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Was war. Was wird.

Microsoft freut sich, Sun jammert, und Kevin Mitnick gibt gute Ratschläge. Manches Mal sollten wir alle auf der Stelle selbst nachdenken, "auf welche Weis dem guten Menschen man zu einem guten Ende helfen kann", meint Hal Faber.

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Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** Schwere Zeiten für Microsoft. Dokumente gehen verloren, Prozesse auch. Doch mit dem Urteil von Richterin Kollar-Kotelly sind die Zeiten vorbei, da sich die Firma gesittet benehmen musste. Die wieder erlangte Handlungsfreiheit lässt die einschlägigen Microsoft-Beobachter in der Luft flattern. Aber wo ist der nächste Feind, der die Eroberung des Internet behindert? Das Beispiel von RealNetworks und Helix zeigt: Jede Software-Firma, die sich nach diesem Urteil nicht mit den verschiedenen Prinzipien quelloffener Software vertraut macht, wird Probleme bekommen.

*** Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen das Urteil gefällt und alle Fragen offen -- kein guter Mensch in Sicht, aus Sezuan oder woher auch immer? Vielleicht war es ein historischer Tag, vielleicht auch nicht. Wenn Sun Microsystems in seiner Stellungnahme zum Urteil vom Ende der Innovationen spricht und einen langen Winter der Computerbranche prophezeit, so klingt das ein bisschen nach dem postapokalyptischen Doomsday, dem nuklearen Winter. So schlimm ist es denn nun doch nicht. Die H-Bombe, deren Funktionsfähigkeit nach einer Erfindung von Stanislaw Ulam und Edward Teller am 1. November vor 50 Jahren unter Beweis gestellt wurde, brachte erstmals den Gedanken an einen langen, von Menschen verursachten Winter in die Welt. Mit der Wasserstoffbombe hat der Mensch die ultimative Abschreckung entwickelt: Greifst du mich an, mach ich die Erde alle. Ganz ohne Gott.

*** Was wird mit dem armen Diener Lampe, spöttelte einst Heinrich Heine über Immanuel Kant und seine Zertrümmerung der Religion. Eigens für seinen Diener installierte Kant den Gott, den er gerade widerlegt hatte. Ein Maskotte hätte es auch getan. Inzwischen befinden wir uns im säkularen Zeitalter, in dem die Masken gefallen sind, aber die Maskottchen gesiegt haben, von Schröders Findulin bis hin zum tanzenden Steve Ballmer bei Microsoft. Als zufriedenstes Tier der Welt und, was die Füße anbelangt, als entfernter Verwandter von Donald Duck hat Tux im Linux-Lager sogar den Status des Übermaskottchens erreicht. Einst konnte Tux nur am Fernsehen auftreten, jetzt im Fernsehen. Da hat die zufriedene Firma Berndes dem zufriedenen Tux eine Pfanne spendiert: Irgendwie müssen Pinguine schließlich zubereitet werden. Vielleicht ist so ein mit nahrhaftem Fisch gefüllter Vogel gar das ideale Dönertier. Wie wichtig Pfannen für die Geschichte sind, zeigt das Beispiel der angeblich von der so genannten "Weltraumforschung" abstammenden Teflonpfanne. Pinguine sind übrigens für den richtigen Drink im nuklearen Winter zuständig.

*** Was dem Linux-Fan sein Tux, dem BSDler sein Teufelchen, ist dem wahren Mac-Enthusiasten seine Ellen Feiss, sei es im Original oder in zahllosen Parodien. Jahreszeitlich bedingt natürlich auch als Laterne. Ellen Feiss repräsentiert das Gute in dieser Welt. Jeder kann also Ellen Feiss sein, lautet die versöhnliche Botschaft zum Sonntag. Ok, nehmen wir die richtig harten Programmierer aus. Sie haben natürlich ihre Sarah Michelle Geller. Und was ist mit diesem Verlag, der diese Wochenschau gütig ins Web stellt? Da hat man sich viel Mühe gegeben und ein geschlechtsneutrales, attraktives Bild der typischen iX- und c't-Konsumenten entworfen, doch die Reaktion ist mau. Ganz klar: Hier fehlt ein Wettbewerb! Zeigen Sie mit ihrer/m LebensabschnittspartnerIn, wie man c't gemeinsam richtig liest! Ok, ok, Maskottchen sind auch erlaubt. Dem Siegerpaar spendiere ich einmal wieder einige Absätze in dieser Kolumne sowie ein Exemplar von Brechts "Der gute Mensch von Sezuan" -- für die Jury ließ sich leider der dafür vorgesehene Jungautor Kevin Mitnick nicht gewinnen, daher muss ich das mal wieder selbst übernehmen, ganz ohne der "Art of Deception" zu frönen.

