4W

Was war. Was wird. Schland o' Schland, du hast nicht alle Tassen ....

Guter-Blockwart-Gesetz? Tja, auch Hal Faber kommt auf seltsame Ideen, wenn er aktuell Entwicklungen verfolgen muss. Wie wärs mit ein bisschen Eskapismus?

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 71 Kommentare lesen

Ach ja. Sommer, Sonne, Frankreich. Man muss nicht unbedingt die Tour de France verfolgen, um schöne Ecken zu entdecken. Aber es hilft.

(Bild: Kotkoa / Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Gut, das wenigstens das vorbei ist. Danke, lieber Phylourny-Algorithmus. Wenn England und Frankreich im Endspiel stehen, folgt daraus, dass Deutschland im Wembley-Stadion den Kürzeren zieht. Zwar hat Deutschland in den letzten 15 von 16 Spielen gegen England gewonnen, aber diese Wahrscheinlichkeiten zählen eben doppelt und dreifach. Ich würde ja eher darauf tippen, dass Italien ins Endspiel kommt, aber ich bin kein Algorithmus oder sonst ein automatisches Schreibprogramm. Als Mensch dem Elefanten unterlegen sein, das ist schon schmerzlich genug. Jetzt brauchen wir nur noch einen Algorithmus, der nach zwei oder drei Etappen den Sieger der Tour de France ausrechnet, dann ist Ruhe im Kasten. Dann können wir uns ganz auf die nächste LesBI*Schwule T*our kümmern, auf der die Regenbogenfahnen fröhlich flattern und π gefeiert wird. π steht hier übrigens für die Polyamorie, wenn jemand mit 3,14 Personen eine Liebesbeziehung hat. Ohnehin sind das Fußkicken von Bällen oder das beschleunigte Radeln aussterbende Sportarten im Zeitalter des Frolfens.

*** Bekanntlich ist die Beziehung vorbei, die die Bundesregierung zu einer gewissen Franziska Giffey hatte, doch wirken die unter ihr ausgeheckten 163 Punkte der Jugendstrategie fort. Da war doch was mit dem Jugendschutz? Im Vorfeld der allfälligen Sommerrätselei könnte man raten, wie die Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages heißen soll, mit der Schutzfilter auf Betriebssystem-Ebene installiert werden sollen. Wer sich solch einen Schwachsinn ausdenkt, wird schon einen passenden, griffigen Namen dafür brauchen, allein um sich von ähnlichen Ansätzen aus China abzugrenzen. Wie kann man das hübsch benennen, was angeblich "mit überschaubarem Aufwand technisch umsetzbar" sein soll? Guter-Blockwart-Gesetz? Oder sollte man besser ein unübliches Wort einbauen wie in Betriebssystem-Kolier-Plichtverordnung? Oder sollte es besser etwas englisch-seriös klingen wie Zero Trust Management Platform? Das signalisiert immerhin, dass man diesem Staat bei der Digitalisierung keinesfalls trauen sollte.

*** "Das ganze Gerede von Modernisierung unserer Sicherheitsarchitektur hat sich als parteipolitische Luftblase offenbart, die SPD macht einen Rückzieher, um vor linken Wählergruppierungen Punkte zu sammeln." Die SPD ist schon am Sammeln von linken Wählergruppen und verhindert die Modernisierung der Sicherheitsarchitektur, das meint jedenfalls die Deutsche Polizeigewerkschaft. Sie ist sauer, weil die Novellierung des Bundespolizeigesetzes in den Vermittlungsausschuss muss oder gar nicht mehr in dieser Legislaturperiode verabschiedet wird. "Wir hoffen, dass diejenigen, die die Bundespolizei verraten haben, dann in der Gesetzgebung des Bundes keine große Rolle mehr spielen. Wer die Herausforderungen der Inneren Sicherheit den Parteiinteressen opfert, hat in Regierungsverantwortung für lange Zeit nichts verloren!" Auch so kann man als kleine Gewerkschaft sein Scherflein beitragen, den drögen Sommer-Wahlkampf aufzuhübschen. Denn die SPD-geführten Bundesländer, die die moderne Sicherheitsarchitektur angeblich gefährden, stimmten dafür, dass nun auch deutsche Geheimdienste mit dem Staatsrojaner "Spion und Spion" spielen dürfen. Nochmal zum Mitschreiben: Das Bundesamt für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst und die Verfassungsschutzämter der Bundesländer dürfen Chats und Messenger überwachen – ganz ohne Richtervorbehalt, wie es bei der polizeilichen Schnüffelei notwendig ist. Ein Glücksfall für Avoozer mit dem Zero Avocado-Betriebssystem? Es muss ja ein Leben nach Encrochat und ANOM geben.

