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Was war. Was wird. Über große Barden, BKA-Gesetze und B-Firmen

Immer wieder gibts für diverse Leute Kröten zu schlucken. Frösche aber, die werden nur selten zu Prinzen, so oft man sie auch küsst, befürchtet Hal Faber. Um so schlimmer, dass der Prinz gerade erst und der große Barde schon lange tot ist.

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Was war. Was wird. Über große Barden, BKA-Gesetze und B-Firmen
Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

Was war.

*** "Der Mensch, der stolze --
mit kleiner, kurzer Macht sich brüstend
und vergessend, was allein gewiss ist,
sein gebrechlich Dasein --
spielt, gleich zornigen Affen
so tolles Zeug dem hohen Himmel vor,
dass Engel weinen, die, gelaunt wie wir,
sich alle sterblich lachen würden."

Was man so angeboten bekommt, wenn man Shakespeare sucht

(Bild: Google)

Am 400. Todestag des größten Barden der Menschheit den Affen geben und eine Wochenschau schreiben, ist eine traurige Sache, zumal auch Prince gestorben ist. Wer schreibt uns jetzt Songs wie "Kiss", und "Nothing compares 2 U" oder komponiert aus dem Frühstück kurzerhand "Starfish and Coffee"? Jemand, der Tanzen, Singen und 25 Instrumente spielen konnte, wäre im elisabethanischen England zu Shakespeares Zeiten ein Schauspieler von Interludien geworden, immer in Gefahr, am nächsten Pranger ausgepeitscht zu werden. Take all my Love, aber wer nimmt schon Liebe angesichts der unerträglichen Zukunft? Prince, der Schwarze aus dem mittleren Westen, wusste, wie das geht.

War is all around us
My mind says prepare to fight
So if I gotta die
I’m gonna listen to my body tonight

*** Für manche, wie den amtierenden Innenminister Thomas de Maizière, ist die jüngste Vergangenheit unerträglich. Er wettert gegen die Richter in Karlsruhe, die bei der Entscheidung zum BKA-Gesetz nichts besseres zu tun haben, als dem Gesetzgeber in Sachen Sicherheit in den Arm zu fallen. De Maizière und nicht Shakespeare ist der rechte Terror-Experte, für den die Internationalisierung von Gefahren alles rechfertigt, bis hin zu Richtern, die gefälligst einen anderen Körperteil, mit Ar beginnend, kriechend aufzusuchen haben, in aller gebotenen Unterwürfigkeit vor dem Gesetzgeber. Der Ärger des Ministers ist unverhältnismäßig angesichts der der sanften Art, wie Karlsruhe einige Paragraphen als "zu unbestimmt" kritisiert und "flankierende rechtsstaatliche Absicherungen" fordert für das, was die tageszeitung die Magna Charta des Polizeirechts nennt. Noch hübscher ist freilich die Formulierung, dass in Karlsruher Streicheleinheiten für die Ermittler verteilt wurden beim Vertrauensbeweis für das BKA. Das wird man im Kampf gegen den islamistischen Terror am kommenden Dienstag doch feiern dürfen, wenn BKA, BfV, BND und MAD zusammen mit de Maizière und Merkel sich die tolle Antiterror-Datei angucken gehen. Was für ein schöner Presstermin mit Gelegenheit zum lockeren Gruppenfoto für die deutschen Medien, ganz anders als dieser Anschlag, bei dem man prompt "keinen terroristischen Hintergrund" vermutete.

*** Die heimliche Online-Durchsuchung ist mit den Grundrechten des Grundgesetzes vereinbar, die Nutzung der dabei erhobenen Daten unterliegt nicht der Zweckbindung, sofern der geänderte Zweck etwas mit der "Gefahrenlage" zu tun hat. Bei der Übermittlung von Daten ins Ausland muss man gucken, dass ein "hinreichend rechtsstaatlicher Umgang" mit den Daten erlaubt ist. Im BKA wurde die Nachricht begrüßt und mit einer Stellenausschreibung für die dafür notwendigen Cyberanalysten gekrönt, die "im Dialog mit nationalen und internationalen Partnerdienststellen sowie IT-Firmen und -Ansprechpartnern (z. B. Provider)" hinreichend rechtsstaatlich arbeiten wollen. Für die Piratenpartei ist es ausgemacht, dass das BKA keine Daten beispielsweise an das FBI übermitteln darf: "Daten über Deutsche an Staaten wie die USA weiterzureichen, wo kein angemessener Datenschutz gilt und Menschenrechtsverletzungen drohen, ist Polizei und Geheimdiensten ab sofort verboten." Eine durchaus eigenwillige Interpretation.

