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Was war wirklich wahr. (Des zweiten Sommerrätsels Auflösung)

Die Hälfte der Aufgaben des zweiten Teils des Sommerrätsels wurde mit Bravour gelöst, ja man könnte sogar wahlkampftechnisch von der Mehrheit der Aufgaben schreiben, weil das letzte Rätsel etwas unfair ausfiel, räumt Hal Faber ein.

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Von
  • Hal Faber

Wirklich niemand konnte bei der Konzeption des Sommerrätsels ahnen, dass der Sommer so mit Wahltran aufgefüllt wird und sich selbst Microsofts Erklärung des Namens Windows Vista liest wie die Wahlprogramme großer deutscher Parteien: "Wir leben in einer Welt mit immer mehr Informationen, mehr Kommunikationswegen, mehr Möglichkeiten und mehr Aufgaben." Immerhin hatten die Leser genug Möglichkeiten und Kommunikationswege, den "persönlichen" Teil des Sommerrätsels zu lösen.

Was war wirklich wahr.

"Wenigstens hätten sie sich richtig anziehen können, wenn sie schon so einen Unsinn wie Open Source präsentieren." (Anklicken für größere Ansicht)

Dabei wurde die Hälfte der Aufgaben mit Bravour gelöst, ja man könnte sogar wahlkampftechnisch von der Mehrheit der Aufgaben schreiben, weil das letzte Rätsel etwas unfair ausfiel. Es zeigt die junge Celeste Torvalds an einem Linux-Rechner in einer Aufnahme von Jon "Maddog" Hall. Im Fundus der Rätselfotos war ursprünglich eine Aufnahme vorgesehen, in der Hall, der für die Torvalds-Kinder der Opa ist, mit den Kindern, Puppen und Bauklötzen spielt. Die Aufnahme entstand öffentlich in Las Vegas auf einer Comdex, als Linus Torvalds seinen großen Auftritt hatte, doch wurde es als privates Bild von der Familie nicht zur Veröffentlichung freigegeben.

In Anbetracht der Tatsache, dass Admiral Grace Hopper oder Ada Lovelace überall mit immer denselben Bildern zu leicht für ein Rätsel sind und es keine Fotos der ersten deutschen Programmiererin Ursula Hebekeuser im Internet gibt, wurde mit der ersten Frage Mina Rees gesucht, die nach dem Zweiten Weltkrieg einen entscheidenden Anteil daran hatte, dass in den USA wie in England große Summen in die Förderung neuer Computerprojekte gesteckt wurden. Damit zählt sie zu den großen Frauen in der Informatik.

Die Cisco-Mitgründerin Sandy Lerner taucht hingegen nicht in der feministischen Geschichte der Informationstechnikerinnen auf. Als Mitbegründerin der Kosmetikfirma Urban Decay und dilletierende Studiotechnikerin der Extraklasse bekannt, wurde die große Verehrerin der frühen englischen Frauenliteratur mit einem Foto vom Sommerfest ihrer Stiftung Chawton House abgebildet. Mal ehrlich: Sandy Lerner, gestützt auf einen Cisco-Router, das wäre doch zu einfach gewesen.

Einfache Rätsel sind es auch, wenn Steve Jobs oder Bill Gates auf Bildern erscheinen. Schwieriger erschien es da, die Leute in der zweiten Reihe zu raten. Aber selbst dann, wenn er eine ulkige VR-Brille namens DynaMac trägt, bereitete es wahren Apple-Freaks keine Probleme, den sich gern versteckenden Michael Spindler zu entdecken. Da war DNS-Miterfinder Paul Mockapetris schon von anderem Kaliber, obwohl das offizielle Firmenfoto der Firma Nominum verwendet wurde, bei der Mockapetris heute Chefentwickler für sichere DNS-Installationen ist. Ein Reinfall auch bei der Amiga-Frage, die auf das Logo der späten Jahre zielte. Hier entschloss sich der deutsche Designer Hartmut Esslinger dazu, ein rotes Karo aus der berühmten BoingBoing-Demo zu nehmen und als i-punkt auf den Namen Amiga zu setzen.

Borlands StarTeam und der Goldsucher Frank Borland, den die Pascal-Firma erfand, weil immer wieder Menschen nach Herrn Borland fragten, war schnell enträtselt. Irritierend war allenfalls die Jahresangabe, die sich auf das angebliche Alter von Pascal bezog. Angeblich darum, weil sich Professor Wirth und seine Assistenten nicht mehr an das Datum erinnern können, an dem der erste Pascal-Compiler auf einer CDC 4600 das erste Programm verarbeitete. Irgendwann im Juni oder Juli 1970 soll dies gewesen sein. Viel präsizer ist da der Ruhm von Victor Noir zu datieren, der im Alter von 22 Jahren erschossen und am 12. Januar 1870 beigesetzt wurde. Seitdem ist er Schutzpatron der Journalisten -- und sein Grab eine Pilgerstätte eigener Art. Journalismus und Fruchtbarkeitskult. Wo sonst gibt es diese Kombination?

Ohne große Probleme wurde auch Jamie Zawinski erraten, wie er das Mozilla-Projekt den zweifelnden Journalisten am Netscape Strategy Day erklärt. Zuvor hatten die elegant in Schwarz gekleideten Herren Andreessen, Barksdale und Doerr (ein Venture-Kapitalist) uns Versammelten mit schicken Powerpoint-Folien erklärt, dass Netscape künftig Millionen-Geschäfte als Spezialfirma für Portale machen werde. Portale waren 1998 das Buzzword der Saison. Dann trat in einem anderen Raum das Mozilla-Team an die Tafel, wie hier oben rechts Bild zu sehen. "Wenigstens hätten sie sich richtig anziehen können, wenn sie schon so einen Unsinn wie Open Source präsentieren", schrieb eine Journalistin damals.

Die nächste Folge des Sommerrätsels wird ohne Bilder kommen, weil es manchem Leser zu bunt wurde. (Hal Faber) / (anw)