Was war. Was wird. Von Cyberkriegen und der neuen deutschen Weltoffenheit.

Zwischen Supergrundrecht Sicherheit, Kolonialismusüberbleibseln, Weltallballern und Cyberkriegen wünscht sich Hal Faber dann doch etwas mehr Pazifismus.

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Cyber, Cyber! Nein, daraus hat zum Glück noch niemand einen penetranten Eurodance-Stampfer gemacht. Dafür ist es zum viralen Bildhit geworden: Denn bestimmt sitzen nicht nur die Cyberkriminellen, sondern auch die Cyberabwehrsoldaten immer, wirklich IMMER im Hoodie vor dem Bildschirm

(Bild: Panorama Images/Shutterstock.com)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Hal Faber

Wie immer möchte die Wochenschau von Hal Faber den Blick für die Details schärfen: Die sonntägliche Wochenschau ist Kommentar, Ausblick und Analyse. Sie ist Rück- wie Vorschau zugleich.

*** Wenn das Trump-Archiv stimmt, dann hat sich der noch amtierende US-Präsident Trump in dieser Woche mehr mit den Einschaltzahlen einiger TV-Shows beschäftigt als mit den Zahlen der Corona-Toten. Womit er sich überhaupt nicht beschäftigt hat, ist UNC2452, dieser bisher größte bekannte Angriff von mutmaßlich staatlichen Hackern auf zahlreiche Regierungsbehörden, insbesondere auf das Pentagon, auf das Militär- und das Außenministerium. Eine erste Reaktion auf die Angriffe mit ihrem enormen Ausmaß überließ Trump seinem Nachfolger Joe Biden, der für seine Regierungszeit ankündigte, er werde "nicht nur daneben stehen, wenn unsere Nation Cyberangriffen ausgesetzt ist". Man werde die Cyber-Abwehr einschalten und sogar zum Angriff übergehen, sollten weiterhin Sicherheitslücken dieser Art ausgenutzt werden. Ein anderer demokratischer Politiker sprach gar von einer kriegerischen Handlung: "Es ist schwierig, hier einen Unterschied zu finden zu einer Aggression, die als Krieg bezeichnet würde", sagte Chris Coons, ein Außenpolitiker. War das schon ein Cyber War oder war es nur der alltägliche Cyber-Warfare? Soll auf den größten Hacker-Angriff der IT-Geschichte ein Gegenschlag erfolgen? Das dürfte man erst beantworten können, wenn ein einigermaßen vollständiger Überblick über die angerichteten Schäden in den Behörden und Ministerien vorliegt, also gar nicht. Dann ist da noch die Schwierigkeit mit der Attribuierung: Waren es "die Russen"? Mittlerweile macht US-Außenminister Pompeo eine solche Andeutung, ohne sie im Detail zu belegen.

*** Bereits am 7. Dezember hatte die NSA vor einem russischen Angriff auf VMware gewarnt, der erst am 17. Dezember von der NSA in Verbindung mit dem SolarWinds-Debakel gebracht wurde. US-amerikanische Zeitungen wie die New York Times zitieren ungenannte Stimmen aus dem Pentagon und dem Außenministerium, die davon überzeugt sind, dass wieder einmal Cozy Bear zugeschlagen hat, die russische Hackertruppe, die bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 in das Computersystem der Demokratischen Partei eingedrungen war. Auch die Neue Zürcher Zeitung schreibt von einem erfolgreichen russischen Hackerangriff und nennt die Entdeckung der Lücke eine große Blamage für die USA, als ob der Angriff ein Länderspiel gewesen wäre. Ebensogut könnten es aber auch "die Chinesen" sein, deren geheimdienstlicher Operations-Fähigkeiten in den letzten 10 Jahren enorm gewachsen sind. Ganz ohne Attribuierung kommt die hervorragende Analyse von Solorigate aus, die Microsoft veröffentlicht hat.

*** Ist Deutschland besser dran? Wird uns ein IT-Sicherheitsgesetz schützen, das den Fachverbänden nur 28 Stunden Zeit ließ, den Gesetzentwurf zu kommentieren? Schneller war die Demokratie noch nie. Das extreme Tempo im Stil der kleinen Fee von Tom ist Ausdruck der neuen Sicherheit, wie sie sich die Politik wünscht. Wer erinnert sich nicht an einen deutschen Innenminister, der schon vor Jahren vom Supergrundrecht Sicherheit phantasierte, als nach den "Enthüllungen" von Edward Snowden die Existenz und Nutzung umfangreicher Schnüffelprogramme zu rechtfertigen waren. Unter dem Stichwort der Virokratie erfährt nun die Sicherheit eine Aufwertung, als IT-Sicherheit und als Schutz der Bürger vor Corona und Fluglärm. Wer es kann, sollte sich die neue GSZ 6/2020 besorgen, in der Juristen auf 12 Seiten "Das Gewicht der Sicherheit als Herausforderung des liberalen Verfassungsstaates", mithin die Einschätzung der Sicherheit als Grundrecht beschreiben. Angriffe aus dem Cyberraum, die hybride Kriegsführung, der Schutz vor Clan- und Rockerkriminalität, der Schutz vor Seuchen und eben der Schutz vor Gesundheitsgefahren wie dem Fluglärm, es ist alles drin, an alles gedacht, was ein starker Staat für die Sicherheit des einzelnen Bürgers aufbringen muss. So wird die Sicherheit zum Grundrecht. Es muss ja kein Supergrundrecht sein, das ergibt sich schon von selbst, wenn Sicherheit als zentrales Ziel postuliert wird. das wusste schon Wilhelm von Humboldt anno 1792 in seinem "Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen": Je mehr Sicherheit ein Staat seinen Bürgern bietet, desto größer wird das Bedürfnis der Bürger nach weiteren staatlichen Eingriffen zur Erhöhung dieser Sicherheit.