*** Wie die Zusammenarbeit mit Großbritannien aussieht, wenn dort das weitreichende Überwachungsgesetz über die Investigatory Powers Ende des Jahres in Kraft tritt, ist eine interessante Frage. Aktuell ist dort Obama zu Besuch in einer Art Warteschleife, bis die Demonstranten gegen TTIP das schöne Hannover verlassen haben. Sein Schutzschiff ist schon eingetroffen. In Hannover wird Obama mit seiner Freundin Angela die Hannover Messe besuchen. Ob er die deutsche Angst verstehen wird, mit der schon EU-Kommissarin Ceclilia Malmström ihre Probleme hatte, darf bezweifelt werden. Vielleicht müsste ihn ein Amerikaner über den Handels-Unfug aufklären. In London ist Obama mit dem Brexit beschäftigt und dem historischen Irexit, dem britischen Gedenken an den irischen Aufstand vor 100 Jahren.

*** Die Verleihung der Big Brother Awards ist vorüber, die traditionelle Gala vorbei. Wieder einmal hat es ein Preisträger geschafft, was seit der ersten Gala anno 2000 nur Microsoft, die Deutsche Telekom und das statistische Bundesamt schafften: Sie schickten jemanden in die Hechelei der Löwen, den Preis abzuholen und eine Gegenrede zu halten. Mit dem "Sozialunternehmen" Change.org ging das gründlich daneben, weil sich der Moderator auf "Regeln" berief und dem Change-Vertreter das Mikrophon abklemmte: Erst brav den Preis abholen und dann ein paar Takte sagen, so und nicht anders lauten die "Regeln". Was folgte, war ein beiderseitiges Rüpeln, ehe Gregor Hackmack die Position von Change.org erläuterte. Ja, man arbeite mit deutschen Datenschutzbeauftragten zusammen und ja, man übermittelt Daten in die USA nach dem veralteten Safe-Harbour-Abkommen und ja, man speichere dort die Daten zentral, weil die Kosten einer lokalen Speicherung die B-Corporation überfordere. Nun ist der Sozialgedanke dieser B-Firmen, wie sie die Berliner Gexsi-Bank in Deutschland etablieren will, etwas anders gelagert als die einer gemeinnützigen Organisation, weil sustainable profits immer noch profits sind – das Missverständnis ist vorprogrammiert. "Wenn der Kapitalismus gut ist, dann muss er für die Armen gut sein", dieser Satz von Hal Taussig, der mit dem europäischen Reisebüro Untours die erste B-Firma gründete, ist für Linke unakzeptabel.

*** Für jede B-Firma gibt es eine Bewertung mit einem Punktesystem, so auch für Change.org. Mit diesem Scoring kann eine Firma bewerten lassen, ob sie den ethischen Ansprüchen an B-Firmen Genüge tut. Was ist, wenn Scoring-Systeme zur Selbstbewertung in einer Firma zum Einsatz kommen, deren zentrales Credo Think! lautet? Genau, dann gibt es einen Big Brother Award für die Kopfarbeiter. Das Wissen, wie Wissensarbeiter untereinander vernetzt sind, wie kollaborativ sie sind, welchen Einfluss sie auf andere haben und so weiter, das wird im "IBM Personal Social Dashboard" abgebildet und ist für jeden IBMer nützlich, der im immer weiter wuchernden System der Management-Ebenen überleben will.

Was wird.

Was IBM so anstellt.

(Bild: IBM)

Ob man das IBM-Dashboard auf der re:publica ten zeigt, ist unbekannt, doch dort würde das Social-Graph-Programm für glänzende Augen bei den Netzflummihipstern sorgen, die sich demnächst in Berlin versammeln. Dort ist IBM ein Hauptsponsor, stellt Neo, Connie oder sonstwas für einen niedlichen Roboter vor und zeigt den, äh, Trampelpfad ins kognitive Zeitalter. Mit Toskana gibt es sogar eine IBM-Premiere, wobei der Name der WhatsApp-Software für Wissensarbeiter sicher von der Toskanafraktion inspiriert ist, einer lockeren linken Vereinigung mit Hang zu Leckereien. Auf der Alles-Netz-Konferenz ist auch das Geburtstagskind dabei, mit einem Tratsch, wie man gegen den Hass im Internet vorgehen kann. Und so endet dieser kurze Ausblick, ganz kognitiv gestimmt, natürlich mit Shakespeare.

Mein Hirn soll meines Geistes Weibchen sein,
mein Geist der Vater,
Und diese zwei erzeugen
ein Geschlecht stets brütender Gedanken,
Und die bevölkern
diese kleine Welt, an Launen
wie die Menschen dieser Welt,
denn kein Gedanke ist zufrieden.

(jk)