächsten Woche die Gesellschaft für Informatik mit Themen wie dem autonomen mobilen Roboter. Die Veranstaltung soll unter dem froh stimmenden Satz "Informatik bewegt" stattfinden. Was, wie und wohin sie sich bewegt, ist wohl weniger wichtig als die Feier der lebendigen Wissenschaft und ihrer Vergangenheit. Wie schon im Frühjahr wird das 30. Jahr der Informatik gefeiert. Ja, und Microsoft berichtet über Kommunikation in der nächsten Dimension.
*** Auch in anderen Ländern ist was los. Zum Beispiel im Disneyland bei Paris. Ausgerechnet hier treffen sich die Experten zur größten Konferenz über Computersicherheit. Sichere Computer und Netze auf drei Tagen, ohne dass das Wort vom Trusted Computing der TCPA fällt, sind natürlich nicht möglich. So startet ein Panel, das von dem Vertreter des deutschen BMWI geleitet wird, den Experten die Segnungen der neuen Sicherheit zu erklären. Da walte Disney: nie wieder Panzerknacker!
*** Nach der Wahl ist vor der Wahl. Und was macht Edmund Stoiber? Er kümmert sich um Bayern und dort traditionell um die Landwirtschaft. Mit dem Slogan "Bayerns beste Filetstücke" und dem Konterfei einer vom Aibo abgeschauten I-Kuh wirbt der IVG Businesspark in vielen Tageszeitungen. Menschen mit IQ müssen zur I-Kuh, denn es ist sonnenklar: "Hier arbeitet die Zukunft". In Bayern strahlt sie, übrigens verdächtig grün. Grün ist auch das dieswöchige Magazin der Süddeutschen Zeitung, das begeistert die New Economy 2.0 erklärt, als ob es den neuen Markt nie gegeben hätte. Bescheiden aber Bobo: So könnte man das Lied beim Portrait der vom Leben schwer gebeutelten Brüder Samwer trällern, die als hart arbeitende neue Unternehmer gefeiert werden, weil sie das Land mit Klingeltönen freundlich bedudeln. Wie schön, dass der Premium.-Journalismus von Brand Eins seine Nachahmer gefunden hat. Anderswo wird die Sache kritischer gesehen. Bayern ist wirklich anders: Erleben sie den Frühling im Herbst, flötet die Systems in ihrer Werbung. Immerhin ahne ich jetzt, warum die Kollegen so gerne ihren Stand auf der Systems beziehen. Sonnenbaden wollen sie, die bleichen Jungs und Mädels von der Leine. (Hal Faber) / (em)