*** Kaum ist die erste Hitzewelle vorbei, hat es einen Zombie aus seinem Grab getrieben. Vielleicht erinnert sich die:er eine oder andere an das Supergrundrecht auf Sicherheit, das der CSU-Hardliner Hans-Peter Friedrich im Supersommer 2013 postulierte. Nun taucht der Begriff wieder bei der CDU/CSU auf, allerdings in abgewandelter Form. Da behauptet der digitalpolitische Sprecher Tankred Schipanski, dass es kein Supergrundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gibt. Das ist insoweit noch OK, als es nur Grundrechte gibt und keines der Grundrechte besonders Super ist und höher steht als andere. Schlimm wird es aber, wenn über diese Behauptung der Datenschutz demontiert werden soll und die 17 Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder abgewickelt werden sollen. Die Parallele ist offenkundig: Während die 17 Verfassungsschutzämter den Staatstrojaner einsetzen dürfen, werden die Stellen für Datenschutz und Informationsfreiheit abgebaut, weil sie angeblich diese Digitalisierung bremsen, von der alle schwärmen. Man kann diesen Vorstoß der CDU wie hier im Internet-Observatorium kommentiert auch anders sehen, als "Nutzung von Daten für digitale Anwendungen etablierter Mittelständler", denen der Datenschutz eh ein Dorn im Digifuß ist.

*** Unter der Woche beschäftigte sich der kleine Newsticker aus der digitalen Welt mit der Statistik, derzufolge die Sichtung von UFOs zugenommen hat. Eine Aussage ließ aufhorchen: "Über die Hälfte sind außerdem der Meinung, dass die Regierung Informationen über UFOs hat, die sie nicht mit der Öffentlichkeit teilt." Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern korrekt, wie es der lange angekündigte öffentliche Vorabbericht über die bisherigen Untersuchungen von UFO-Sichtungen durch das amerikanische Militär zeigt, der am Freitag veröffentlicht wurde. Neben dem öffentlichen Bericht gibt es einen geheimen Teil, weil ein Teil der Antworten die Bevölkerung verunsichern würde, wie man so sagt. Als kleiner Hinweis steht im Bericht die Feststellung, dass zumindest die beobachteten "unidentifizierten Phänomene im Luftraum" (UAPs) ein eindeutiges Sicherheitsproblem sind und eine Herausforderung für die nationale Sicherheit der USA darstellen könnten. "Auch der Geheimdienstbericht bestätigt und kritisiert die jahrzehntelange 'soziokulturelle Stigmatisierung' und persönliche Verunglimpfung von UFO-Zeugen im Zusammenhang mit der Beobachtung von UAPs, deren Meldung oder bei dem Versuch, sie mit Kollegen zu diskutieren", übersetzen die Grenzwissenschaftler aus dem Bericht. Wie war das noch mit der Geschichte von Kenneth Arnolds UFO-Sichtung im Jahre 1947? Was passierte über die Luftwaffenstützpunkt Loring im Jahre 1975? Doch die größte Frage, gewissermaßen der Elefant im Raum ist doch: Warum sollten sich hochstehende Kulturen für die Bewohner eines Planeten interessieren, die gerade dabei sind, ihren Planeten zu zerstören? Wobei, man wird doch noch träumen dürfen: Wie wäre es, wenn eine Untertasse landet und Greta Thunberg und Lisa Neubauer abholt, den neuen Menschen auf einem roten Planeten zu verwirklichen. Das mit der Parthegonese kriegen sie sicher locker hin.

Alles neu macht der Juli. Zumindest bekommt Deutschland einen neuen Glücksspielstaatsvertrag, komplett mit einer Spielersperrdatei für die Online- und Offline-Welt. Nicht alle sind glücklich über die Glücksregelung mit einer Einzahlungsgrenze von satten 1000 Euro pro Person und Monat. Nur die Bundeszentrale für Süchte aller Art meint, mit Check dein Spiel ein Bollwerk gegen die grassierende Spielsucht gefunden zu haben, von der vor allem junge männliche Erwachsene bis 25 Jahre sowie mit Migrationshintergrund oder einem eher niedrigen Einkommen betroffen sind. Von den Verflechtungen der Glücksspielbranche mit zwielichtigen Finanzdienstleistern wie Wirecard will niemand etwas wissen, am allerwenigsten die Politik. Wirecard startete sein Geldrauschgeschäft mit der Abrechnung von Online-Glücksspielanbietern, die in Malta und Gibraltar zugelassen waren. Nun wird genau diesen Unternehmen der rote Teppich ausgerollt.

Kommt das bundesweite legale Glücksspiel, so ist es vorbei mit der Pflicht zum Home-Office. Endlich, endlich kann es zurück ins Büro gehen. Endlich gibt es wieder diese zeitraubenden Meetings ohne Sinn, ohne Verstand und ohne "unten ohne". Etwas übereilt sind Meldungen, wonach Arztrezepte ab sofort elektronisch ausgestellt werden. Das soll nur in der Testregion Berlin-Brandenburg möglich werden und zwar bei genau *einem* Arzt und *einer* Apotheke. So geht das eben mit der Digitalisierung: Es gibt immer nur die 1 und die 0.

Aber lasst mich doch in Ruhe mit eurer Digitalisierung. Endlich fahren sie wieder ganz analog auf der Tour de France, und ganz ohne Gewinner-Vorhersage-Algorithmus: schnelle Radler, schöne Landschaft, nette Dörfer; gute Tipps für den nächsten Fronkreisch-Urlaub. Und zur Erholung zwischendurch gibts die letzte Staffel von Bosch. Fragt mich in drei Wochen wieder nach dem Ernst des Lebens. Ach, Bosch und Live-Übertragung der Tour de France gäbs nicht ohne Digitalisierung? Na, so was aber auch. Dann erst recht lieber etwas Eskapismus dieser Tage. (jk)