*** Sicherheit hat viele Aspekte. Bekanntlich hat Sony Cyberpunk 2077 wegen technischer Unzulänglichkeiten in allen Versionen eingestellt. Zudem soll das Spiel epileptische Anfälle ausgelöst haben. Das erinnert an die Meldung aus Japan, als der aufgeklärte Westen von der Existenz seltsamer Pocket-Monster erfuhr, Pokemon genannt. In einer der ausgestrahlten Pokemon-Abenteuer im japanischen Fernsehen dringen die kleinen Superhelden in einen Computer ein und treten zum Kampf gegen Computerviren an. In der Animation des Kampfes wurden Blitze ausgestrahlt, die dazu führten, dass landesweit über 700 Kinder mit Krämpfen ins Krankenhaus mussten. Die Krampfanfälle vor dem Bildschirm wurden vor 23 Jahren auch von heise online gemeldet.

*** In Berlin wurde dieser Tage das bereits früher einmal schon belästerte Humboldt-Forum eröffnet, wenn auch nur virtuell. Es ist als "humanistischer Lernort" konzipiert worden, was sich darin äußert, dass einer der Architekten des Monstrums einen Brief aufsetzte, in dem er die Frankfurter Allgemeine Zeitung aufforderte, einen Kritiker des Gebäudes aus dem Blatt zu entfernen. Der antwortete prompt gekonnt mit spitzer Feder: "Man entfernt Unkraut. Man hat in Deutschland auch schon Journalisten entfernt – damals, als das alte Schloss noch stand, und auch, als der Palast der Republik ihn gerade ersetzt hatte. In einer Demokratie müssen die Gegner des Schlosses es aushalten, dass es nach parlamentarischem Mehrheitsbeschluss gebaut wurde, und seine Freunde müssen Kritik, Spott ertragen und dürfen öffentlich zurückschimpfen." Doch halt, die Sache ist noch gar nicht ausgestanden, denn im typisch deutschen Feuilleton-Gewusel hat das Humboldt-Forum ein Manifest ins Internet gestellt, das Plädoyer der 'Initiative GG 5.3 Weltoffenheit'. Diese Initiative beschwert sich über die Ausgrenzung des Autors Achille Mbembe, der zur Ruhtriennale eingeladen wurde, die wegen der Corona-Pandemie ausfiel. So musste seine Rede in einer Zeitung hinter einer Paywall erscheinen. Nun wird eifrig diskutiert, wer eigentlich wen wie ausgrenzt. Weltoffen kann man bei Volker Beck weiterlesen oder beim Apo-Opa Thomas Schmid. Diese Dialogfähigkeit muss die harte deutsche Wertarbeit sein, von der gerne geredet wird.

Während US-Präsident Donald Trump durch das Weiße Haus tigert und weiterhin nach Beweisen für den Wahlbetrug sucht, regiert und reagiert sein frisch geimpfter Vize-Präsident Mike Pence mit fester Hand. Heute vor einem Jahr wurde in den USA eine neue Teilstreitkraft in den Dienst gestellt, die U.S. Space Force. Auf der ersten Geburtstagsfeier dieser Truppe verkündete Pence in seiner Rede, dass die Truppe von nun an die Guardians sind: "Soldaten, Matrosen, Flieger, Marines und Guardians werden unsere Nation auf Generationen hinaus verteidigen." Die kämpfenden Astronauten sind halt die Wächter, eine Truppe von Superhelden, denen ein kleines Luftproblem im All nichts ausmacht. Der US-Astronaut Mike Hopkins, der gerade in der Raumstation arbeitet, ist nun der erste dieser Guardians of the Galaxy.

Für Pence stellt die Aufstellung dieser Space Force die größte Leistung der Regierung Trump dar. Wer Ironie findet, darf sie behalten, wer nicht, darf wenigstens die große Konjunktion in der Galaxie bestaunen, die für uns weltoffene Erdlinge am Montag am Abendhimmel zu sehen ist. Die nächste wird erst am 15. März 2080 zu sehen sein, und auch dann nur, wenn die Klimaziele eingehalten worden sind. Beim Warten kann man ja nochmal Baby Groot zuschauen, dem süßesten Guardian ever, da mag sich Pence noch so sehr anstrengen.

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(jk)