*** Dieser Mann übrigens, möglicherweise ein guter Mensch aus Sezuan, auch wenn die öffentliche Rezeption seiner Aktionen dies bislang nicht nahelegt, dieser Mann, der nicht einmal einen Laptop anfassen darf, diktiert wie weiland Dieter Bohlen auf 350 Seiten seine Erfahrungen im Unterwandern von Eisbergen mit dem Untertitel "Controlling the Human Element of Security". Besonders apart ist Mitnicks Dank an den Fernseh-Detektiv Rockford, der ihm mit seinen Einschleichtricks die Kunst des Social Engineering beigebracht habe. Kann das 50 Jahre alte deutsche Fernsehen solche erzieherischen Erfolge vorweisen? Eher nein. 50 Jahre Fernsehen zeigt, wie die Schule der Nation abgedankt hat und dümmliche Ratespiele mit Günter Jauch als Bildung verkauft. Was bleibt, ist in den USA das NerdTV, bei uns Karl Moik. Auch in den USA scheint man dem Fernsehen nicht immer zu trauen, jedenfalls dann, wenn es um die Mondlandung geht.

*** Was die Bildung anbelangt, so sollte doch die nette Studie erwähnt werden, die in der vergangenen Woche aufdeckte, wie sinnlos Computer im Klassenzimmer sind. Nicht mal lernen, wie die Teflonpfanne richtig geschrieben wird, kann man mit ihnen. Noch gelten die Daten nur für Israel, doch würde es nicht wundern, wenn die Computer den Weg aller Sprachlabore gehen müssten. Gelernt wird jedenfalls früher. "Alles, was ich für das Leben brauchte, habe ich im Kindergarten gelernt", schrieb Robert Fulghum, in der Schule der Banknachbar von Bill Gates.

Was wird.

Ausnahmsweise beginnt diese Vorschau mal mit einem Ereignis, das in der kommenden Woche nicht statt findet. Zum zweiten Mal in Folge konnte Industrie-Guru Esther Dyson (wie heißt eigentlich ein weiblicher Guru? Gura? Oder gar Gurante?) mangels Teilnehmerzahlen nicht ihr teures Hightech-Forum in Berlin abhalten. Es seien zu wenig Europäer bereit, sich den intellektuellen Anforderungen eines richtigen Kongresses zu stellen, schreibt Dyson. Vielleicht ist der Kindergarten schuld, vielleicht auch nur die allgemeine Matsche im deutschen Dämmerschlaf. Dabei geht es doch um Informationen, Dummerchen. Vielleicht muss man einfach nicht so blöd sein, den Fluss der Informationen mit immer neuen Geschäftsideen zu bekämpfen, sondern einmal neugierig fragen, was da fließt.

Kurz nachdem diese Zeilen online gehen wird auf eBay eine bemerkenswerte Auktion enden. Dort wird das Wizzy Active Lifestyle Telephone versteigert, mit dem Apple und Bell South einstmals groß in die mobile Telefonie in der Firma und im Haus einsteigen wollten. Walt basierte auf Newton-Technik und musste wie der wundersame eMate (Kindergarten!) den Weg aller Teens gehen. Landfill statt Landlord des Digital Lifestyle, der jetzt wieder mächtig propagiert wird. Diese Woche startet Microsoft frei aller Justizsorgen mit seinem Tablet PC, der von Microsoft als ideales Gerät für die Korridor-Kriegerin gepriesen wird. Mit dabei die Presse, die vom coolsten Design des neuen Jahrtausends schäumt. Mit Microsoft im Flur, das gefällt auch vielen Firmen, die Unglücke wie Windows for Pen Computing oder die Webpads vergessen haben. So spricht Ray Ozzie, der Erfinder von Lotus Notes, von einem riesigen Fortschritt und einem bisher nie erreichten Grad an Freiheit. Freudig geht er mit seiner Firma Groove Networks auf die Roadshow. Ein Hoch auf die digitale Tinte, die jetzt vergossen wird als höchste Form des Fortschritts. Selbst durchaus verständige Computermenschen vergessen dabei die Doppelfunktion der Tinte als Klebmasse, die Anwender in ein neues Dateisystem von Microsoft ziehen will. Wer das in der vergangenen Woche besprochene papierlose Büro will, muss es mit Microsoft-Software betreiben. Es herrscht Krieg in den Korridoren, nicht erst seit dem Microsoft-Urteil.

"Der einzige Ausweg wär aus diesem Ungemach:
Sie selber dächten auf der Stelle nach
Auf welche Weis dem guten Menschen man
Zu einem guten Ende helfen kann.
Verehrtes Publikum, los, such dir selbst den Schluss!
Es muss ein guter da sein, muss, muss, muss!"

(Hal Faber) / (jk)